MAGIC MIKE’S LAST DANCE
– Bundesstart 09.02.2023
Beim zweiten Teil MAGIC MIKE XXL war es verwunderlich, dass gerade so eine Geschichte ohne Regisseur Steven Soderbergh funktionierte. Bei MAGIC MIKE’S LAST DANCE ist es verwunderlich, dass Steven Soderbergh ausgerechnet bei so einer Geschichte wieder die Regie übernimmt. Die ersten Covid-Opfer ziehen jetzt in den Mainstream ein. Durch die Pandemie hat Mike Lang sein Geschäft mit selbstgefertigten Möbeln verloren. Anstatt wieder auf dem Bau zu arbeiten, der in Amerika kaum vom weltweiten Ereignis beeinträchtigt war und ordentliches Geld bringt, verdient er sich lieber als Barkeeper bei einem Catering-Service. Das muss so sein, weil er sonst nicht die reiche Maxandra Mendoza bei einer Party kennenlernen würde. Und die bietet ihm, offensichtlich aus einer gewissen sexuellen Frustration heraus, eine unverschämte Menge Geld, wenn er für sie tanzt.
Entweder zermürbendes Drama, oder anzügliche Komödie – irgendwo dazwischen war ein Film über männliche Stripper bis vor zehn Jahren wirklich nur schwer vorstellbar. Aber genau dieser Film hatte mit Steven Soderbergh, Matthew McConaughey, Channing Tatum und Alex Pettyfer vier Namen die in ein vermeintlich lächerlich scheinendes Konzept, eine gehaltvolle Note mit Anspruch brachten. Die ‚Kings of Tampa‘ sorgten für Begeisterung beim weiblichen Publikum und ernteten Respekt bei den Männer. Das Konzept ging auf, was aber bei einem zweiten Teil immer noch riskant war. Reid Carolin hat nun auch den dritten Teil verfasst, hätte aber gut daran getan, sein Glück nicht auf die Probe zu stellen.
Mike landet nach dem privaten Lap Dance nicht nur in Maxandras Bett, sondern wenig später in London. Von ihrem reichen Mann getrennt, hat die mexikanische Schönheit dessen traditionsreiches Theater übernommen. Aus dem altbackenen Spielplan, soll Mike eine einzigartige Show mit halbnackten, tanzenden Männern zaubern. Zur Überraschung des Publikums kommen sich Mike und Max sogar über den Sex hinaus näher. Um die zügellose Dramatik noch ins Unerträgliche zu steigern, will das Ordnungsamt aus Gründen eines Grundes den Spielbetrieb im Theater schließen. Mike möchte mit aller Kraft seine Vision einer Show auf die Bühne bringen. Und wenn er gegen jede Beteuerung selbst nochmals die Hüllen fallen lassen muss.
Der gelungene Spagat zwischen Testosteron strotzenden Bildern mit ekstatischer Dynamik und einer stimmigen Dramatik mit ehrlichen Figuren ist nicht existent. MAGIC MIKE’S LAST DANCE ist da angekommen, wo er nie etwas zu suchen hatte. Ein Produkt das sich nicht von den Sing-, Tanz-, und A cappella-Filmen unterscheidet, die in Reihe produziert, einem vornehmlich jugendlichen Publikum die Zeit vertreiben. Steven Soderbergh bringt nicht einen Funken von dem mit in diese Inszenierung, was seinen zuvor entstandenen NO SUDDEN MOVE so originell, witzig und gleichermaßen spannend machte. Eigentlich ein grundsätzliches Markenzeichen des Filmemachers.
Das was man Inhalt nennt, liegt hier zwischen schwach und schwachsinnig. Die Figuren sind nur halbherzig beschrieben, und insbesondere die Beziehung zwischen Max und Mike beruht lediglich auf sexueller Anziehung, auch wenn Soderbergh etwas anderes suggerieren möchte. Max‘ persönlicher Vertrauter und ihre Tochter sind Charaktere, die viel Potential zeigen, aber eigenartig fremd in ihrer Umgebung bleiben. An Ayub Khan Din und Jemelia George liegt es nicht, dass ihr hervorragend knochentrockenes Spiel sich nicht einfügt. Die Regie verliert sich viel lieber in der eigentlichen Kernkompetenz der Reihe. Die interpretiert der Erfinder selbst aber nicht konform zu den Vorgängern.
