FIRE OF LOVE

Oscar nominiert als beste Langfilm Dokumentation

Fire of Love - Courtesy of Sundance Institute– Bundesstart 27.Oktober 2022
– aktuell bei DISNEY+

Oscar 23Es ist eine Schande diesen Film auf dem heimischen Bildschirm zu sehen. So wie es sich dieser Rezensent hier angetan hat. Aber eine über 90 minütige Dokumentation über ein über die selbe Berufung unzertrennlich gewordenes Paar? Wer käme darauf? Oder eine über 90 minütige Dokumentation über Vulkane? Hand aufs Herz. Ehrlich? Zusammen genommen ergibt das aber ein explosive Mischung. Explosiv gleich einiger extrem beeindruckender Aufnahmen in Sara Dosas ebenso beeindruckender Dokumentation FIRE OF LOVE. Die Auflösung des Films wird bereits zu Anfang vorweg genommen, dennoch ist es ratsam sowenig wie möglich auf den Inhalt einzugehen. Zu viel verraten, würde unnötigerweise viel vom skurrilen Witz und der gleichsam packenden Dramatik nehmen, die der Film von Anfang bis Ende hält.

Das Bildmaterial der Vulkanologen Katia und Maurice Krafft ist nicht nur umfangreich sondern einzigartig. Ihre 16mm Aufnahmen, die meist unter lebensgefährlichen Bedingungen entstanden, wurden auch wegweisend für den Katastrophenschutz in Vulkangebieten. Ihr innovativen Forschungen eröffneten wesentliche Einblicke auf das Innere unserer Welt. Katia und Maurice haben beide Geochemie, Physik und Geologie studiert. Ihr Liebe zu Vulkanen, entfachte das Feuer zwischen ihnen, als sie sich das erstmals 1966 trafen. Fortan bediente er die Filmkamera, und sie die Spiegelreflex. Über 300 Vulkane haben sie untersucht und über 170 Eruptionen gefilmt. Was Dokumentaristin Sara Dosa uns in Auszügen davon zeigt ist meist furchteinflößend, oft unfassbar, aber immer gewaltig. Dazwischen gibt es aus diversen Fernsehsendungen Interview-Segmente von Katia und Maurice.

Auch wenn ab und an auch bewegte Grafiken mit geologischen Erklärungen eingestreut sind, auch wenn immer wieder über die Wichtigkeit der Forschung gesprochen wird – FIRE OF LOVE ist kein wissenschaftlicher Film. Was Sara Dosa hier mit ihren Mitstreitern – Erin Casper, Jocelyne Chaput und Shane Boris bei Schnitt und Buch – entworfen hat, ist ein Hochruf auf die Leidenschaft. Sehr schnell weicht das Unverständnis der Sympathie für die zwei haltlosen Forscher. Die von ihnen festgehaltenen Phänomene von Rauch, Feuer und Lava entfachen eine erschreckende Faszination, die sich wie selbstverständlich mit Katia und Maurice emotional verbinden. Und mit ihnen verbinden sich Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie sind verrückt, und sie bleiben verrückt, aber nur aus der Perspektive des Außenstehenden.

Fire of Love 2 - Courtesy of Sundance Institute

 

Wenn Maurice in die Kamera erzählt, wie weit er in seiner Leidenschaft gehen würde, dann ist das für ihn nüchterne Erkenntnis. Für uns beginnt damit die philosophische Betrachtung über die beiden Vulkanologen. KAJILLIONAIRE Autorin und Regisseurin Miranda July spricht dazu den Text. Eine ruhige, einnehmende Stimme, die niemals emotional wird, aber mit ihrer klaren Präsenz immer nahe bei uns bleibt. Dosa sucht in ihrem Film auch nicht das Spektakel oder die überhöhte Dramatik. Das schaffen die Bilder allein, in denen sich aber die Protagonisten auch wieder mit unaufgeregter Selbstverständlichkeit bewegen. Wenn aber Katia nur wenige Meter vor einer 50 Meter hohen Eruption steht, dann hört bei Zuschauerinnen und Zuschauern die Selbstverständlichkeit auf, und zumindest in unserem Inneren entbrennt das ganz große Spektakel.

Nicholas Godin hat einen stimmigen, aber dennoch experimentelle Soundtrack geschrieben. Es ist eine psychedelisch anmutende Untermalung, die dem Geist der Sechziger bis Neunziger gerecht wird, und manchmal an Trent Reznor und Atticus Ross erinnert. Maurice hat mit seiner Kamera keine putzigen Heimkino-Aufnahmen gemacht. Als Naturfilmer ist er durchaus in der Reihe von James Algar, Jaques-Yves Cousteau, Bernhard Grzimek oder Alastair Fothergill. Nur viel verrückter. Es sind teilweise erschreckend plastische Bilder, und von atemberaubender Einmaligkeit sowieso. Bei anderen Filme wäre ein Ende wie in dieser Geschichte desillusionierend und bestürzend. Aber als Zuschauerin und Zuschauer konnten wir Katia und Maurice Krafft gut genug kennenlernen, um zu wissen, dass es sich um ein Happy End handelt.

Wer selten, oder noch nie, Dokumentationen schaut, sollte sich gut überlegen mit Sara Dosas Film anzufangen. Er hat einfach das Zeug einen für viele anderen Dokumentationen weit weniger empfänglich zu machen. Weil FIRE OF LOVE weit über den Rand von herkömmlichen Dokumentation hinausschaut.

Fire of Love - Copyright DISNEY-Courtesy of Sundance Institute

 

Mit: Miranda July / Tanja Geke (Erzählerin), Katia Krafft, Maurice Krafft
Regie: Sara Dosa
Drehbuch: Sara Dosa, Erin Casper, Jocelyne Chaput, Shane Boris
Kamera: Pablo Alvarez-Mesa, Jon Bjorgvinsson, Olivier Doat, Alain Gerente, Roland Haas
Bildschnitt: Erin Casper, Jocelyne Chaput
Musik: Nicholas Godin
Kanada, USA / 2022
98 Minuten

Bildrechte: DISNEY / Courtsey of Sundance Institute
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