THE MARVELS

Marvels 2 - Copyright MARVEL

– Bundesstart 09.11.2023    – Release 08.11.2023 (World)

DER PROLOG:

Die Multiverse-Saga des Marvel Cinematic Universe war bisher eine holprige Angelegenheit in der gesamtheitlichen Qualität der einzelnen Filme. Während ANT-MAN – QUANTUMANIA die Reihe in Bedrängnis bringt, wird GUARDIANS OF THE GALAXY 3 zum innovativen Heilsbringer, oder BLACK WIDOW verliert sich im Mainstream-Standard, derweil ETERNALS mit für das Genre sehr ungewöhnlicher Atmosphäre überzeugt. Eine Übersättigung im Superhelden-Genre, ist konkret auch bei Marvel schon erreicht. Die Kinokassen belegen das insofern, dass selbst ein scheinbar gesichertes Publikum mittlerweile einen Besuch nach Mundpropaganda und Kritiken entscheidet. Dennoch scheint Erfolg immer noch faul zu machen. Und THE MARVELS zeigt, dass Kevin Feige als Chef seit 2007, unbedingt wieder eine striktere Linie vorgeben muss.

DIE HANDLUNG:

In CAPTAIN MARVEL hat Superheldin Carol Danvers die Oberste Intelligenz der Kree-Rasse zerstört, was zu einem Bürgerkrieg geführt hat. Heimatplanet Hala ist seitdem ohne Sonnenlicht, was die Luft nicht mehr atembar machte und die Meere austrocknen ließ. Jetzt ist Dar-Benn die neue Anführerin der Kree, und will mit Hilfe zweier Quanten-Armbänder andere Welten ihrer Luft- und Wasser-Ressourcen für die eigene Heimat berauben. Dar-Benn findet aber nur eines der notwendigen zwei Bänder, und löst deswegen Wurmloch ähnliche Raum-Anomalien aus.

Das zweite Quantenband trägt nämlich Kamala Khan aus Jersey City, welches ihr Superkräfte verleiht, weswegen sie sich auch Mrs Marvel nennt, in Anlehnung an ihrer innig verehrt Heldin Captain Marvel. Durch die Anomalie verbinden sich die Kräfte von Kamala, Carol und Monica Rambeau, die mittlerweile gleich alte „Nichte“ von Carol. Da gibt es zuerst offene, familiäre Wunden zu heilen, und Kamalas überschwänglicher Fan-Enthusiasmus muss gedämpft werden, bevor der Kampf gegen Dar-Benn starten kann. Um nicht eine, sondern gleich vier Welten retten zu können.

DIE DARSTELLER:

Als mittlerweile feste und beliebte Größe im Mainstream, zeigt sich Brie Larson in ihrer Rolle gewohnt kompetent. Als Captain Marvel unnachgiebig und virtuos, während ihre Carol Danvers weniger entschlossen wirkt, und immer wieder mit ihren Aufgaben hadert. Larson kann das körperlich fantastisch ausdrücken, ohne überflüssige Wort zu bemühen. Als Familienfreundin aus früheren Tagen, ist die schlagkräftige Monica Rambeau mit Teyonah Parris grundsätzlich gut besetzt. Sie strauchelt aber bei der undankbaren Aufgabe, einen absurd konstruierten Konflikt mit „Tante“ Carol auszutragen.

Regisseurin Nia DaCosta versucht die drei ‚Marvels‘ ausgewogen zu inszenieren, bleibt dann aber doch mehr an Carol und Kamala hängen. Und in diesem Rahmen bietet der Film dann ein erstklassiges Vehikel für die energiegeladene Iman Vellani, die mit perfektem Timing brilliert. Mit ansteckender Euphorie kann sie endlich mit ihrem Idol Captain Marvel arbeiten. Vellani ist aber nicht nur der liebenswerte Spaßvogel, sondern macht Kamala zu einer ernstzunehmenden Figur, bei der im Angesicht ihrer gewachsenen Verantwortung auch eine unterschwellige Unsicherheit und etwas Angst durchscheint.