Sprunghaft wechseln die Szenen. Motivationen und charakterliche Auseinandersetzungen bleiben auf der Strecke. Was Mike wirklich für die Inszenierung einer Show qualifiziert, kann nur über Teil zwei erklärt werden, wird in dem hier gezeigten Umfang aber nicht schlüssig. Überhaupt bleiben die Beweggründe für Maxandras entschlossene Neuausrichtung des Theaters unklar. Die an den Haaren herbei gezogenen Probleme mit dem Ordnungsamt werden in haarsträubender Weise geklärt. Die Proben werden im Stakkato mit Auszügen diverser Stücke abgehandelt. Dramaturgische Hürden lässt das Drehbuch aus, die eigentlich bei solchen Inhalten gerne für einen Motivationsschub genutzt werden.
Die unverkennbare Klasse von Steven Soderbergh tritt lediglich in der ersten Begegnung von Mike und Max zutage. Im Dialog ihrer Bitte nach einem Tanz, den Mike eigentlich ablehnt, geht er dennoch ganz nebenher einmal den Weg durchs Zimmer, unbemerkt die Einrichtung prüfend, wo er sich wenige Minuten später mit ihr erotisch beseelt exakt die selbe Strecke entlang bewegen wird. Solche unscheinbaren Kleinigkeiten im Detail fehlen im weiteren Verlauf, die aus der Banalität des Stoffes ein besonderes Erlebnis formen könnten. Dafür liefern Peter Andrews und Mary Ann Bernard eine Leistungsschau erster Güte.
Kamera und Schnitt hat der passionierte Filmtechnik-Fetischist Soderbergh wieder unter seinen Aliases Andrews und Bernard alleine in Vollendung auf die Leinwand gezaubert. Das kommt natürlich bei den Strip- und Tanzsequenzen am intensivsten zur Geltung. Ohne eine übertriebene Schnittrate zu benötigen, gestaltet Soderbergh eine unglaublich elegante Dynamik mit bewegten Einstellungen. Es ist eine nahezu perfekt ausgeklügelte Kamera-Choreographie, die dem vornehmlich weiblichen Publikum bietet, weswegen es auch gekommen ist. Doch das ist bei weitem nicht genug. Schöne Männer reichen für einen ansehnlichen Abend nicht aus.
Es gibt eine Verpflichtung innerhalb eines Franchise. Und die wird hier geradezu skandalös mit den Füßen getreten. Joe Manganiello, Matt Bomer, Kevin Nash und Adam Rodriguz, Die restlichen vier ‚Kings of Tampa‘, sind lediglich auf dem Bildschirm bei einem Skype-Gespräch zu sehen. Und selbst da kappt Mike ohne Vorwarnung die Verbindung. Und wer am Ende auf die ‚Kings of Tampa‘ als Retter in der Not hofft, wird ganz bitter enttäuscht. Wie erwähnt fehlen ja komplett irgendwelche dramaturgischen Hindernisse im inszenieren der Show. Manganiello und Konsorten waren gerade jene unterschiedlichen Typen, die MAGIC MIKE so interessant machten.
Die ‚Kings of Tampa‘ waren Allerweltstypen, herzliche Charaktere, gut gebaut, mit gutem Rhythmusgefühl. Jetzt zeigt uns Steven Soderbergh gesichtslose Body-Builder, die mehr Akrobaten als Tänzer sind, vom erotisierenden Stripper weit entfernt. Nichts gegen die Darsteller. Was sie leisten ist beeindruckend, wunderbar anzusehen. Aber sie sind keine individuellen Figuren, sondern verkommen zu Schauwerten ohne lasterhafte Ausstrahlung. MAGIC MIKE’S LAST DANCE tanzt lediglich um Salma Hayek und Channing Tatum, bei denen es wirklich knistert, die sich auch darstellerisch profilieren dürfen. Doch über sexuelles Charisma geht ihre Beziehung nicht hinaus. Ihnen fehlt der letzte Funken, der beide zu einem Paar werden lässt, dass sich über den Abend des Kinobesuchs bei Zuschauerinnen und Zuschauer kultiviert. Das Original war unkompliziert, Teil 3 ist schrecklich auf Funktionalität konstruiert.
Darsteller: Channing Tatum, Salma Hayek Pinault, Ayub Khan Din, Jemelia George, Vicki Peppermint, Gavin Spokes, Alan Cox, Caitlin Gerard u.a.
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Reid Carolin
Kamera: Peter Andrews (Soderbergh)
Bildschnitt: Mary Ann Bernard (Soderbergh)
Music Supervisor: Season Kent
Produktionsdesign: Pat Campbell
USA / 2023
113 Minuten