A MAN CALLED OTTO
– Bundesstart 02.02.2023
Erst vor wenigen Jahren hat Otto Anderson seine Frau verloren hat. Aus dem peniblen und strikten Menschen, ist ein penibler, strikter und verbitterter Mann geworden. Dereinst hatte er mit seinem Freund Reuben Ordnung in die geschlossene Siedlung gebracht. Heute nennen ihn die anderen Anwohner ‚der verbitterte Nachbar aus der Hölle‘. Das hört man im Film niemanden sagen, aber Regisseur Marc Forster hat es als werbewirksame Schlagzeile im Pressetext etabliert. Sieben Jahre vorher hatte der Schwede Hannes Holm den Roman ‚Ein Mann Namens Ove‘ von Fredrick Backman verfilmt, ein respektabler Erfolg weltweit und einer der erfolgreichsten Filme in Schweden. Eine amerikanische Neuverfilmung war vielleicht nicht notwendig, aber zu erwarten. Und mit Hauptdarsteller, sowie unter dem Playtone Label co-produzierenden Tom Hanks und unter der Regie des sehr vielschichtigen Marc Forster, musste der Stoff in die richtigen Hände gekommen sein.
Für Otto Anderson, der seinen ungewöhnlichen Vornamen vom Vater geerbt hat, erweist sich das Leben zu nehmen als konsequente Entscheidung, mit ordnungsgemäßem Abschluss. Der Strom ist abbestellt, alle Verträge gekündigt, der Strick bereit, als die schwangere Marisol in seinen Selbstmordversuch platzt und alles über den Haufen wirft. Weitere Versuche scheitern immer daran, dass Otto unordentliche Dinge erst richten muss. Und Marisol mit den zwei Kindern und ihrem unbeholfenen Gatten, wird dabei zu seiner schlimmsten Herausforderung. Irgendwelche Abänderungen im Inhalt oder Handlungsverlauf gegenüber dem Original bleiben dabei aus.
Selbstverständlich sind Kleinigkeiten anders dargestellt oder benannt, aber David Magee hat eine Drehbuch-Neufassung vorgelegt, die wirklich nichts eigenständiges beinhaltet. Das ist sofern erfreulich, weil die durchweg skandinavisch erzählte Geschichte des Originals weitgehend ihren wunderbar verschrobenen Charme behalten hat. Und Regisseur Marc Forster zeigt keinerlei Bemühungen, den Film massentauglicher, oder wenigstens amerikanischer zu machen. Selbst das Set-Design der geschlossenen Wohnsiedlung hat den trostlosen Charme steriler Gleichförmigkeit an schwedischen Regentagen.
Das optische Konzepte von Kameramann Matthias Koenigswieser ist klar gesetzt, in dem er die Gegenwart in triste Grau- und Blautönen hüllt, und in Rückblenden mit Ottos Frau Sonya die komplette Farbpalette fast überstrahlen lässt. Die Sonne bricht nur durch die Wolken, wenn Otto Sonyas Grab besucht. Während im Inneren der einst gemeinsamen Wohnung ein golden anmutender Glanz das Set bestimmt. Koenigswieser gibt damit wunderbar die Stimmungen vom verbitterten Nachbar aus der Hölle wieder, auch wenn diese Idee der Bildgestaltung eher zum kameratechnischen Standard gehört, anstatt originell zu sein.
Doch das Konzept der Bildgestaltung schafft in einigen Szenen auch einen intensiven Gegenpol. Da wollen die tristen Bilder dann einfach nicht zu der ungetrübten Laune der temperamentvollen Marisol passen. Oder die farbintensivsten Einstellungen unterstreichen die traurigsten Momente. Da die Geschichte aus Ottos Sicht erzählt wird, zeigt die Kamera mit diesen Widersprüchen, dass etwas in seiner Welt einfach nicht in Ordnung ist. Das ist meist melancholisch unterhaltsam, oft absurd komisch, aber es ist immer menschlich. Marc Forster ist ein exzellenter Schauspielregisseur, der selbst Übertreibungen noch natürlich inszenieren kann.
Es gibt einige Sequenzen, da strapaziert Marisol auch die Geduld der Zuschauenden. Aber die Mexikanerin Mariana Treviño verfügt über einen unwiderstehlichen Charme, der einiges wieder gut zu machen versteht, wo der Regisseur zu viel freie Hand lässt. Treviño und Tom Hanks sind ein herrliches Gespann, dass sich ihre konträren Launen und Lebensauffassungen nur so um die Ohren hauen. Da verliert dann der Regisseur immer wieder einmal den Fokus bei den Nebendarstellern, die fast selbstredend einen bunten Querschnitt von Ethnien und Geschlechtern bilden. Wirklich interessant ist aber keine der Figuren beschrieben.
Getragen wird nicht nur die Geschichte selbst, sondern auch die Charaktere von Tom Hanks. Es ist keine formidable Leistungsschau dieses unheimlich charismatischen Menschen, wie zuletzt in FINCH oder BEAUTIFUL DAY IN THE NEIGHBORHOOD. Dieser Tom Hanks scheint wirklich nichts falsch machen zu können. Und auch wenn Otto Anderson ein wirklich verbitterter Mensch ist, der dadurch auch unverschämt und unausstehlich wird, bleibt Hanks’ Freude an dieser Rolle spürbar. Viel zu selten sieht man ihn in einer Rolle die sich gegen sein Image stemmt, was ihn dann noch viel bösartiger erscheinen lässt.
EIN MANN NAMENS OTTO ist ein lustiges, bisweilen bitterböses Vergnügen. Es menschelt sehr, gerade wenn die Hauptfigur aus ihrer Komfortzone genommen wird, oder sein übertriebener Sinn für Ordnung gereizt wird. Das kennt man bereits aus der Verfilmung von Hannes Holm. Deswegen sollte man vielleicht eben nicht die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellen, warum es diese amerikanische Fassung nun gibt, die nicht schwedischer sein könnte. Vielleicht sollte man sich einfach daran erfreuen diese Figur wieder zu entdecken, weil Otto Anderson bisweilen schon Dinge tut und sagt, die wir selbst so gerne tun und sagen würden. Nur nicht so gezeichnet, verbittert und allein. Und damit beginnen wir ihn langsam zu begreifen, und möchten Otto schließlich einfach nur in die Arme nehmen. Er ist ja kein schlechter Mensch. Alleine hat er nur verlernt zu leben.
Darsteller: Tom Hanks, Mariana Treviño, Rachel Keller, Manuel Garcia-Rulfo, Cameron Britton u.a.
Regie: Marc Forster
Drehbuch: David Magee
nach dem Roman von Frederik Backman
nach dem Drehbuch von Hannes Holm
Kamera: Matthias Koenigswieser
Bildschnitt: Matt Chesse
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Barbara Ling
USA, Schweden / 2022
129 Minuten