– Bundesstart 16.03.2023
SHAZAM! FURY OF THE GODS ist kein guter Film. Er ist sehr witzig, turbulent und opulent in seinen effektreichen und effektvollen Action-Sequenzen. Aber er ist weit von dem entfernt, was den ersten Teil so frisch, originell, rundherum einfach anders macht. Da hat Henry Gayden noch alleine das Drehbuch verfasst, nach Darren Lemkes Idee. Dieses mal muss sich Gayden den Titel mit Chris Morgan teilen, der sich hauptsächlich beim FAST & FURIOUS Franchise exzessiv verausgabt hat. Und so einen Eindruck macht dann SHAZAM 2 auch, der eine ist den Part des Erwachsenwerdens zuständig, der andere für die überfrachtete Action. Überfrachtet deswegen, weil die meisten Set-Pieces Schauwerte auffahren, die unmissverständlich nur Größe und Spektakel im Fokus haben. Ihre Opulenz wirkt aber immer wieder zu weit hergeholt, und um der Effekte willen dem Anspruch unangemessen aufgeblasen.
Billy Batson plagt die Sorgen, nach seinem nahenden achtzehnten Geburtstag das Haus der geliebten Pflegeeltern verlassen zu müssen. Sein Alter Ego Shazam plagt die Sorge, dass seine Superhelden-Gruppe – die Shazamily – einfach nicht funktioniert, weil jeder mit dem Erwachsenwerden zu kämpfen hat. Und das Publikum plagt die Sorge, warum der stattliche Superheld den ganzen zweiten Teil über nach einem geeigneten Namen sucht, obwohl der eigentlich seit dem ersten Teil außer Frage steht. Ein wunderbarer, augenzwinkernder Seitenhieb ist die Erwägung für den Namen Captain Marvel. Leider ist nur Insider die Bedeutung dieses Namens in diesem Zusammenhang geläufig.
Die drei zornigen Töchter des Atlas holen sich den Zauberstab zurück, den Shazam (noch ohne Namen) einen Ausgabe vorher zerbrochen hat. Mit ihm wollen sie einfach nur die Welt unterjochen und die Menschheit foltern und quälen. Dazu brauchen sie die Energie eines Gottes oder Halbgottes, die ja der Superheld ohne Namen in sich trägt. Einhergeht damit ein weiterer Running-Gag der wirklich hervorragend umgesetzt ist. Denn eigentlich ist der von Djimon Hounsou gespielte Zauberer unwiederbringlich verstorben, aber für die Fortsetzung ohne jede Erklärung wieder am Leben. Das umgehen die Macher, indem die besten Freunde Billy und Freddy selbst Witze darüber reißen.
Ja, der Witz in FURY OF THE GODS hat das Herz am rechten Fleck. Reihenweise Kalauer, unterschwellige Spitzen, deftiger Slapstick und selbstreferenzieller Humor. Das ist hervorragend, nur nicht auf das allumfassende, demografische Zielpublikum zugeschnitten, sondern bleibt leider unter der 20-Jahre-Grenze. So wie der gesamte Film, dramaturgisch und inhaltlich, für ein Publikum von Jugendlichen bis junge Erwachsene konzipiert ist. Was man dieser Altersgruppe aber auch zugestehen muss, es gibt schließlich auch TOP GUN: MAVERICK für Leute wie den Schreiber dieser Zeilen. Nur das die Interessen des angesprochenen Publikums entweder halbherzig oder schlecht behandelt werden.
Viel zu nebensächlich abgetan ist Superheldin Mary, die mit der ihr aufgebürdeten Verantwortung hadert, weil sie eigentlich ihren persönlichen Weg für die Zukunft finden möchte. Noch letztes Jahr als die große Hoffnung unter den Jungstars gefeiert, hinterlässt Rachel Zegler einen merkwürdig uninteressanten Eindruck, der Freddys haltlose Schwärmerei nicht im Geringsten nachvollziehbar macht. Ist Jack Dylan Grazer als Freddy eigentlich die spannendste Figur in diesem Film, beschränkt ihn die Regie immer wieder auf den kauzigen Sidekick. Und mit einem unausgegoren eingesetzten Adam Brody als Super-Freddy, wird die gesamte Figur ihrer eigentlich tragischen Möglichkeiten nicht gerecht.
