– Amazon Prime 06.10.2023
Nach 35 Jahren kehrt der Sweet-16-Killer in die kleine Stadt Vernon zurück, der 1987 drei weibliche Teenager mit jeweils 16 Messerstichen getötet hat. Die jetzt erwachsene Pam Hughes ist seit damals übervorsichtig und leicht paranoid, was ihrer siebzehnjährigen Tochter Jamie das Leben schwer macht. Doch diese Sorgen beweisen sich als gerechtfertigt, weil Pam tatsächlich nach all den Jahren zum vierten Opfer des Killers wird. Mit unerwarteter Hilfe einer Schulkameradin, kann Jamie in der Zeit zurückreisen, und will den Mörder noch vor seinem ersten Opfer stoppen. Doch wie mit Zeitreisen so üblich, wer kennt das nicht aus diversen Filmen quer durch die Filmhistorie, bekommt Jamie massive Probleme mit dem Konzept von veränderten Zeitlinien. Und dafür hat Regisseurin Nahntchka Khan mächtig an Vorlagen und Inspirationen, mit denen sie jonglieren kann. Eine Prise HALLOWEEN, etwas mehr von ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT, eine Portion SCREAM, und natürlich HEATHERS. Die Liste ist länger, als man beim ersten Mal erfassen kann.
Mit David Matalon, Sasha Perl-Raver und Jen D’Angelo, alle drei relative unbedarfte Autoren, kann man sich richtig gut vorstellen, dass es eine klare Verteilung gab. Einer für die Slasher-Szenarien, einer für den Science Fiction Part, und ihrer Vita nach zu urteilen, vielleicht Jen D’Angelo für den herrlichen Humor. Jeder Teil funktioniert unterschiedlich gut. In der Einleitung werden die Morde von 1987 noch mit Plastikfiguren, Wattebausch, rotem Acryllack und Modellhäusern nachgestellt. Das ist erfrischend originell, weil die Szenen zudem subliminal mit realen Tatortmotiven unterschnitten sind.
Der Body Count hält sich in Grenzen halten. Die Slasher-Szenen hätten dafür eine wesentlich intensivere Ausarbeitung vertragen. Brutalität kann man den Sequenzen nicht absprechen, aber sie sind weder ästhetisch noch mit expliziter Härte inszeniert. Khan sucht einen Kompromiss zur heute aktuellen Schmerzgrenze, und verliert dann aber durch einen fahlen Spannungsaufbau. Noch weniger überzeugend ist der Science Fiction Teil, der mit dem Begriff Wissenschaft wirklich wenig gemein hat. Die Idee mit der Fotokabine als Zeitmaschine (gleich zwei Vergleiche drängen sich auf) ist leidlich originell.
Khan will mit ihrem Film, und damit dem Kern vorankommen, weswegen die Möglichkeit der Reise sehr schnell, sehr unspektakulär und ohne große Verwunderung bei den Protagonisten abgehandelt wird. Dafür wird ab diesem Punkt TOTALLY KILLER zum absoluten Nerd-Spaß mit exzellentem Unterhaltungsfaktor. Das Zeitkolorit ist einfach auf den Punkt. Ausstattung, Maske und Kostüm schrauben sich gegenseitig hoch, bleiben aber auch immer stimmungsvoll glaubwürdig. Jamies Vintage-Jacke, von Mutter geliehen, wird dabei zum Running Gag. Von dieser Art Gags durchziehen gleich mehrere den Film.
Als Jamie ist Kiernan Shipka in allen Sinnen des Wortes einfach mitreißend. Wie eine kleine Urgewalt springt sie von einer Szene in die nächste, versucht die Polizei von bevorstehenden Morden zu überzeugen, trifft die noch jugendliche Mutter ihrer besten Freundin, und wird immer wieder zur Zielscheibe von Bösartigkeiten der elitären Schüler, zu denen auch ihre (zukünftige) Mutter gehört. Shipka reißt dabei einen exzellenten Einzeiler nach dem anderen. Privatsphäre und politische Korrektheit sind noch weit entfernte Fremdworte. Damit hat die ohnehin gestresste Jamie immer zu kämpfen.
Der Einen Leid ist des Zuschauenden Freud‘. Die Tatorte sind Jamie ja bekannt, doch so einfach ist es dann doch nicht, denn schließlich ist sie selbst der störende Faktor im Raum-Zeit-Kontinuum. Ab und an gönnt sich die Handlung einen Sprung in die Gegenwart, um zu zeigen, wie sich durch Jamies Einwirken die Zeitlinie geändert hat. Immer wieder kommt ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT zur Sprache, den 1987 natürlich jeder gesehen hat. Das herausragende Momentum bei TOTALLY KILLER ist zweifellos die sehr clevere Nutzung von Vorbildern und Querverweisen. Das macht richtig Laune.
Die Macher kennen ihre Quellen, aber auch die Verantwortung diese sorgsam zu integrieren. Danke der Energie von Shipka und der darauf fokussierten Richtung von Khan wird TOTALLY KILLER zu einer sehr unterhaltsamen Zeitreise. Nicht nur für Jamie, sondern besonders für die Generation, die jene Zeit als Jugendliche verbracht haben. Im Bereich Humor und Genre-Collage macht der Film alles wett, was er als Horror-Science-Fiction-Mischung nicht wirklich gut umsetzt. Die optische und inszenatorische Absicht, den Film wie aus den 1980ern aussehen zu lassen, wirkt eher bemüht als geglückt.
Aber Michael Andrews hat dazu einen stilechten, gelungenen Achtzigerjahre Soundtrack geschrieben. Nur in der Musikauswahl wäre mehr Innovation gut gewesen, anstatt sich auf die ausgebrannte Standards zu verlassen. Aber auch hier entschädigt der Film dafür wieder mit beeindruckend einsichtigen Dialogen. Wie zum Beispiel die Erörterung, dass ein Charakter noch leben würde, hätte sie sich auf Blow Jobs eingelassen. Es gibt sehr gute Gründe, sich auf diese Zeitreise zu begeben.
Darsteller: Kiernan Shipka, Olivia Holt, Troy Leigh-Anne Johnson, Liana Liberato, Kelcey Mawema, Stephi Chin-Salvo, Anna Diaz, Jonathan Potts, Julie Bowen, Lochlyn Munro u.a.
Regie: Nahntchka Khan
Drehbuch: David Matalon, Sasha Perl-Raver, Jen D’Angelo
Kamera: Judd Overton
Bildschnitt: Jeremy Cohen
Musik: Michael Andrews
Produktionsdesign: Liz Kay
USA / 2023
104 Minuten
Bildrechte: AMAZON STUDIOS