– Bundesstart 02.03.2023
Die hässliche Kontroverse mit Produzent Irwin Winkler, der Sylvester Stallone aller Rechte an dem Boxer-Drama beraubte, wird immer zwischen CREED und ROCKY stehen. Egal wie kitschig und pathetisch die Filme waren, es waren immer Stallones Ideen, seine Figuren, seine Geschichten. Und nichts davon wird ihm zugestanden, seit der italienische Hengst das erste Mal 1976 in den Ring stieg. Egal wie viel Kitsch und Pathos er hineinpackte, Stallone war immer ehrlich zu seinen Figuren und in seiner Absicht. Da Irwin Winkler ihn brauchte, weil die Legende ohne die Hauptfigur nicht überleben würde, konnte Stallone sein Vermächtnis unter der Voraussetzung einer Produzenten-Position mit auf CREED übertragen. Aber die Reihe war, und ist längst nicht mehr Sylvester Stallones filmhistorischer Wegweiser. Und trotz allem muss man anerkennend zugestehen, dass CREED seinen Kinderschuhen entwachsen ist.
Nach 18 Jahren treffen die Jugendfreunde Adonis und Damien wieder zusammen. Adonis hat seine aktive Karriere beendet, führt ein Boxstudio, und will hauptsächlich für seine Familie da sein. Damien saß 18 Jahre ein, wegen einer bewaffneten Auseinandersetzung an der auch Adonis beteiligt war, der sich aber der Verhaftung unerkannt entziehen konnte. Damien, Dame genannt, hat sich im Knast fit gehalten und fühlt sich bereit für eine Profi-Karriere als Boxer, bei der ihm Adonis, fortan Donnie, mit seinem Studio und seinen Beziehungen als Schwergewichtsweltmeister unterstützen könnte.
Was sofort in der Inszenierung von Michael B. Jordans Regie-Debüt auffällt, ist die sensible Schauspielführung. Die Figuren gehen nicht den einfachen Weg. Donnie und Dame sind keine Freunde die sich nach 18 Jahren freudestrahlend um den Hals fallen. Es ist eine verdammt lange Zeit, nach der sie sich erst neu aufeinander einstellen müssen. Jordan hat sich dabei sehr gut selbst inszeniert, dem nach FRUITVALE STATION (2013) ohnehin eine starke Karriere im Charakterfach prophezeit wurde. Allerdings legt Jordan vielmehr Gewichtung auf das nuancierte Spiel von Jonathan Majors, das zwischen Schmerz und Hoffnung brilliert.
Das Buch und mit ihm die Regie verweigert sich zuerst aller Plattitüden des stereotypen Schwarzen aus Compton. Mit Majors wird Dame zu einer fast tragischen Figur, der demütig dankbar seine Chance nutzt, aber auch die wütende Bürde des Gefängnislebens in sich trägt. Donnie strauchelt hingegen ein wenig im alltäglichen Familienleben mit seiner tauben Tochter Amara und der durch einen Hörsturz beeinträchtigten Frau Bianca (eine vollkommen unterforderte Tessa Thompson). Während Bianca eine Karriere als Musikproduzentin aufbaut, sieht sich Donnie als Box-Promoter nicht wirklich erfüllt.
Den klassischen Aufbau der drei, den jeweiligen Film definierenden Kämpfe hat CREED III endgültig verlassen. Aufgegeben wurde das Markenzeichen, Boxen auf die Faszination und Härte des Kampfes herunterzubrechen. Zeitlupen dienen dazu elementare Punkte dramaturgisch hervorzuheben. CREED setzt grundsätzlich auf die filmtechnische Ästhetik, welche die Kämpfe regelrecht seziert. Schläge, Treffer, Schwachstellen des Gegners und taktische Vorteile durch Schnitt, Bildausschnitt, Verlangsamung und Toneffekt demonstriert. Letztendlich sind beide Formen eine Frage der philosophischen Einstellung gegenüber der Serie.
