SPY KIDS: ARMAGEDDON

Spy Kids Armageddon - Copyright NETFLIX– Netflix seit 22.09.2023

Acht Jahre vergingen, bis Robert Rodriguez 2011 den vierten Teil von SPY KIDS realisierte. Eine immense Zeit, nach der er sein Zielpublikum einfach nicht mehr abholen konnte. Aus Kindern waren Jugendliche geworden, die längst Rodriguez‘ FROM DUSK TILL DAWN entdeckt hatten, oder sich von PLANET TERROR fesseln ließen. Andere sind der Meinung, dass SPY KIDS 4 einfach nur ein schlechter Film ist. Vielleicht nicht so ausgereift wie die ersten drei, die seit 2001 im unfassbar zügigen Jahresabstand entstanden waren, aber unterhaltsam. Das Harvey Weinstein mit Nummer Vier eine vertragliche Verpflichtung einforderte, hat sicherlich auch ein  wenig auf gewisse Qualitäten eingewirkt. Nichtsdestotrotz sind die Filme Kinderfilme, Erwachsene erlaubt, aber ohne Kompromisse für Kinder konzipiert. DESPERADO hat schließlich auch keine Rücksicht auf ein minderjähriges Publikum genommen. Und das war gut so. Das sich Robert Rodriguez nach weiteren 12 Jahren noch einmal in die Welt der kindlichen Spione begibt, hängt wohl auch mit dem eigenen Nachwuchs zusammen.

SPY KIDS: ARMAGEDDON wird als Reboot gepriesen, was schon einmal die schlechteste der Nachrichten ist. Nicht einmal Gastauftritte oder Cameos gibt es von früheren Darsteller und /innen, was wenigstens altgediente Kinofans erfreut hätte. Also beschränkt sich der Film lediglich auf die gewöhnliche Wiederholungsformel. Die Tech-verwöhnten und Gaming-vernarrten Geschwister Tony und Patty Tango-Torrez sind die vorpubertären Kinder von zwei aktiven Super-Spionen. Das finden sie aber erst heraus, als sie mit ihrer Affinität für Computerspiele, die Welt vor einem Computervirus retten müssen.

Die einfach gestrickte Geschichte präsentiert sich kurzzeitig sogar überraschend innovativ. Der Spieleentwickler Rey ‚The King‘ Kingston hat von den Tango-Torrez Eltern das Spionage-Programm Armageddon gestohlen, dass alle Firewalls und Passwörter der Welt überwinden kann. The King hat den Code von Armageddon in sein neuestes Game Hyskor integriert, und am Tag der Veröffentlichung frisst sich der Computervirus als Spiel weltweit in alle elektronischen Geräte. Nur wer bestimmte Level erfolgreich zu Ende spielen kann, bekommt wieder Zugriff auf seine Computer gesteuerten Systeme.

Die Idee mit der heimtückischen Freischaltung führt immer wieder zu witzigen Zwischenschnitten. Verzweifelte Eltern können am Automaten kein Geld abheben, weil sie einen Krieger im Spiel  nicht besiegen können. Oder Autos können nicht gestartet werden, weil das nächste Level von Hyskor nicht erreicht wird. Für den elterlichen Teil des Publikums erschöpfen sich hier auch schon Gags und Schenkelklopfer. Mit Zachary Levi und Gina Rodriguez (kein Familienmitglied) bleibt etwas launige Unterhaltung erhalten. Ihre stakkatoartigen und sehr hitzigen Wortwechsel sind im Timing auf den Punkt.

Spy Kids Armageddon 2 - Copyright NETFLIX

Für Robert Rodriguez, mit Spitznamen ‚One-Man Film Crew‘, ist Familie als Institution das Maß aller Dinge. Das spiegelt sich thematisch in den Filmen wieder, und er hat nicht nur namentliche Verweise der eigenen Verwandtschaft eingebaut, sondern auch maßgeblich die Söhne Racer und Rebel eingebunden. Racer hatte seinerzeit schon im zarten Kindesalter die Idee zu Papas SHARKBOY AND LAVAGIRL, schrieb bei dessen RED 11 mit, und hat nun ARMAGEDDON zu verantworten. Da gibt es keine raffinierte Gratwanderung zwischen Alt und Jung, sondern gut verständlich für Kinder ausgelegt.

In diesem Sinne ist SPY KIDS: ARMAGEDDON ein flottes Vergnügen, dass mit sehr viel Tempo und ohne Umwege erzählt ist. Die Handlung wirft die Nachwuchsspione Patty und Tony von einer brenzligen Situation in die nächste. Leerlauf lässt Rodriguez gar nicht erst zu. In der ohnehin sehr geradlinigen Geschichte sind Erklärungen im Getümmel der turbulenten Action verpackt. Ein aufregendes Abenteuer, dass die Jüngeren auch alleine genießen können, ohne das Erziehungsberechtigte in Sorge verfallen müssten. Der Umkehrschluss ist das dürftige Vergnügen für Jugendliche und Erwachsene.

So oder so, ungewöhnlich ist für die ‚One-Man Film Crew‘ der Mangel an cineastischen Raffinessen. Sicherlich ist der Film schnell und sehr übersichtlich geschnitten. Kein Bild scheint zu viel, und der ungezügelten Action ist sehr gut zu folgen. Aber Rodriguez lässt seine grandiose Bildsprache vermissen, wo Einstellungen wesentlicher Teil der Erzählebene sind. Von seinen SIN CITYs fehlt jede Spur. Die Bilder sind flach, es fehlt einfach Tiefe in den monumental gedachten Settings. Die Ausleuchtung ist ebenso flächig, ohne gesetzte Akzente. Und ein unterstreichender Kontrast ist nicht vorhanden.

SPY KIDS: ARMAGEDDON hat es einem bereits bezahlten Abo für eine Streaming-Plattform zu verdanken, überhaupt gesehen und wahrgenommen zu werden. Im Kino wäre er ansonsten im Wust von unüberschaubar gut gemeinten, aber schlecht umgesetzten Kinderfilmen verloren gegangen. Connor Esterson und Everly Carganilla sind als Tony und Patty die neue Generation von Kinderspionen. Was sie an natürlicher Präsenz vermissen lassen, können die Filmeltern Gina Rodriguez und Zachary Levi einigermaßen auffangen. Aber wer sich für ARMAGEDDON um der alten Zeiten willen entscheidet, wird gewiss Alexa Vega und Daryl Sabara einige Tränen nachweinen. Vielleicht waren sie nicht unbedingt besser, aber da waren die SPY KIDS im Gesamten doch noch etwas Besonderes, richtig beeindruckendes Kino.

Spy Kids Armageddon 1 - Copyright NETFLIX

 

Darsteller: Connor Esterson, Everly Carganilla, Gina Rodriguez, Zachary Levi, Billy Magnussen, D.J. Cotrona, Joe Schilling, Solar Dena Bennett, Nicholas Ortiz u.a.
Regie – Kamera – Bildschnitt: Robert Rodriguez
Drehbuch: Robert Rodriguez, Racer ( Rodriguez) Max
Musik: John Debney, Rebel Rodriguez
Supervising Art Director: Chase Carter
USA / 2023
97 Minuten

Bildrechte: NETFLIX
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