Marvels 4 - Copyright MARVEL

 

TECHNISCHE QUALITÄTEN:

Technisch ist der Film auf hohem Niveau, aber nicht auf dem Niveau welches möglich ist. Die Bilder schaffen keine wirkliche Größe. Den Raumschiffen, interplanetaren Reisen, und Planetenwelten fehlt der Eindruck ihrer Dimensionen, selbst wenn versucht wird Entfernungen und Formate mit Computer generierten Kamerafahrten zu simulieren. Welten- und Set-Design zeigen sich eher pragmatisch uninspiert, oder halten sich an vorangegangene Filme. Bei den Computervisualisierungen machen sich nur wenige, aber dennoch unsauber gerenderte Effekte bemerkbar. Für diese Filmliga ungewöhnlich.

Ausgelöst durch die Anomalie, wechseln die drei Heldinnen immer die Plätze mit einer der anderen, wenn sie ihre Kräfte benutzen. Das wird zu einem atemberaubenden Augenschmaus, wenn nicht nur an drei verschiedenen Orten gekämpft wird, sondern im wortwörtlichen Sekundentakt in jeder Einstellung eine Marvel die Bewegung einer anderen Marvel übernimmt. Aber selbst im vermeintlichen Chaos verlieren die Zuschauenden nie die Orientierung. Script-, Continuity-, und Editing-Department verdienen höchsten Respekt für diese eindrucksvolle Umsetzung grandioser Action.

INHALTLICHE QUALITÄTEN:

Das Problem mit den MARVELS sind die abstrusen Ideen, die die Anschein erwecken, als ob sie vom ersten Gedanken direkt vor die Kamera geworfen worden wären. Monica trägt mit Carol einen Konflikt aus, der lediglich das emotionale Spektrum  zwischen den beiden Figuren erweitern soll. Weil Carol als Captain Marvel in anderen Galaxien ganze Welten rettete, fühlt sich Monica furchtbar betrogen, weil sie für sich selbst Carols Trost nach dem Tod der eigenen Mutter gebraucht hätte. Es braucht kein nachdenken, um den unfassbaren Egoismus zu sehen, der mit dem Charakter überhaupt nicht vereinbar ist.

Es mag sich auf dem Papier (oder Laptop) gut, herrlich absurd und wunderbar originell gelesen haben. Doch ein Planet auf dem man sich nur mit Gesang verständigt, ist in der Umsetzung mehr Monty Python als fantasievolle Science-Fiction-Action-Abenteuer (von der kranken, deutschen Synchronisation ganz zu schweigen). Nur ein ungläubiger Lacher geht über die Lippen, wenn man merkt, dass die Macher wirklich singen lassen. Was sich aber explosionsartig zur Fremdscham wandelt. Dann setzen noch Bollywood-eske Tanzbewegungen ein. Den Blick auf der Leinwand zu halten ist sehr schwer.

Schon beim erste Drittel des Films sind gute und unterhaltsame Charakter-Momente mit vorhersehbaren Standards in Situationen und Dialogen aufgefüllt, die den Spanne von konzentrierter Aufmerksamkeit unterbrechen. Bei der gut besetzten Vorstellung des Rezensenten, kam mit dem Musical-Planeten auch starke Unruhe in den Kinosaal, die aber auch bis zum Ende des Films nicht mehr abriss. Denn Carols Kater Goose… Verzeihung, Goose ist ein Flerken, und Flerken Goose hat währenddessen schon einmal etwas vorbereitet, was die Menschen von Nick Furys Raumstation retten wird.

