– Bundesstart 13.07.2023
Es ist eine eigenartige Mischung die der Regisseur Philippe Weibel mit THE ART OF LOVE anbietet. Britische Underdog-Komödie im Stil von FULL MONTY. Ein zarter Hauch von Sam Gabarskis Sexarbeiterinnen Tramödie IRINA PALM. Leicht schräg wie fast alle Spike Jonze Werke. Und mit der Abenteuerlust von SHIRLEY VALENTINE. Aber von der Originalität der angeführten Repräsentanten, kann der schweizer Filmemacher nichts in einer eigenen, und auch noch ansprechenden Form für sich nutzen. Eva arbeitet eigentlich bei den Verkehrsbetrieben, was die Autoren aber desinteressiert außen vor lassen. Sie ist 55, und ihre Ehe in erschöpfender Leidenschaftslosigkeit festgefahren. Man muss anerkennen wie erschreckend glaubwürdig Alexandra Gilbreath und Jeremy Swift diese Tristesse in Routine nahebringen. Kaum mit Worten, nur mit ganz kleinen Gesten oder Blicken. Und wenn sie reden, hört es sich normal an, aber es ist die Langeweile und Enttäuschen förmlich in der Stimme spürbar.
Philippe Weibel inszeniert diese Szenen sehr einfühlsam, und auch sehr präzise. Aber er setzt sie eher als Status Quo, anstatt entweder witzig oder wenigstens tragisch zu inszenieren. Die pendelnde Unentschlossenheit in der Dramaturgie, macht diese Szenen, und damit die Ehe einfach nur bitter. Mit einer Reise soll die alte Leidenschaft wieder Schwung in die Beziehung bringen. Ohne Bens Ahnung, verdient sich Eva nebenbei Geld, als Testerin für Sexspielzeug. Das Start-up heißt Art of Love, wo auch der 35-jährige Adam als Tester arbeitet. Er ist das Aushängeschild der Firma, extrem gut aussehend, und über aller Maßen von sich selbst überzeugt.
Es wird sicherlich niemanden überraschen: Als beste Rezensenten und Influencer, müssen die Schüchterne und der Macho für ein neues Produkt zusammenarbeiten. Das ist eine Prämisse die vielversprechend ist. Nicht die Welt bewegend, aber mindestens für einen launigen und gelungenen Kinoabend ist das durchaus ausreichend. Es reicht aber nicht, auch wenn Philippe Weibel, der mit seinem Kameramann Brian Goff die Story entwickelt hat, alle klassischen Versatzstücke bedient. Denn die Inszenierung bleibt in ihrem unsteten Wechsel von Komödie und Drama hängen, und keine der beiden Seiten wird in ihren Möglichkeiten bedient.
Die Autoren-Debütantin Klara Kallis hat mit Weibel das Drehbuch verfasst. Doch es wäre nur ein Vorurteil, dass vielleicht deswegen die Frauenrolle positiver dargestellt ist. Aber Adam kommt in seiner Selbstüberschätzung tatsächlich auffallend einfältig daher. Keine Frage, Oliver Walker spielt Adam mit einer eindringlichen Glaubwürdigkeit. Eine Rolle die in vielen Richtungen ausbaubar wäre, wenn sich die Macher dazu entschlossen hätten. Walker hätte nicht nur mehr verdient, sondern bestimmt auch interessantere Ansätze für die Rolle bestens verkörpert. Denn es macht Spaß die beiden Darsteller in ihrer ehrlichen und ansprechenden Art zu beobachten.
Die Chemie stimmt, die Geschichte allerdings nicht. Es ist schade, weil deutlich zu sehen ist, wie leicht die Unzulänglichkeiten auszubügeln wären. Von technischer Seite aus, ist THE ART OF LOVE tadellos bis hervorragend. Die Kamera spielt wunderbar mit den Darstellern, und Brian Goff weiß mit seinem Werkzeug auch den Charakter einzelner Szenen großartig zu ergänzen. Besonders das Zusammenspiel und die emotionale Annäherung der Schauspieler ist sehr spielerisch und dadurch ansprechend umgesetzt. Alexandra Butuceanu und Luca Zuberbuehler haben den Bildern in der Montage einen schnörkellos fließenden Schliff gegeben.
Aber wenn es bei einem Film um Anzüglichkeiten und verschämte Sexualität geht, sollte der Regisseur das auch zeitgemäß umsetzen. Aber ART OF LOVE verliert sich ständig in Anspielungen, wagt es aber nie konkret zu werden. Adam versucht sich sexual zu verausgaben und Eva hat noch nie eines ihrer rezensierten Sexspielzeuge getestet. Und wenn die Ausstattung dann noch besagtes Spielzeug gestaltet, als wären es Prototypen aus den Fünfzigern, dann entfernt sich der Film weit von einer angedacht schlüpfrigen Art. Besonders der von beiden Figuren zu testende Gefühlsanzug hat die Anmutung eines improvisierten Schultheater-Kostüms.
So viele schöne Grundideen, sehr gute und überzeugende Darsteller, und technisch kurzweilig umgesetzt. THE ART OF LOVE ist einer dieser Filme, die man sieht, mitfühlt, am Ende amüsiert durchschnauft, und nach dem Verlassen des Saals nicht mehr genau weiß, was man gesehen hat. Das ist sehr schade, denn eigentlich hatte Philippe Weibel mit seinen beiden Co-Schreibern bereits alles an schlüpfrigen, dramatischen, und aberwitzigen Möglichkeiten vorgelegt. Biederer kann man einen Film über Sexspielzeug kaum schreiben und umsetzen.
Darsteller: Alexandra Gilbreath, Oliver Walker, Jeremy Swift, Jasmine Blackborow, Kenneth Collard u.a
Regie: Philippe Weibel
Drehbuch: Philippe Weibel, Klara Kallis
Kamera: Brian D. Goff
Bildschnitt: Alexandra Butuceanu, Luca Zuberbuehler
Musik: Dan Baboulene, Dean Valentine
Produktionsdesign: Katie South
Schweiz, Großbritannien / 2022
106 Minuten