Oscar Nominierung als beste Kurz-Dokumentation
THE ELEPHANT WHISPERERS
– seit 08.12.2023 bei NETFLIX
Der Mudumalai National Park ist der größte zusammen-hängende Lebensraum für indische Elefanten. Aus diesem Grund wurde dort das Theppakadu-Camp geschaffen, in dem sich seit 140 Jahren Pfleger um verwaiste oder verletzte Elefanten bemühen. Bomman verrichtet diese Arbeit von Kindesbeinen an, wie sein Vater und Großvater auch. Bellie kam nach dem tragischen Tod ihrer Tochter dazu. Zusammen kümmern sie sich um Raghu, ein Elefantenbaby das schwer verletzt und unterernährt vom Wildschutz bei Bomman zur Betreuung gebracht wurde. Trotz menschlicher Zuneigung, haben Elefantenbabys ohne Muttertier kaum eine Überlebenschance. An dieser Stelle soll es aber auch genug sein mit faktischen Erläuterungen. Denn das Filmdebüt von Fotografin Kartiki Gonsalves will keine Wissensabhandlung sein. Gonsalves will nicht erklären, sondern erfahren lassen. Und das bereitet ihr mit dem Gespür einer Fotojournalistin keine Schwierigkeiten.
Interviews von Bomman und Bellie sind die einzigen Kommentare in dieser über einen Zeitraum von fünf Jahren gedrehten Dokumentation. Mit Ausnahme von Schrifttafeln am Anfang und Ende. Dazwischen liegen 40 Minuten mit faszinierenden, manchmal meditativ anmutenden Aufnahmen. Obwohl Gonsalves eine Geschichte erzählt, vermeidet sie merklich jeden Ansatz von überhöhter Dramatik oder künstlichem Spannungsbogen. Es herrscht eine poetische Grundstimmung, die durch die fantastischen Aufnahmen gefestigt wird. Bei diesem Setting und diesen Protagonisten mag es zuerst wie eine Selbstverständlichkeit anmuten, dass die Kameras so herrliche Bilder einfangen konnten.
Doch der eigentliche künstlerische Kniff liegt in Kartiki Gonsalves’ szenischer Struktur, der man eine gewisse Willkür unterstellen darf. Aber genau diese Abkehr von normalen Erzählmustern macht den Charme des Filmes aus. Ob die einzelnen Szene innerhalb von fünf Jahren, oder an einem einzigen Tag eingefangen wurden, wird irrelevant. Es gibt einiges zu Lachen, was aber auch umgehend ins nachdenkliche umschlagen kann. Und es gibt Tränen, die genauso schnell relativiert werden. Die Atmosphäre ist geprägt vom ständigen Wechsel der Gefühle. Grundsätzlich ist es aber eine positive Stimmung, welche DIE ELEFANTENFLÜSTERER vermitteln, durch ihre Einheit mit, und gleichzeitigen Verantwortung gegenüber der Natur.
Bomman und Bellie sind keine Aktivisten, sie stellen nichts in Frage, und den mahnenden Zeigefinger erheben sie erst Recht nicht. Ihre Aufgabe ist moralisches Selbstverständnis. Kartiki Gonsalves hingegen macht sich zur Aktivistin. Es ist kein bescheidener Film, sondern bedient bewusst alle Emotionen. Grandiose Landschaften, authentische Protagonisten, und Elefanten. Das darf durchaus manipulativ sein, gerade wenn nicht gleich wieder die großen Katastrophen heraufbeschwört werden. Und außerdem geht es um Elefanten.
Mit: Bellie, Bomman, Raghu und Ammu u.a.
Regie: Kartiki Gonsalves
Drehbuch: Priscilla Gonsalves
Kamera: Kartiki Gonsalves, Anand Bansal, Krish Makhija, Karan Thapliyal
Bildschnitt: Sanchari Das Mollick, Douglas Blush
Musik: Sven Faulconer
Indien / 2022
41 Minuten