Wie aus früheren Filmen bekannt, können Flerken Objekte und Lebensformen, vornehmlich Bösewichter, mit ihren Tentakeln verschlingen, und dadurch in eine andere Dimension bringen. Flerken können ihr Verschlungenes aber auch wie Gewölle wieder unversehrt herauswürgen. Und Regisseurin Nia DaCosta reizt diese Fähigkeit (bis zum Erbrechen) aus, und YouTubes Katzenvideos gleich, werden im Showdown unermüdlich und endlos Katzenbabys über die Leinwand gejagt. Eine starke Grundidee aus CAPTAIN MARVEL, mit überraschend witzigen Szenen, wird hier bis zur Ermüdung überspannt.

Marvels 5 - Copyright MARVEL

 

VERHÄLTNIS ZUM MCU:

Der Film und seine Handlung ist erfrischenderweise kein Vehikel um große Vorbereitungen für den weiteren Ausbau des Marvel Cinematic Universe zu betreiben. THE MARVELS steht unter Vorbehalt ganz gut für sich allein. Dafür gibt die Mid-Credit-Scene einen Aussicht auf kommende Attraktionen, die Fans und Nerds schon erahnten, aber jetzt bestätigt scheinen. Ist das Konzept des Multiversums ohnehin für unbedarfte Zuschauende ein manchmal fragwürdiges Konstrukt, wird es mit dem Einverleiben bisher MCU-abstinenter Comicwelten ein Monstrum an grotesken Möglichkeiten.

Der Aufbau und die Zusammenführung der diversen Superhelden war in den ersten drei Phasen der Infinity Saga der Grundstein des überwältigenden und stetig wachsenden Erfolgs. Zum momentanen Zeitpunkt macht Kevin Feige mit seinen Kreativteams nicht den Eindruck einer fokussierten und greifbaren Kontinuität, zumal mehr als die Hälfte der angedachten Filme der Multiverse Saga bereits gelaufen sind.  THOR: LOVE AND THUNDER war ein verrückt überdrehter Ausreißer im Gefüge, aber THE MARVELS hat kaum Potential sich als essenzieller Baustein im Gesamtkonzept zu behaupten.

Viel zu komplex, und durchaus auch verworren, sind die ganzen Verbindungen zwischen Kino und Fernsehen mittlerweile geworden. Während THE MARVELS selbst keine merklichen Erweiterungen für das MCU aufbauen, ist er zumindest auf einer starken Vorleistung gegründet. Monica Rambeaugh und Kamala Khan aus den Disney+ Serien WANDAVISION und MRS MARVEL. Immerhin die besseren Serien aus dem unerschöpflichen Ausstoß an Weltenbildung. Wodurch sich Iman Vanelli als Kamala auch  die gelungensten und stärksten Einzeiler im Film durchaus verdient hat.

Marvels 3 - Copyright MARVEL

DER EPILOG:

Es gibt hier kein Fazit. Meist ist das Fazit, oder auch Resümee, nur eine Zusammenfassung des gesamten Beitrags. Die Konsequenz wäre, dass oben angeführter Text in seiner jetzigen Länge eigentlich überflüssig wird. THE MARVELS geht da geschickter vor – mit Laura Karpmans dissonat kreischender Abspannmusik, zwingt man alle Kinofreunde aus dem Theater, noch bevor die Titel zu Ende sind. Lediglich der Rezensent hielt ein vorzeitiges Gehen für unhöflich, was er dann auch bereut hat.

Marvels 1 - Copyright MARVELDarsteller: Brie Larson, Iman Vellani, Teyonah Parris, Zawe Ashton, Gary Lewis, Park Seo-joon, Zenobia Shroff, Samuel L. Jackson, Mohan Kapur u.a.

Regie: Nia DaCosta
Drehbuch: Nia DaCosta, Megan McDonnell, Elissa Karasik
Kamera: Sean Bobbitt
Bildschnitt: Catrin Hedström, Evan Schiff
Musik: Laura Karpman
Produktionsdesign: Cara Brower
USA / 2023
105 Minuten

Bildrechte: MARVEL
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