– Bundesstart 15.12.1966 – Release 10.10.1966 (US)
Hawaii kam 1966 in die Kinos, und Puristen setzen auf unverschämte Weise voraus, dass 1966 die Welt kinotechnisch doch noch in Ordnung gewesen sein muss. Was ein Irrtum wäre. Der Production-Code war im Niedergang, es wurde auf der Leinwand wieder heftig geknutscht, oder Religionen in Frage gestellt werden. Großes Kino wies den Fernseher in seine Schranken, was CLEOPATRA vielleicht in Frage stellte, durch VIRGINIA WOOLF aber widerrufen wurde. Und im Umbruch zum neuen Hollywood begannen für frische Gesichter neue und großartige Karrieren, wie Jane Fonda oder Warren Beatty. In den Städten gab es wesentlich weniger Kinos als heute, dafür mit bis zu 16 Meter breiten Leinwänden. Da kommt so ein Epos wie HAWAII, in diesem Format und diesen Farben, schon ganz nach den Bedürfnissen leidenschaftlicher Cineasten. Und mit HAWAII war die Welt kinotechnisch tatsächlich noch in Ordnung.
Max von Sydow spielt den fanatischen Pastor Abner Hale, den es zum missionieren von England nach Hawaii treibt. Aber wegen der dürftigen Kleidungsgepflogenheiten der jungen Insulanerinnen muss ein Missionar verheiratet sein, um so einen natürlichen Schutz vor den eigenen Trieben zu erhalten. Überstürzt, weil von seinem zehrenden Eifer gepackt, heiratet er die junge Jerusha Bromley. Jerusha ist 22 und wird von der 30-jährigen Julie Andrews dargestellt. Was bei dieser Dame zu dieser Zeit durchaus durchging. Und es war damit zu rechnen: Sie singt auch. Aber nur einmal, dann ist es gut und der Film geht seiner wundervollen, spannenden Wege. Die Schiffspassage gestaltet Regisseur George Roy Hill für heutige Verhältnisse sehr standardisiert, und dennoch überzeugen einige wohldosierte Lacher.
Die Überfahrt hätte auch Bette Midlers Einstand als Darstellerin werden sollen. Man sieht sie beim gutem Seegang im hinteren Teil der Menge kurz vor dem Erbrechen. Midlers Dialogszenen fanden aber nicht in den Film. Auf Maui angekommen versucht Abner herrisch seinen Glauben an die Insulaner zu bringen. Währenddessen lässt sich Jerusha mehr und mehr auf die Kultur und gesellschaftliche Ordnung der Hawaiianer ein. Das sehr stilvolle und kaum überzogene Drama verfolgt im Gewand eines Abenteuerfilms sehr geschickt das Erstarken der gegensätzlichen Interessen seiner beiden Hauptfiguren. Regisseur Hill ist aber gleichzeitig sehr darauf bedacht, Abner und Jerushas Bemühungen hervorzuheben, die durch die Heirat ausgesprochenen Verpflichtungen einzuhalten.
Vordergründig steht in der Erzählung die Entwicklung des Landstriches Lahaina an der Westküste Mauis, und die Auswirkungen des Missionierungseifers. Doch ausnahmsweise wird hier die Religion als solche allerdings nicht an den moralischen Pranger gestellt. Im parallelen Handlungsteil erzählt der Film das Ringen von Königin Malama, den Weg zum christlichen Glauben zu finden, aber die Traditionen des eigenen Volkes nicht aufgeben zu müssen. Die Laiendarstellerin Jocely LaGarda als schwergewichtige Königin ist eine Offenbarung für sich. Von den sieben folgenden Oscar-Nomminierungen ging eine an LaGarda als beste Nebendarstellerin. Die noch heute einzige Darstellerin, der diese Ehre mit nur einem einzigen Leinwandauftritt zuteil wurde.
Als überwältigender Traum entpuppen sich Russell Harlans monumentale Bilder in ihren überirdischen Farben. Die grandiosen Bild- und Farbkomposition, fast wie zu erwarten in 70 mm und natürlich Technicolor, werden sehr geschickt als erzählerisches Element genutzt, dass ebenbürtig zu Darstellern und Dialogen steht. Und um alle Bedenkenträger zu beruhigen: Hier gibt es keine dunkelhäutig geschminkten Statisten aus Süd-Hollywood zu sehen, sondern echte Polynesier. Zudem ist es sehr beruhigend, wie feinfühlig der spätere BUTCH CASSIDY & THE SUNDANCE KID-Regisseur George Roy Hill die Waage zwischen Fanatismus und wirklichem Christentum hält, und diese Unterschiede überzeugend zu inszenieren versteht.
Diesem dritten von sieben Kapiteln („From The Farm Of Bitterness“) aus James Micheners epischem Roman, ist nie die Aufmerksamkeit zuteil geworden, die ihm eigentlich zusteht. Wer Glück hat, bekommt den Film in seiner dreistündigen Originallaufzeit zu sehen. Vorsicht ist deswegen beim einschalten oder kaufen geboten, weil noch immer die dreißig Minuten kürzere Turner-Fassung um die Welt geistert. Eindringlich erzählt, spannend gehalten und ausgewogen in allen Punkten der Inszenierung, sollte Hawaii eigentlich eines der ganz großen Film-Epen sein. Ein Film der deswegen sehr angenehm auffällt, weil George Roy Hill in der Dramatik nie überzieht, aber auch nie geringschätzig mit dem Thema und seinen Figuren umgeht. Allerdings lässt sein Bekanntheitsgrad in Europa zu wünschen übrig. Im Heimatland war HAWAII unter den ersten zehn Filmen von 1966, wurde aber hierzulande ungerechtfertigter Weise weitgehend übersehen.
Darsteller: Max von Sydow, Julie Andrews, Richard Harris, Gene Hackman, Carroll O’Connor und Jocelyn LaGarde u.v.a.
Regie: George Roy Hill (mit Arthur Hiller)
Drehbuch: Dalton Trumbo, Daniel Taradash
nach dem Roman von James Michener
Kamera: Russell Harlan
Bildschnitt: Stuart Gilmore
Musik: Elmer Bernstein
Produktionsdesign: Cary Odell
Künstlerische Übersicht: James W. Sullivan
Ausstattung: Raymond Boltz Jr., Edward G. Boyle
Kostüme: Dorothy Jeakins
USA / 1966
circa 189 Minuten