Beitrag der Fantasy Filmfest Nights 20. April 2023
– Bundesstart 27.04.2023
Obwohl der Gewalt- und Härtegrad im Kino, oder im Film allgemein, immer ausgefallener und extremer wird, kann sich der TANZ DER TEUFEL mit seiner Außenseiterrolle immer noch behaupten. Die unter den jüngeren Zuschauenden nur noch als EVIL DEAD bekannten Filme waren schon immer ausgefallen und extrem, und der Gewalt und Härtegrad war auch hier schon immer am Rande des Erträglichen. Aber Sam Raimis legendärer Schocker hat eine ganz eigene atmosphärische Ausrichtung, die durch alle folgenden Inkarnationen bewahrt blieb. Genau damit wird jenes Attribut festigt und ausbaut, dass immer sehr leichtfertig vergeben wird, hier aber berechtigt ist – Kult. Was eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass Sam Raimi die Zügel nie wirklich aus der Hand gegeben hat, und mit seinem ehemaligen EVIL DEAD-Star Bruce Campbell im Produzenten-Duo jede Produktion mitbestimmt. So verwundert die handverlesene Wahl von Lee Cronin nicht.
Cronin beginnt diesen Film mit einer ikonischen Kameraeinstellung, die eingebrannt mit dem Ursprungsfilm in Verbindung steht. Die Auflösung dieses Effektes ist sogleich eine bemerkenswerte Brücke von damals zu heute. Aber keine Angst den Erbenszählerinnen und Puristen, die Trademark-Einstellung wird später an passender Stelle in ihrem vollständigen Umfang zum Einsatz kommen. Willkommen in der Welt von EVIL DEAD, wo Kleinigkeiten stilprägend sind. Aus den Wäldern von einst, in einen heruntergekommenen Wohnblock von heute, in dem die alleinerziehende Ellie mit ihren drei Kinder wohnt. Und gerade rechtzeitig steht Schwester Beth vor der Tür.
Nerds wissen Bescheid, Deadites sind parasitäre Dämonen, die sich von den Seelen der Lebenden ernähren. Und das ist eigentlich schon die Prämisse dieses Films, sowie aller anderen Filme, und auch Serien-Episoden von EVIL DEAD. Geradlinig und simpel, aber keinesfalls einfallslos oder dumm. Es geht um den blanken Terror, welchen der Handlungsverlauf auf Zuschauerinnen und Zuschauern ausübt. Ähnlich dem nackten Entsetzen, das die Protagonisten im Film überfällt. Und Lee Cronin beherrscht die Instrumente sehr präzise, mit denen er diesen grausamen Alptraum zu inszenieren versteht. In erster Linie ist dies Cronins perfektes Timing im Spannungsaufbau.
Zudem hat der Film kein Gramm Fett. Es gibt keine erkennbar überflüssigen Einstellungen. Was aber die Spannung vom ersten Moment an hält, ist Peter Albrechtsens enervierendes Sound-Design. Nach einem kurzen aber brutalen Intro, welches eigentlich das Ende der Geschichte markiert, springt der Film um einen Tag zurück. Nach einem heftigen Erdstoß, findet Danny, Ellies ältester Sohn, in einem aufgebrochenen Erdloch in der Tiefgarage des Wohnhauses ein merkwürdiges Buch und scheinbar dazugehörige Schallplatten. Wer jetzt an Geisterbeschwörung denkt, denkt richtig. Spannung und Schock steigern sich kontinuierlich, bis sich in den letzten 30 Minuten alles in einer absurden Gewaltorgie entlädt.
Und Albrechtsens Töne sind ein ständigen Begleiter, die einfach nicht loslassen. Cronin spielt auch sehr gerne mit der Erwartungshaltung. Es bauen sich Situationen auf, die raffinierte Jump-Scares erwarten lassen, aber nicht erfüllen. Dafür überzeugt Cronin mit Schreckmomenten, die unvorbereitet überraschen. Und alles geht einher mit wortwörtlich atemberaubenden Splatter-Szenen. Man hat in anderen Werken schon explizitere Unannehmlichkeiten erleben dürfen. Aber was auch diesen Film ausmacht, wie schon seine Vorgänger, ist seine durchweg düstere Atmosphäre. Vieles ist bizarr und verrückt, aber niemals auf einen schnellen Witz aus.
EVIL DEAD RISE funktioniert mehr als Farce. Lacher aus dem Publikum gibt es nur aus dessen Verlegenheit heraus, mit dem Geschehen überfordert zu sein. Oder, das ist ein sehr eingeschränktes Oder, wenn sich für Fans unvermittelt vertraute Versatzstücke auftun. Das betrifft nicht nur das Buch der Toten, welches Danny findet, sondern zum Beispiel auch ein Werkzeug, dass seine Tante finden wird. Es gibt aktuell zwei Trends im Horror-Genre. Da gibt es unglaublich unterhaltsame Filme die ihr Gewaltpotential mit viel abstrusen Humor auflockern. Und es gibt jene, die sich auf Teufel komm raus als Geschichte nach wahren Begebenheiten verkaufen wollen. Die sind meistens nicht wirklich gut.
Ganz im Sinne des als Remake missverstandenen Films von 2013, folgt Lee Cronin mit seiner Adaption überhaupt keinem Trend. Atmosphärisch und inhaltlich bleibt EVIL DEAD RISE ein ganz eigener Film. Der zutiefst erschreckt und verstört. Mit seinem vorangegangenen Spielfilm-Debüt THE HOLE IN THE GROUND, hat Cronin sich konsequent und unangepasst dem irischen Folk-Horror hingegeben. Wiegenlieder waren danach wirklich nicht mehr dieselben. Der Unterschied zu EVIL DEAD RISE ist gewaltig, aber es war wohl die Kompromisslosigkeit, die Sam Raimi und Co-Produzent Bruce Campbell von Lee Cronin überzeugten. Und Cronin wiederrum überzeugt nun das Publikum. Auf die eine oder andere Weise, ja nachdem wie stark die Nerven des Zuschauenden ausgebildet sind.
Darsteller: Alissa Sutherland, Lily Sullivan, Morgan Davies, Nell Fisher, Gabrielle Echols, Anna-Maree Thomas, Mirabai Pease u.a.
Regie & Drehbuch: Lee Cronin
Kamera: Dave Garbett
Bildschnitt: Bryan Shaw
Musik: Stephen McKeon
Produktionsdesign: Nick Bassett
Neuseeland, Irland, USA / 2023
97 Minuten