Spannender ist, besonders für Nicht-Sportler, Michael B. Jordans Ausrichtung, die Kunst des Boxen auf ein neues Level zu heben und die Zuschauerin und den Zuschauer auf Augenhöhe mit dem Sportler zu bringen und an seiner Taktik teilhaben zu lassen. In einer beeindruckenden Sequenz, verwandelt sich während eines Kampfes die Arena und der Boxring. Das nimmt für den Moment den Kampf aus der Perspektive eines Sportspektakels. Die Bilder werden zur Manifestation des Befreiungsaktes von Donnie und Dames und den Vergehen aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Dieser Kunstgriff hätte sehr leicht ins Lächerliche abgleiten können.
Aber solche Kunstgriffe gelingen, weil sich Michael B. Jordan als hervorragender Schauspieler-Regisseur erweist. Da werden künstlerische Verfremdungen und Spielereien mit den Erzählformen ein greifbarer Bestandteil der Charakterzeichnung. Nur die Autoren Keenan Coogler und Zach Baylin können dem nicht angemessen gerecht werden. Coogler, verantwortlich für das Desaster SPACE JAM NEW LEGACY, und Baylin, immerhin Verfasser von KING RICHARD, versagen der Dramaturgie der Figuren an einem entscheidenden Punkt die aufgebaute Glaubwürdigkeit.
Beim Mid-Point, dem zentralen Punkt der Erzählung, bedienen sich die Autoren eines völlig unnötigen und destruktiven Stilmittels. Wegen offensichtlich fehlender Inspiration wird der Film schneller, aber unvermittelt in die ohnehin vorbestimmte Richtung getrieben. Was vieles von dem Vertrauen nimmt, das man als Zuschauerin und Zuschauer in die Figuren investiert hat. Eine eventuelle Absicht, das Publikum gefühlsmäßig ebenso vor den Kopf zu stoßen, wie es den Hauptprotagonisten untereinander im Film ergeht, ist schlichtweg misslungen. Die zweite Hälfte folgt den etablierten Formeln von Charakter-Studien im Unterhaltungskino.
Die Wendung des zuerst überraschend anspruchsvollen Dramas macht aber noch lange keinen schlechten Film, es nimmt ihm nur die Möglichkeit besonders zu bleiben. Aber dank der feinfühlig ausgewogenen Regie, hält der Film seine Grundspannung und darf gleichermaßen packender Sportfilm in Action-Verpackung und überzeugendes Schauspielkino sein. Es gibt einige Punkte die eine inspiriertere Umsetzung benötigt hätten, wie zum Beispiel den künstlichen Spannungsaufbau der Rückblenden, deren Auflösung längst bekannt ist. Aber als Gesamtpaket gewinnt der Champ, mit Ausnahmen einer Tiefschlag-Verwarnung, alle Runden.
CREED III ist ein über dem Standard photographiertes und Punkt genau geschnittenes Werk, dass sich trotz gewisser Querelen im Hintergrund, als Erwachsen präsentiert. An einer Wand in Donnies Boxstudio steht als Motto in großen Lettern, ‚erschaffe dein eigenes Vermächtnis‘ (create your own Legacy). Im Film ist es Motivation für den Nachwuchs im Ring, und für Nachwuchs-Regisseur Michael B. Jordan wird es in der Realität zur Bestätigung, dass er nicht nur die seit 1976 bestehende Reihe erfolgreich weitergeführt hat. Jordan hat mit diesem Teil den Creed-Filmen eine souveräne Identität gegeben. Mit dem Ehre gebietenden Respekt vor dem Original.
Darsteller: Michael B. Jordan, Jonathan Majors, Tessa Thompson, Wood Harris, Rhylicia Rashad u.a.
Regie: Michael B. Jordan
Drehbuch: Keenan Coogler, Zach Baylin
Kamera: Kramer Morgenthau
Bildschnitt: Jessica Baclesse, Tyler Nelson
Musik: Joseph Shirley
Produktionsdesign: Jahmin Assa
USA / 2023
116 Minuten