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Ty Warner ist als Geschäftsmann die Verkörperung des amerikanischen Traums. Mit Ideen und Durchsetzungsvermögen bringt er es zum Milliardär, obwohl im die Attribute für das kapitalistische Amerika fehlen. Ty ist abhängig vom Rückhalt anderer und von starker Unsicherheit geplagt. Doch der Mann ist motiviert, und gründet 1986 mit seiner großen Liebe Robbie eine Firma, um Plüschtiere zu produzieren und zu vertreiben. Bis 1993 werden sie sich fünf mal trennen und wieder zusammenfinden, während die Firma Ty Inc. unglaublich erfolgreich und blieb wird. Dann tritt Sheila in Tys Leben, die nächste große Liebe. Sheilas Kinder werden die Inspiration für eine unternehmerische Sensation – die Beanie Babies. Possierliche Tierpuppen, deren Geheimnis die weiche Füllung ist, was die Beanies sehr anschmiegsam und spielbar beweglich machen. Hier tritt die neunzehnjährige Maya in die Runde, auch eine große, aber etwas andere Liebe für Ty. Mit ihrem innovativen Gespür katapultiert die Studentin Ty Inc. mit den Beanie Babies über das Ziel des bisher bekannten Unternehmertums.
Das Drehbuch zu dieser vermeintliche Biografie hat Kristin Gore verfasst. Die Tochter eines bekannten Politikers, was aber für die weitere Rezension irrelevant ist. Bedeutender ist Damian Kulash, Kristin Gores Lebensabschnittsbegleiter, mit dem sie sich den Regie-Sessel teilt, und der an der Musik mitgeschrieben hat. BEANIE BUBBLE ist eine atemberaubende Geschichte über die passgenauen Komponenten Kommerz und Narzissmus. Witzig, satirisch, dramatisch, und mit atemberaubenden Tempo. Der Film ist aber auch ein starkes Zeugnis, wie Gleichberechtigung in der Realität funktioniert.
Während der von den Frauen mitinitiierte Erfolg ins scheinbar unermesslich zu wachsen beginnt, werden Robbie, Sheila und Maya von Ty immer weiter aus dem Geschäft gedrängt. Doch die Machtlosigkeit der schwachen Geschlechts ist nur oberflächlich, weil sie genau für diesen Fall bereits Vorsorge auf ganz eigene Weise treffen. Und Gore inszeniert das Schlag auf Schlag, mit unablässig bissigen Dialogen und ausgezeichneten Wortwechseln. Das kann nur mit angemessenen Darstellern funktionieren, und tut es auch, mit einem unglaublich gut aufgelegten und exzellent fokussierten Quartett.
Natürlich darf man sich nicht davon ablenken lassen, dass es sich bei dem ohne Bart um Zach Galifianakis handelt. Bewundernswert ist die schlichte Transformation allemal, aber seine idealistische Sorglosigkeit hat er sich bewahrt. Und das müsste dem Charakter des realen Ty Warner sehr nahe kommen, der schließlich mit locker gefüllten Stofftieren zum Milliardär wurde. Elizabeth Banks besticht mit Charisma, und überzeugt mit Energie als in die Enge getriebene Löwin. Mit abwägender Zurückhaltung verkörpert Sarah einen starken Gegenpart, in dem sie sich überlegener erweist als es vermuten lässt.
Weniger ansprechend ist die bisher unauffällige Geraldine Viswanatha. Auch wenn sie das Publikum mit Mayas getriebenen und stets positiven Enthusiasmus auf ihre Seite bringt, fehlt Visnawatha einiges an Nuancen. Im wirklichen Leben ist sie Lina Trivedi, die für die ausschlaggebenden Innovationen bei Ty Inc. verantwortlich war. Die erste kommerzielle Web Site 1996, die Gedichte für die individuellen Anhänger, oder das Beste in dieser Reihe, die künstlicher Verknappung zur Steigerung der Nachfrage. Neben dem hohen Unterhaltungsfaktor, gibt es für Unkundige also noch einige erstaunliche Fakten.
Zum Beispiel ist Fakt, dass die Beanie Babies als Spekulationsobjekte gehandelt wurden. Deren Finanzblase ist 1999 katastrophal implodiert, mit bis zu 95% Verlust für die Spekulanten. Warum denken sich die Filmemacher bei so einer Vorlage dann noch ein unhaltbares Gerüst von fiktiver Figurenzeichnung aus? Sicherlich ist es für viele Erzählungen interessanter, wenn ein paar Fakten gebeugt werden. Aus dramaturgischen und strukturellen Gründen ist es meist sogar unablässig. Aber für die BEANIE BUBBLE sind eigentlich alle Figuren neu interpretiert oder ihre Wertegänge frei erfunden.
Es ergibt wenig Sinn eine wahre Geschichte zu erzählen, bei der die Grundlage für den sich entwickelnden Witz und hintersinnigen Humor frei erfunden ist. Die wahre Historie der Beanie Babies wird damit absurd unterminiert. Es ist wirklich nicht zu übersehen, dass dieser Film eigentlich ein satirischer Blick auf Corporate America, das ungebrochene Patriarchat und die feminine Selbstbestimmung ist. Das ist unterhaltsam, manchmal bitterböse, und wenn übertrieben, dann immer noch mit gutem Wiedererkennungseffekt. Eigentlich macht BEANIE BUBBLE unheimlich Spaß. Doch er verliert komplett, weil der vorgeschobene Anlass der wahren Geschichte so widersinnig missbraucht wird. Da beweist sich HBOs Doku BEANIE MANIA als die klügere Wahl.
Darsteller: Zach Galifianakis, Elizabeth Banks, Sarah Snook, Geraldine Viswanathan, Tracey Bonner, Delaney Quinn, Madison Johnson u.a.
Regie: Kristin Gore, Damian Kulash
Drehbuch: Kristin Gore
inspiriert durch das Buch von Zac Bissonette
Kamera: Steven Maizler
Bildschnitt: Jane Rizzo
Musik: Nathan Barr, Damian Kulash
Produktionsdesign: Molly Hughes
USA / 2023
110 Minuten