Man kann dank des genügsamen Unterhaltungswertes über so einige Schwachstellen hinwegsehen. Außer der Kompatibilität zwischen den Hauptdarstellern Asher Angel und Zachary Levi, die trotz des selben Charakters ganz andere Wesenszüge tragen. Jeder für sich ist wunderbar, aber als kohäsive Figur funktionieren sie seltsamerweise nicht mehr. Dafür hätte Drache Ladon eine signifikantere Rolle einnehmen können. Während die anderen menschbedrohenden Kreaturen dem 08/15-Design der Fantasy entsprechen, ist Ladon beeindruckend imposant. Als Wächter des Hesperidengartens hätte er wesentlich mehr vertragen, als nur das stupid brachiale Unwesen.
Das die Macher (noch nicht ganz von James Gunns Visionen beeinflusst) den erwachsenen Anteil erhöht haben, ist schade, weil das Herausstellungsmerkmal von SHAZAM eben die unbekümmerte und natürlich naive Art des Superhelden war, wo das Hauptaugenmerk eben einmal nicht auf der Rettung des Universums lag. Aber schon jetzt ist das Schicksal dieses Heldens unwiederbringlich in DCs zusammenfassenden Universum festgelegt, obwohl Zachary Levi bis jetzt noch nicht im DCEU-Neustart THE FLASH aufzutreten scheint. Wobei die vielen dahingehenden Spitzen und Querverweise clever und adäquat die ohnehin saloppe Stimmung aufwerten.
Das allerdings ein bis zum Ende für die eigentliche Handlung nicht relevanter Charakter entscheidend die letzten Minuten bestimmt, ist für die Handlungsdramaturgie eine sehr unglückliche Entscheidung. Noch fragwürdiger ist allerdings das grundsätzliche Narrativ, welches dem von Zack Snyders MAN OF STEEL gleichkommt. Die Superhelden sind als ‚Philly Fiascos‘ in der Öffentlichkeit verschrien, obwohl sie tatsächlich Leben retten. Sie erfahren paradoxerweise erst den Respekt und Jubel der Menschen, als diese von den tödlichen Bedrohungen beschützt werden, für die aber die Shazamily ganz klar verantwortlich ist.
SHAZAM! FURY OF THE GODS ist kein guter Film. Er ist opulent, turbulent und sehr witzig ausgestattet (Die Horrorpuppe Annabelle sitzt bei einem Kinderarzt kurz im Hintergrund). So viel Gutes mit originellen Ideen steckt darin, allerdings ergibt es im Ablauf ein unbefriedigendes Stückwerk. Es wäre möglich gewesen die Schwächen und Logiklöcher auszugleichen, worauf aber auch in der Nachproduktion offensichtlich kein Wert gelegt wurde. Das macht aus einem guten Film eine vertane Chance. Vom Grauen der deutschen Synchronisation muss man da gar nicht erst anfangen. Schämen sollten sie die deutschen Auftraggeber.
Darsteller: Zachary Levi, Asher Angel, Adam Brody, Jack Dylan Grazer, Ross Butler, Ian Chen, Rachel Zegler, Helen Mirren, Lucy Liu, Djimon Hounsou, Meagan Good, Grace Carolina Currey u.a.
Regie: David F. Sandberg
Drehbuch: Henry Gayden, Chris Morgan
nach Bill Parker und C.C. Beck
Kamera: Gyula Pados
Bildschnitt: Michel Aller
Musik: Christophe Beck
USA / 2023
130 Minuten