GRAN TURISMO

Gran Turismo - Copyright SONY PICTURES ENTERTAINMENT– Bundesstart 10.08.2023

Fliegende Kameras die Rennwagen hinterher jagen. Zwischenschnitte von Lenkrad, heißem Getriebe, fixierten Augen. Die Kameras fliegen den Rennwagen entgegen. Reißschwenks über Zuschauertribünen. Nahaufnahmen von Fahrbahnmarkierungen, Motorraum, und Reifen auf Asphalt. Kameras im Sturzflug über die Rennstrecken von Silverstone, Red Bull Ring, Barcelona, Nürburgring, oder Le Mans. Das alles im Stakkatoschnitt, mit eingestreuten Zeitlupen der Boxencrew. Es ist wie in einem Film von Michael Bay, nur im richtigen Leben und ohne Transformers. Das einstige Wunderkind Neill Blomkamp hat an dieser Stellen alles richtig gemacht. Gleich zu Anfang gibt es eine Autoverfolgung, in dem Videospiel typische Tafeln aufblenden. ‚Cops ausgetrickst‘ bei einem riskanten Manöver, oder ‚Ziel erreicht‘ wenn die Polizei abgehängt wurde. Das wirkt zuerst unpassend, entwickelt sich aber zum intelligenten Kunstkniff.

Diese Geschichte ist wahr. Und was faktisch umsortiert wurde, ist in der handelsüblichen Dramaturgie schnell zu entlarven. Man kann Regie und dem kerzengeraden Buch von Jason Hall und Zach Baylin auch nicht vorwerfen, viel Wert auf Herausstellungsmerkmale zu legen. Jann Mardenborough ist leidenschaftlicher Gran Turismo Spieler, eine Video-Rennsimulation die mit extremer Detailversessenheit programmiert ist. Danny Moore ist beim Autogiganten Nissan im Marketing. Er hat die glorreiche Idee, Nissan könnte im Rennsport Fuß fassen, und die Fahrer aus der Gran Turismo Community rekrutieren.

Archie Madekwe überzeugt in der Rolle des Jann mit Natürlichkeit, aber nicht mit bemerkenswertem Spiel. Dafür ist seine Ähnlichkeit mit dem wirkliche Mardenborough verblüffend. Der hat übrigens auch die Stunt-Szenen für Madekwe gefahren. Orlando Bloom ist ein stets gut gelaunter Moore, der die Gefahren mit seinem PR-Stunt genau abzuschätzen weiß. Er ist einer der interessantesten Figuren in dieser Geschichte nach einer wahren Begebenheit. Verschmitzt und facettenreich ist Bloom am besten, wenn er glaubt das ihm die Kontrolle entgleiten könnte, wenn es nicht nach Plan geht.

David Harbour macht als abgehalfterter Ex-Fahrer und auserkorener Trainer genau so lange Spaß, wie er die jungen Piloten mit seinen demotivierenden Ansprachen immer wieder runter zieht. Später, wenn es um seine eigene Vergangenheit geht, wird Harbour etwas zu rührselig. Er wandelt sich zum Stereotyp des väterlichen Freundes, fängt aber einiges durch seine einnehmende Leinwandpräsenz auf. Der Film verzichtet darauf weitere Charaktere tiefer zu betrachten. Selbst die ernsten, mitunter brenzligen Konflikte mit dem gegnerischen Capa Team reduzieren sich auf flüchtige Spannungsmomente.

Gran Turismo 1 - Copyright CTMG

 

Mit Vater Steve, dem vollkommen unterforderten Djimon Hounsou, werden familiäre Auseinandersetzungen dem Standard entsprechend abgehandelt. Man muss ehrlich sein, sie dienen lediglich dazu, am Ende dem Hauptdarsteller zu zugestehen, wie Recht er hatte entgegen jeder Vernunft zu handeln. Diese simple Dramaturgie durchzieht eigentlich den ganzen Film. Genauso simpel gesagt, der Handlungsverlauf ist schnörkellos wohlgefällig. Was letztendlich aber absolut irrelevant wird. Dieser Film über den Rennsport zeigt Rennen, und das mit maximaler Drehzahl und Ausschüttung an Adrenalin.

Optisch ist GRAN TURISMO nicht zu bremsen (Kalauer beabsichtigt). Die anfangs erwähnten grafischen Einblendungen ergeben bei den Rennen eine ganz besondere erzählerische Form. Immer wieder gefriert das Bild für einen Bruchteil einer Sekunde ein, und die Grafik informiert über der Strecke die aktuelle Position von Janns Wagen, oder seinem Rang nach dem Zieleinlauf. Das hält die Sequenzen sehr dynamisch, und lästige weil erklärende Dialoge entfallen. Das Sound Design ist grandios. Selbst im infernalischen Geheul hört man noch Schaltvorgänge, Schnaufer des Fahrers, sogar den Kolbenhub.

Blomkamp fokussiert alle filmischen Komponenten allein auf die archaische Energie des reißerischen Spektakels. Sehr clever nutzt er auch ein CGI Gimmick, wenn sich zuhause vor der heimischen Konsole um Jann die Karosse eines Tourenwagen bildet. Später bei einem Rennen wird der Effekt umgekehrt, wenn er sich auf seine erspielten Gamer-Tricks besinnen muss. Vielleicht hätte man von Neill Blomkamp lieber wieder einen DISTRICT 9 gesehen. Aber wenigstens bestätigt er bei GRAN TURISMO seine visuelle Kraft und inszenatorische Energie. Blomkamp hat sicher nicht den besten Film über den Sport selbst gemacht, aber seine Rennsequenzen gehören unbestreitbar zu den Besten.

Gran Turismo 2 - Copyright CTMG

 

Darsteller: Archie Madekwe, David Harbour, Orlando Bloom, Djimon Hounsou, Geri Halliwell Horner, Darren Barnet, Josha Stradowski u.a.
Regie: Neill Blomkamp
Drehbuch: Jason Hall, Zach Baylin
Kamera: Jaques Jouffret
Bildschnitt: Austyn Daines, Colby Parker Jr.
Musik: Lorne Balfe, Andrew Kawczynski
Produktionsdesign: Martin Whist
Japan, USA / 2023
135 Minuten

Bildrechte: CTMG / Sony Pictures Entertainment
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