– Bundesstart 28.09.2023
– Release 27.09.2023 (US)
Gareth Edwards, dieser Extraordinaire des fantastischen Film, hat es wieder getan. Vom spektakulären Monsterfilm ohne MONSTER, zur spektakulären Neuinterpretation mit dem größten Monster GODZILLA, hin zum spektakulären Star Wars Spin-off ROGUE ONE, nun endlich zum groß budgetierten Originalfilm, ohne Franchise-Anleihen. Der aber nicht so spektakulär ausfällt. Nicht in dem intellektuellen Rahmen, den man von Gareth Edwards kennt. Am Drehbuch hatte Edwards Unterstützung von AMERICAN PIE Begründer Chris Weitz, der schon an STAR WARS: ROGUE ONE mitgeschrieben hat. Aber Weitz ist der Autor, bei dem ANTZ (1998) auch ein FAMILIE KLUMPS (2000) gegenübersteht, oder einem MOUNTAIN BETWEEN US (2017) ein PINOCCHIO (2022). Die Filmemacher Edwards und Weitz, scheinen sich auf den Mittelweg geeinigt zu haben. THE CREATOR ist spektakulär, aber nicht tiefgründig.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass THE CREATOR mit dem Thema der artifiziellen Intelligenz gerade startet, wo der Arbeitskampf in Hollywood scheinbar ein Ende gefunden hat, in dem es maßgeblich um den Einsatz von K.I. ging. Würde man Edwards Film als Kommentar auf den Autorenstreik sehen wollen, was aus zeitlichen Gründen schon nicht möglich wäre, sähe es für die kreativen Menschen in Hollywood schlecht aus. Denn THE CREATOR, aus guten Grund zuerst TRUE LOVE betitelt, betrachtet das Thema künstliche Intelligenz von einer ganz anderen Seite.
Zehn Jahre sind vergangen, seit K.I. in Los Angeles aus Versehen einen atomaren Sprengkörper gezündet hat. Es ist 2065, und unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika, wird jede Form von K.I. bekämpft und ausgemerzt. Nur in den asiatischen Teilen der Welt steht man ungebrochen nicht nur zu den nützlichen Eigenschaften K.I. gesteuerten Techniken, sondern haben sich auch menschenähnliche Roboter schon in das soziale Gefüge integriert. Gareth Edwards beweist seine erstaunliche Erzählkunst, dieses Szenario mit wenigen, aber beeindruckenden Bildern an die Zuschauenden zu bringen.
Hier erschafft der Regie-Künstler ein Welt, die in kürzester Zeit stimmig und logisch nachvollziehbar aussieht. Die drei Sekunden Einstellung, bei der tausende von Robotern in einer Schrottpresse zerquetscht werden, manche noch sichtbar ‚lebend‘, brennt sich umgehend ein. Während eines Undercover-Einsatzes in Neu Asia verliert Agent Joshua Taylor seine Frau Maya, mit ihrem ungeborenen Kind. Maya gehörte eigentlich dem Widerstand an, und hätte Joshua zu dem mysteriösen K.I.-Anführer Nirmata führen sollen. Wo die Liebe hinfällt. Aber Maya wird getötet und Joshua als Verräter entlassen.
Es ist keine raffiniert, verschachtelte Dramaturgie, die Joshua fünf Jahre nach Mayas Tod zurück in den aktiven Dienst führt. Aber es ist clever genug inszeniert, um durchweg schlüssig zu bleiben. Beim damaligen Einsatz war der Ehemalige dem K.I.-Anführer Nirmata näher als angenommen, was sich nun bestätigt hat. Und zur Kompensation soll er ihn jetzt mit einem Spezialkommando endgültig ausschalten. Es kommt, wie es das Marketing schon lange vorweg verraten hat. Aber es kommt auch so, wie ein Film von Gareth Edwards sein sollte. Die Absicht, die Erwartungen auf den Kopf zu stellen.
Aber so richtig will sich die Absicht nicht durchsetzen. Der Weltenbau zu Anfang funktioniert hervorragend, eine Zukunft die sehr gut vorstellbar und schlüssig ist. Im Zusammenhang mit der eigentlichen Handlung, muss eine gewisse Logik im Aufbau dieser Zukunft und Ablauf der Geschichte attestiert werden. Doch ab der zweiten Hälfte entwickelt sich der Film nicht wirklich weiter. Joshua findet Nirmata, in Form eines kybernetischen Mädchens, und flieht mit ihr vor den westlichen Streitkräften. Bis einschließlich des bombastischen Finales, folgt CREATOR bekannten Pfaden.
