– Bundesstart 27.04.2023
Es ist mit Abstand die herausragendste Szene, als Marcus versucht Alex eine Frage über ihren Bruder Johnny zu stellen. Er möchte soviel Anstand haben und scheitert genau dabei an dem einen richtigen Wort. Wie nennt man jemanden mit Einschränkungen wie Johnny? Was darf man sagen, was geht überhaupt nicht? Es ist sicherlich nicht die witzigste Szene, aber die am besten gespielte, mit einem gewissen Grad von peinlicher Berührung. Weil jeder von uns schon in dieser Situation war, und man diesen absurden Moment sehr gut nachvollziehen kann. Woody Harrelson ist unschlagbar, als harter Kerl, der daran scheitert politisch korrekt zu sein.
Und genau hier ist das Problem, dass sich durch den gesamten Film von Bobby Farrellys erstem Spielfilm-Solo zieht. Die Angehörige eines Jungen mit besonderen Bedürfnissen würde einen sichtlich bemühten Menschen nicht auf diese Weise straucheln lassen.
Aber eigentlich ist alles falsch, was CHAMPIONS unternimmt, um ein positives Zeichen zu setzen. Ein Vergleich mit Javier Fessers Original von 2018 ist davon ausgenommen. Dabei hat Farrelly so viele gute Momente inszeniert, mit Woody Harrelson in jedem von ihnen. Ein Typ, der seine Zukunft eigentlich in einem Trainer-Team einer NBA-Basketball-Mannschaft sieht. Aber Marcus Marakovichs unsensibles und überhebliches Wesen lässt ihn in der Branche in Ungnade fallen. Nach einem daraus resultierenden Gelage fährt er betrunken ausgerechnet in einen Streifenwagen, was in 18 Monaten Gefängnis mündet. Oder 9 Monate Sozialdienst.
Schon die allererste Szene definiert hervorragend den egoistischen Charakter von Marcus, ist aber eine all zu offensichtliche Standardsituation einer Rom-Com. Marcus will nicht wahrhaben, dass Alex als selbstbewusste Frau den One-Night-Stand nach ihren eigenen Bedürfnissen gewählt hat. Das Wortgefecht lässt keinen Zweifel, dass wir diese Frau wiedersehen werden. Sie ist nämlich die Schwester des jungen Johnny, der wegen Down-Syndrom in einem Basketball-Team beeinträchtigter Menschen spielt. Und auf Anordnung muss der eigentlich zu höherem berufene Marcus diese Mannschaft im Rahmen seines Sozialdienstes trainieren.
Die Farrelly-Brüder Bobby und Peter haben ja bekanntlich seit jeher ein abseitiges Faible für geschmacklose Komödie mit diversen Beeinträchtigungen. Die kognitive Rückständigkeit in DUMM UND DÜMMER, siamesische Zwillinge in UNZERTRENNLICH, oder Adipositas in SCHWER VERLIEBT. Bobby Farrelly hat nun in seiner jüngsten Arbeit die derben Tabubrüche außen vor gelassen, und sich auch an die Voraussetzung für ein Remake gehalten, die beeinträchtigten Figuren von eben solchen Schauspielern darstellen zu lassen. Trotz scheinbar bester Absichten, hat CHAMPIONS das Herz einfach nicht am richtigen Fleck.
Die Geschichte ist viel zu sehr damit beschäftigt, Marcus Marakovich zu einem besseren Mann zu machen, anstatt sich darauf zu konzentrieren, wodurch er dies erreichen wird. Seine Schützlinge dienen dabei als Grundlage für allerlei skurrile Situationen, wie es bei lustig gemeinten Zusammentreffen von verschiedenen Lebensumständen so üblich ist. Aber innerhalb der Erzählung wird nur auf den individuellen Alltag der Spieler eingegangen, wenn es für Marcus oder Alex´ Geschichte erforderlich ist. Der absolut unterforderte Cheech Marin gibt einen kurzen bebilderten Abriss über die Sportler, was aber vollkommen unzureichend ist.
Die Biografie der aufmüpfig resoluten Cosentino wäre sehr spannend, Madison Tevlin ist in ihrer Rolle auch eine grandiose Szenen-Diebin. Oder wie sich das Leben und Umfeld von Darius verändert hat, dessen kognitive Fähigkeiten erst seit einem Unfall beeinträchtigt sind. Aber die Regie ist viel zu stark auf die Selbstfindung von Marcus fokussiert, und damit einhergehend, den standardisiert inszenierten Spannungsaufbau für die Qualifizierung bei den Paralympics. Das ist von Bobby Farrelly sehr temporeich ohne Leerlauf umgesetzt. Mit extrem viel Witz, und in seiner Struktur tadellos, wenngleich konventionell. Aber inhaltlich viel zu wenig.
Dabei ist doch Woody Harrelson immer wieder ein Vergnügen, der hier allerdings keine Anspielungen zu seinem Durchbruch WHITE MEN CAN’T JUMP raus lässt. Hatte Harrelson überhaupt schon einmal die Hauptrolle in so etwas, dass einer romantischen Komödie gleichkommt? Jedenfalls macht er sich ausgezeichnet. In feinsten Nuancen vollzieht er die Wandlung seines Charakters über die ganz Spanne des Film. Sehr verhalten und ohne dramatische Überhöhungen, und doch ist es am Ende ein anderer Marcus Makarovich. Der hat mit Kaitlin Olson als Alex einen grandiosen Gegenpart gefunden, bei denen die Chemie stimmt.
Auch das Ensemble der Sportler ist ausgezeichnet. Ihnen wird aber einfach nicht die Aufmerksam zuteil, wie es sein müsste, um dem Thema einigermaßen gerecht zu werden. Aus dem Film über Menschen mit Beeinträchtigung, ist ein Vehikel für Woody Harrelson geworden. Was grundsätzlich nicht schlecht wäre, in diesem Film aber unangenehm aufstößt. Wahrscheinlich haben die Farrelly-Brüder mit ihren respektlosen, politisch unkorrekten Verrücktheiten bei früheren Filmen mehr Aufmerksamkeit für die Sache erreicht.
Darsteller: Woody Harrelson, Kaitlin Olson, Matt Cooke, Ernie Hudson, Cheech Marin, Madison Tevlin, Kevin Iannucci u.a.
Regie: Bobby Farrelly
Drehbuch: Mark Rizzo
nach dem Film CAMPEONES geschrieben
von Javier Fesser, Davis Marqués
Kamera: C. Kim Miles
Bildschnitt: Julie Garcés
Musik: Michael Franti
Produktionsdesign: Jean-Andre Carriere
USA / 2023
124 Minuten