– Bundesstart 14.12.2023
– Release 03.03.2023 (US)
Wer die sehr eindringliche und furchteinflößende Darbietung von Kate Moyer sieht, der fühlt sich als gruselbereiter Horrorfan erst einmal richtig gut aufgehoben. Als ergebene Jüngerin von ‚Dem, der wandelt‘, kann die zwölfjährige Kanadierin wahrhaftig Gänsehaut erzeugen. Überhaupt ist das hauptsächlich aus minderjährigen Darstellern bestehende Ensemble grandios besetzt. Sogar das alte Urgestein Bruce Spence, sonst in den hinteren Reihend der Nebenrollen, darf hier als Kleinstadt-Priester einmal mit Feingefühl überzeugen. Es ist mittlerweile die zwölfte Produktion mit diesem Titel nach einer Kurzgeschichte von Stephen King, selbstverständlich der Kurzfilm mitgerechnet, der noch vor dem ersten, 1984 entstandenen Spielfilm gedreht wurde. Den Namen des berühmtesten Horror-Autoren der Welt findet man allerdings weder in den Filmtiteln, noch auf den englischsprachigen Werbematerialien. Nur der Plaion-Verleih in Deutschland muss auf unwürdige Weise und in schamloser Absicht Kings Namen in den Schmutz ziehen.
Stephen King ist ja leider im reiferen Alter lange nicht mehr sehr wählerisch, was Lobpreisungen von Verfilmungen nach seinen Vorlagen angeht. Bei der aktuellen Adaption von KINDER DES ZORNS, die bereits 2020 gedreht wurde, könnte der Vater von FRIEDHOF DER KUSCHELTIER, DIE VERURTEILTEN oder THE GREEN MILE ausnahmsweise sehr glücklich sein, keine Erwähnung zu erhalten. Nach vierzehn Jahren Regie-Abstinenz muss Kurt Wimmer den irrigen Drang verspürt haben, irgendetwas beweisen zu müssen. Die Kunst zu inszenieren oder schreiben war es jedenfalls nicht.
Es gibt Veränderungen zu Stephen Kings Vorlage, und auch den zahlreichen anderen Adaptionen. Die könnten, wie das Ende des Films zeigt, mit einer angedachten Fortsetzung zu tun haben, oder tatsächlich mit Wimmers Ego, etwas Eigenständiges zu schaffen. Ein anderer Filmtitel wäre dafür allerdings angebrachter gewesen. Wir sind in Rylstone, Nebraska, wo es für die Bauern lukrativer sein kann, ihren Mais unterzupflügen und dafür über ein staatliches Programm Geld zu erhalten, als mit dem seit Jahren miesen Ertrag bankrott zu gehen. Aber etwas im Mais gefällt das ganz und gar nicht.
Die Kinder von Rylstone stellen sich gegen die Pläne ihrer Väter, die Felder zu zerstören. Dafür sorgt ‚Der, der wandelt‘, eine Entität aus den Maisfelder, die nach und nach die Kinder zu seinem Gefolge macht. Mit schrecklichem Ausgang für all die Erwachsenen im Kaff. Kurt Wimmer hat das hier und da noch mit kurzen Nebensträngen aufgefüllt. Aber grundsätzlich ist da nicht mehr Fleisch in der Handlung. Das kann bei einer gut konstruierten und inspirierten Schauermär allerdings vollkommen ausreichend sein. Bei KINDER DES ZORNS ist es das nicht. Der Film ist weder das eine noch das andere.
Die Optik von Kameramann Andrew Rolands orientiert sich stark an dem visuellen Schema, das mit Marcus Nispels TEXAS CHAINSAW-Remake beliebt wurde. Starke Kontraste, entsättigtes Chroma, und ausgereizte Weitwinkel-Einstellungen. Das ist sicherlich atmosphärisch, es macht aber die Landschaft, und insbesondere die Maisfelder wenig einladend. Die Farbstimmung widerspricht der Wahrnehmung der Kinder in ihrem Verhältnis zu ‚Dem, der wandelt‘. Obwohl die Geschichte aus der Sicht der jungen Protagonisten erzählt wird, und die Erwachsenen als Antagonisten stilisiert werden.
Wimmer kann durchaus Atmosphäre erzeugen, sie findet nur keine Übereinstimmung mit dem, was der Film eigentlich vermitteln sollte. Und genau das betrifft die gesamte Konzeption des Films. Jede Spannung kommt ihm abhanden, weil der Macher keine klare Ausrichtung findet. Es gilt eindeutig Stil über Substanz. Deswegen packt Wimmer so viel in die Handlung wie möglich, ohne irgend etwas zu einem der angeschnittenen Themen wirklich etwas zu sagen. Vornehmlich sind das Religion und Umwelt. Und auch Amokläufe an Schulen. Leider, denn Wimmer hat nichts dazu zu sagen hat.
Vieles was in CHILDREN OF THE CORN geschieht, ergibt keinen Sinn, weil die Form fehlt. Der Horrorfaktor ist uninspiriert, die Spannungskurve bleibt flach. Grundsätzlich weiß der Film nicht, was er sein will – Monstershow oder Psychothriller. Und keine dieser Richtungen würde funktionieren. Die Massenpsychose für den dubiosen Kult erklärt sich nur durch die physische Anwesenheit eines Anführers, und genau hier wird der Film unrettbar lächerlich. Wimmer zeigt dem Publikum tatsächlich ‚Den, der wandelt‘ in Form eines unspektakulären CGI-Ungetüms, kindlich gestaltet aus Maisstauden.
Doch schon viel früher hat sich der Film ins Aus der innerhalb der eigenen Welt geltenden Glaubwürdigkeiten gekegelt, wenn die Kinder in der Gemeindeversammlung ernsthaft mitdiskutieren ob der Mais untergepflügt werden soll. Selbst in einer abstrakten Horrorwelt ist in einem Umfeld von Farmfamilien diese Situation grotesk unsinnig. In CHILDREN OF THE CORN sind es nicht die kleinen Dinge über die der Film stolpert, sondern die großen Unzulänglichkeiten an denen er einfach aufprallt. Das haben die Talente der tadellosen Darsteller einfach nicht verdient. Und das Mysterium um ‚Den, der hinter den Reihen wandelt‘ auch nicht. Und am wenigsten Stephen King selbst.
Darsteller: Kate Moyer, Elena Kampouris, Callan Mulvey, Bruce Spence, Erika Heynatz, Anna Samson u.a.
Regie & Drehbuch: Kurt Wimmer
Kamera: Andrew Rowlands
Bildschnitt: Merlin Eden, Banner Gwin, Tom Harrison-Read
Musik: Tim Count, Jacob Shea
Produktionsdesign: Pete Baxter
USA / 2020
93 Minuten