Für seinen Film erreicht Edwards eine starke Faszination durch das Zusammenwirken der tadellos ineinandergreifenden Gewerke. Eine unverspielte, aber sehr effiziente Führung der Kamera, die von Greig Fraser und Oren Soffer geteilt wird. Der Schnitt von gleich drei Cuttern, Hank Corwin, Scott Morris und Joe Walker, ruht sich nie auf diesen Bildern aus, sondern bringt mit einem klug ausgefeilten Konzept immer das perfekte Tempo, der Stimmung der jeweiligen Szenen angepasst. Die visuellen Effekte sind State-of-the-Art, und fügen sich ohne wahrnehmbare Divergenzen, naturalistisch in die Bilder.
Für einen Film mit 80 Million Dollar Budget, dem Drittel einer Standardproduktion, ist das grandios, und sollte eigentlich wegweisend sein, wie man digitale Effekte richtig nutzt. Damit hat der Regisseur und Filmemacher optische und thematische Anleihen bei diversen Vorbildern realisiert. Allen voran steht da die Strandsequenz aus APOKALYPSE NOW, wobei Joshuas Mission ohnehin starke Anmutung von Conrads ‚Herz der Finsternis‘ trägt. Von BLADE RUNNERs nächtlicher Neon-Optik einer Großsstadt Skyline, ganz zu schweigen. Aber Gareth kopiert nicht, er schafft wirklich Neues.
Die flächigen, blauen Laser der suchenden Scanner der Stratosphären-Festung Nomad sind eine visuell beeindruckende Bedrohung, die sich durch ihre innovative Umsetzung schnell als assoziative Merkmale für den Film etablieren. So stark sich THE CREATOR in seiner handwerklichen Filmkunst präsentiert, so weit verliert sich Regisseur Edwards auch darin. Gerade in der zweiten Hälfte zeigt sich, dass er auch zu einem eigentlich brandaktuellen Thema weder eigene Gedankengänge, oder neue Erkenntnisse beitragen kann. Die Handlung beginnt zu stagnieren, und wird im weiteren Verlauf absehbar.
Die Seiten der ausgehenden Bedrohung werden umgekehrt, aber das ist ein Konzept, dass schon viele Filme thematisch behandelt haben haben. Von einer logischen Radikalität wie bei Alex Garlands EX MACHINA will man gleich gar nichts wissen. Deswegen wird die Geschichte aber nicht belanglos, dafür ist alles was sie umgibt einfach zu stark und mitreißend. Allerdings hätte John David Washington hier etwas mehr Nuancen vertragen. Wo sonst seine stoische Zurückhaltung der Rolle entgegen kommt, wie in TENET oder MALCOLM & MARIE, wäre hier mehr BLACKKKLANSMAN wünschenswert gewesen.
Berechnet man die Produktionszeit eines solchen Projektes, ist das Zusammentreffen mit der aktuell überstürzten, unsachgemäßen und eigentlich hysterischen Auseinandersetzung zum Thema künstlicher Intelligenz im öffentlichen Leben reiner Zufall. Um so besser, das auch Gareth Edwards und Chris Weitz nicht versuchen neue Erklärungsansätze zu finden, sondern technische Innovationen als natürliche Entwicklung zeigen. Das dabei die Betrachtungsweisen von Gut und Böse vertauscht werden, erinnert im Ausklang an Richard Mathesons ‚Ich bin Legende‘ als ein weiteres, vermeintliches Vorbild.
Wie der Film letztendlich eine weitere evolutionäre Stufe beschreibt, ist dann doch zu plakativ. Da war Gareth Edwards thematisch doch noch zu nah am anfänglichen Titel TRUE LOVE. Und auf diese wahre Liebe fokussiert, funktioniert THE CREATOR dann doch viel besser.
Darsteller: John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Gemma Chan, Allison Janney, Ken Watanabe, Sturgill Simpson u.a.
Regie: Gareth Edwards
Drehbuch: Gareth Edwards, Chris Weitz
Kamera: Greig Fraser & Oren Soffer
Bildschnitt: Hank Corwin, Scott Morris, Joe Walker
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: James Clyne
USA / 2023
133 Minuten