THE INSPECTION

Inspection - Copyright OORAH PRODUCTIONS - X VERLEIH - WARNER BROS– Bundesstart 24.08.2023
– Veröffentlichung 18.11.2022

Filme dieser Art hat das Kino schon zu Hunderten gezeigt, mit allen möglichen Hintergründen und Motivationen. Ob OFFICER AND GENTLEMAN oder G.I. JANE, viele Filme davor und viele Filme danach. Die Außenseiter, die Marines werden wollen, um ihrem Leben endlich Gehalt zu geben. Das unbarmherzige Training. Der unmenschliche Drill-Sergeant. Der Moment der Kapitulation. Der Moment der Besinnung. Die Wut, die Verzweiflung, und dann die Kraft. Die Außenseiter gehen als die angestrebten Personen aus der Geschichte. Und nichts anderes zeigt uns auch Elegance Bratton in seinem Spielfilmdebüt. Aber THE INSPECTION ist seine persönliche Geschichte. Alle Eckdaten und Fakten bleiben bestehen, und werden nicht der Dramaturgie wegen gebogen. Doch Bratton lässt seinem sehr eindringlichen Hauptdarsteller Jeremy Pope jeden Raum, um zwischen allen Fakten, seinen eigenen Elegance Bratton zu finden.

Aus Bratton wird Pope, mit Namen Ellis French. Ein homosexueller Schwarzer, der mit 16 Jahren von seiner Mutter Inez auf die Straße gesetzt wird. Wenn wir Inez‘ Appartement sehen, wissen die Zuschauenden um ihre religiöse Einstellung. Aber Bratton macht es nie zum Thema, lässt Inez auch kein Wort über ihren Glauben verlieren. Es geht nicht um Kritik an der Lebenseinstellungen anderer, weil Bratton gar nicht die Meinung anderer für sich interpretieren will. Zehn Jahre ist Ellis obdachlos. Der Film beginnt mit seinem Endschluss ein Marine zu werden, um endlich gesellschaftliche Anerkennung zu finden.

Der Film enttäuscht nicht, sollte jemand die Erwartungshaltung in eine dieser typischen Heldenreisen haben. Ellis durchläuft das brutale Training. Drill Sergeant Laws scheint es genau auf ihn abgesehen zu haben. Und Bokeem Woodbine bringt einen unberechenbaren und verschlagenen Laws auf die Leinwand, der einem das Fürchten lehrt. Das Laws selbst eine unschöne, aber undurchsichtige Vergangenheit hat, lässt Woodbine förmlich spüren, und dominiert damit jede Szene. Und natürlich wird Ellis‘ Orientierung in einer wirklich ungewöhnlichen, aber ergreifenden Situation öffentlich.

Inspection 2 - Copyright OORAH PRODUCTIONS - X VERLEIH - WARNER BROS

 

Wie zu erwarten, bleiben die obligatorischen Erniedrigungen und Zurückweisungen nicht aus. Elegance Bratton inszeniert das aber weniger intensiv als erwartet. Da er den Film auch aus der Sicht von Ellis erzählt, sind Anfeindungen und Ablehnung durchaus hart, für ihn aber gewohnt. Und manchmal sogar selbst provoziert. Einen großen Anteil für Ellis‘ Blickwinkel und Empfindungen trägt Lachlan Milne. Der LOVE AND MONSTERS und MINARI Kameramann, findet auch hier eine angemessene Bildsprache. Er verzichtet zum Beispiel grundsätzlich auf überdramatisierte Aufnahmen, oder gar Heldenposen.

Auch die Gesichter von Darstellern sind nur in sehr spezifischen Szenen wirklich einmal frontal zu sehen. Dann, wenn Aussagen oder Figuren für Ellis‘ Empfinden tatsächlich prägnant scheinen. Meist sind die Darsteller mit Aktion und Reaktion zusammen im Bild, und schließen somit einen persönlichen Raum. Ob beabsichtigt oder nicht, trägt Oriana Suddo im Bildschnitt einiges zu der realistischen Atmosphäre bei. Oftmals schneidet sie zu früh aus der Einstellung, oder zu spät. Man glaubt stets etwas mehr gesehen zu haben, als man sollte. Wie das nicht zu deutende Augenzwinkern eines Vorgesetzten.

Der unwirklich scheinende Spagat zwischen Homo-Studie und Militär-Drama gelingt Elegance Bratton außergewöhnlich gut, und sehr eindringlich. Es gibt keinerlei Schuldzuweisungen, kein aufgebauschtes Plädoyer. Bratton erzählt allein aus seiner Sicht, somit werden die anderen Figuren und Aussagen, genau wie für Ellis French, auch für das Publikum interpretierbar. Ob Mutter Inez, Sergeant Laws oder Rekrut Harvey. Bratton sucht Erklärungen für ihr Verhalten in erster Linie bei sich selbst. Manchmal auch zu Recht. Damit hat Elegance Bratton in beide Richtungen der gegebenen Genres ein sehr beeindruckendes Selbstportrait inszeniert, dass seine Aufmerksamkeit ehrlich verdient.

Inspection 1 - Copyright OORAH PRODUCTIONS - X VERLEIH - WARNER BROS

 

Darsteller: Jeremy Pope, Raúl Castillo, Bokeem Woodbine, Gabrielle Union, McCaul Lombardi, Aaron Dominguez u.a
Regie & Drehbuch: Elegance Bratton
Kamera: Lachlan Mine
Bildschnitt: Oriana Soddu
Musik: Animal Collective
Produktionsdesign: Tommy Love, Erik Louis Robert
USA / 2022
95 Minuten

Bildrechte: OORAH PRODUCTIONS / X VERLEIH AG / WARNER BROS
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