…BREAKING SURFACE
Über die Sinnhaftigkeit von Remakes wird wohl noch solange gestritten, wie es entsprechende Medien gibt. Manche Themen und Geschichten sind so interessant, dass man sie einem breiteren Publikum nahe bringen möchte – und nebenher viel Geld damit verdienen kann. Die Gründe können sehr unterschiedlicher Motivation sein. Hans Petter Moland hat seinen skandinavischen Rachethriller EINER NACH DEM ANDEREN selbst für den amerikanischen Markt als COLD PURSUIT neu verfilmen dürfen, was dieser äußerst raffiniert nutzte um viele kleine Details zu seiner Zufriedenheit zu korrigieren. Aber dann gibt es Filme wie Joachim Hedéns norwegischen Survival-Thriller BREAKING SURFACE, der nur unbemerkt blieb, weil kein Verleiher sein Potential erkannte. Außer die Produzenten von Augenschein Filmproduktion, welche die Rechte für eine Neuverfilmung erwarben und Filmemacher Maximilian Erlenwein mit der Umsetzung betrauten.
Herausgekommen ist THE DIVE, ein Film der Öl ins Feuer der ständig Zweifelnden gießt. Denn Maximilian Erlenwein macht genau das, was überambitionierte Filmemacher gerne tun – sie möchten sich für das Remake rechtfertigen, indem sie es vermeintlich besser machen. THE DIVE ist zweifelsfrei sehr solide und spannend. Aber auch mit Längen und diffuser Zeitstruktur (Film ist bereits bei Prime UK), wo das Original straff und glaubwürdig im Zeitablauf bleibt. Doch die größte Differenz schafft Erlenwein, indem er genau jene Merkmale Mainstream-gerecht übersteigert, die das eigentlich Besondere und Einmalige von BREAKING SURFACE ausmachen. Es ist nur die Meinung des Schreiber, dass es vielleicht angebracht wäre, wenn man den Fokus doch noch einmal auf Joachim Hedéns Original legt –
Die Besprechung wurde bereits zum Fantasy Filmfest 2020 veröffentlicht, und lediglich grammatikalisch und in Verständnisfragen überarbeitet, ohne die inhaltlichen Aussagen zu verändern.
Immer wieder gibt es beim Fantasy Filmfest diesen einen Film. Der Film, der heraus sticht, weil man vielleicht von diesem einen Film am wenigsten erwartet hat. Es gibt sehr viele Filme die man anführen könnte, um mit BREAKING SURFACE zu vergleichen. Aber kein Vergleich würde BREAKING SURFACE wirklich gerecht werden. Filmemacher Joachim Hedén, der seltsamerweise bisher kaum im Geschäft aufgefallen ist, hat einen Thriller gemacht, der nur eine Frage offen lässt – warum ist BREAKING SURFACE nicht auf der großen Leinwand zu sehen? Für einige Wenige ist er es, oder zumindest zu sehen gewesen. Einem breiteren Publikum bleibt er aber leider verwehrt. Und viele Kunden, die wahrscheinlich nur durch Zufall auf DVD, Blu-ray oder Streaming aufmerksam geworden sind, werden einen verpassten Kinobesuch wirklich bereuen. Vorausgesetzt der deutsche Vertrieb betreibt dafür auch ausreichend aggressive Werbung.
Die Schwestern Ida und Tuva sind von klein auf begeisterte Taucher. Idas Ehe scheint in die Brüche zu gehen, und Tuva war schon immer bei der alleinerziehenden Mutter das Lieblingskind. Alles was die Geschwister verbindet ist das Tauchen, und so finden sich die beiden Schwedinnen in einem norwegischen Gewässer wieder. Die geografische Unterscheidung ist weniger von Bedeutung, aber die Schweden haben scheinbar immer irgendwie Probleme mit den Norwegern, und somit klingt das auch hier einmal kurz durch. Es kommt, wie man es als Thriller-Freund erhofft – kaum im Wasser passiert ein kleines Malheur. Und dieses kleine Malheur führt zu einem größeren Missgeschick. Und es dauert nicht lange, dann ist das eiskalte Wasser richtig am brodeln.
Gerade einmal 10 Minuten braucht Autor und Regisseur Joachim Hedén, um einen unglaublich packenden Vorgeschmack auf das zu geben, was noch kommen mag. Schon dieser Einstieg ist so intensiv, dass man im Publikum hoffen könnte, dass es nicht noch schlimmer wird. Aber es wird schlimmer, und intensiver. Und Dank Eric Börjesons phänomenaler Unterwasserkamera, wird BREAKING SURFACE obendrein zu einem optischen Erlebnis. Seit Al Giddings beeindruckenden Aufnahmen für Camerons THE ABYSS hat man nicht mehr so überwältigende, aber auch natürliche Unterwasserbilder für einen Spielfilm gesehen. BREAKING SURFACE hat es dabei nicht einmal nötig, die Kulisse überzeichnet spektakulär zu gestalten.
So wie die handelnden Charaktere in Bedrängnis, gestalten sich auch die grandiosen Bilder sehr glaubwürdig und realistisch. Sofern man dies als Nicht-Taucher überhaupt einschätzen kann. Aber Regisseur Hedén gestaltet die diversen Szenarien unter Wasser auch entsprechend, dass es den Eindruck erweckt, man würde vom Kinosessel aus tatsächlich ein Verständnis für das Tauchen gewinnen. Was der ohnehin stetig ansteigenden Spannung noch zusätzlich entgegenkommt. Joachim Hedén hat keinen überzogenen Thriller gestaltet, der mit falschen Gimmicks und unrealistischer Übersteigerung Spannung erzeugen möchte.
Seine erstklassigen Darstellerinnen Moa Gammel und Madeleine Martin, zeigen sich als erfahrene und besonnene Taucher. Und jeder Anstieg der Spannungskurve für den nervlich gebeutelten Zuschauer, ist für die Charaktere ein sich verdichtendes Problem, welches durchaus gelöst werden kann. Hier greift der Film sein Publikum, weil die unerfahrene Landratte diese Ruhe und vernünftige Art der Protagonisten einfach nicht nachvollziehen kann. Ein sehr trickreiches und fabelhaft gelungenes Spiel mit den Nerven und den Sinnen. Keine Frage, dass bei diesem filmischen Exkurs wesentlich mehr schief geht, als vielleicht im wirklichen Leben schief laufen könnte, aber das sorgsam ausgearbeitete Buch hat stets alles sehr gut vorbereitet.
Die Inszenierung lässt gar nicht das Gefühl entstehen, die Ereignisse würden nur des Effektes wegen so dramatisch ausfallen. Selbstredend tun sie es, doch die hohe Kunst ist es, dies mit diesen überzeugenden Darstellern und einem rund herum realistischen und glaubhaften Stil zu kaschieren. Das ist wirklich nicht jedermann gegeben, aber Joachim Hedén in diesem Fall hervorragend gelungen.
Atemlose Stille im Auditorium, oder kollektives Wehklagen. Das ist richtig Atmosphäre und erzeugt ordentlich Stimmung. Da kann man froh sein über diese Möglichkeit, gerade bei einem Film der grundsätzlich sträflich vernachlässigt wurde. BREAKING SURFACE hätte die große Leinwand verdient, sowie eine breitere Front an Genre-Freunden BREAKING SURFACE verdient hätten. Schade nur, dass Knut der treue Hund keine Abspannerwähnung gefunden hat.
BREAKING SURFACE
– DVD / Blu-ray 22.10.2020
– mieten und kaufen bei gängigen
Streaming-Plattformen
– frei im Magenta TV Abo
Darsteller: Moa Gammel, Madeleine Martin, Trine Wiggin, Irma Jenny Hallberg, Maja Söderström u.a.
Regie & Drehbuch: Joachim Hedén
Kamera: Eric Börjeson, Anna Patarakina
Bildschnitt: Fredrik Morheden
Musik: Patrick Kirst
Produktionsdesign: Gilles Balabaud
Schweden – Norwegen – Belgien / 2020
80 Minuten
Bildrechte: Courtesy WAY FEATURE FILMS
THE DIVE
– Bundesstart 07.12.2023
– Release 25.08.2023 (UK)
Darsteller: Louisa Krause, Sophie Lowe, Stella Uhrig, Shire Richardson, Savid Scicluna
Regie & Drehbuch: Maximilian Erlenwein
nach dem Film und Drehbuch von Joachim Hedén
Kamera: Frank Griebe
Bildschnitt: Philipp Thomas
Musik: Volker Bertelmann, Raffael Seyfried
Produktionsdesign: Benedikt Herforth
Deutschland / 2023
91 Minuten