THE UNFORGIVABLE

Unforgivable - Copyright NETFLIX– seit 10.12.2021 bei NETFLIX

Zwanzig Jahre sollte Ruth Slater eigentlich wegen Polizistenmord sitzen. Ihre vorzeitige Entlassung alarmiert die Zieheltern von Ruth‘ Schwester Kathy, die seinerzeit dabei war, als der Polizist erschossen wurde. Kathy hatte bisher ein gutes Leben, ohne wirkliche Erinnerung an die damaligen Ereignisse. Aber Ruth möchte unbedingt den Kontakt zu Kathy wieder herstellen, was die vermeintlichen Eltern zu verhindern suchen. Wenn ein Polizistenmörder wieder auf freien Fuß gesetzt wird, setzt sich immer eine gnadenlose Welle von Hass und Rachsucht in Bewegung, und so erfahren auch die beiden Söhne des Ermordeten von Ruth‘ Entlassung. Ruth ist zwar frei, wird aber ausschließlich mit ausgehärteten Fronten konfrontiert. Einschließlich ihres eigenen Starrsinns. Bei vielen Filmen die mit Variationen dieser nun wirklich bekannten Prämisse spielen, lässt sich ein Handlungsverlauf in gewisser Weise vorhersagen. THE UNFORGIVABLE macht da aber eine starke Ausnahme.

Die britische Miniserie von Sally Wainright dürfte trotz hervorragender Kritiken nur wenigen wirklich bekannt sein. Was nur soweit ärgerlich ist, weil es ein wahres Versäumnis darstellt. Für dieses Versäumnis werden die Zuschauer aber damit belohnt, dass sie unvoreingenommen THE UNFORGIVABLE genießen werden. Diese amerikanische Fassung hat den Originaltitel UNFORGIVEN abgelegt, um keine Verwirrung mit Clint Eastwoods prämierten Spät-Western zu generieren.

Ansonsten ist diese Adaption gerade einmal 15 Minuten kürzer, als der Dreiteiler. Und das kommt der Neuverfilmung sehr entgegen, wo jede Sequenz exakt die Länge zu haben scheint, damit die Geschichte flüssig, aber nie überstürzt erzählt werden kann. Und in dramaturgisch notwendiger Zeit, aber niemals langatmig. Hier gehen Drama und Psychothriller ineinander über, und stehen sich erzählerisch nicht im Weg. Das ist sehr spannend zu beobachten, weil SYSTEM SPRENGER-Regisseurin Nora Fingscheidt von Anfang an eine leicht düstere Atmosphäre schafft und aufrecht erhält, in der letztendlich alles geschehen kann.

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Vieles geschieht in UNFORGIVABLE auch, dass mit den Erwartungen der Zuschauer spielt. Manchmal werden Versatzstücke ins Gegenteil verkehrt, oder klare Motivationen mit scheinbaren Nebensächlichkeiten über den Haufen geworfen. Wie zum Beispiel die Absichten der Brüder, deren Vorhaben unausweichlich scheint. Auch wenn das Schicksal von Ruth Slater als handlungsführendes Element gesetzt ist, haben die drei Autoren Peter Graig, Hillary Seitz und Courtenay Miles den eigentlichen Kern der Geschichte auf einer fundamentalerer Ebene gefunden.

Sehr glaubwürdig und nachvollziehbar zeigt UNFORGIVABLE auf, wie unterschiedliche Schicksale regelrecht aufeinander prallen. Wenn die Entscheidung einer einzelnen Person auf viele andere Menschen einwirkt. Wo sich fremde Leben übergreifend und in Wechselwirkung beeinflussen. Was keiner beabsichtigt hat, eskaliert aus der unnachgiebigen Verbissenheit jedes einzelnen. Jeder glaubt sich im Recht, und die Spannung ergibt sich daraus, dass der Zuschauer auch für jede der unterschiedlichen Argumentationen Verständnis aufbringen wird.

Trotz bemerkenswerter Leistungen in dramatischen Rollen, tut sich Sandra Bullock noch immer sehr schwer, vom spritzigen All-American-Girl Abstand zu gewinnen. Mit ihrer Interpretation der Ruth Slater sollte das aber auch endgültig einmal geklärt sein. Wobei sich dieser Film wie ein Werk für Gewinner ausnimmt, bei dem kaum ein Darsteller verlieren kann. Die Figuren sind allesamt sehr klar und realistisch geschrieben. Es gibt keine überzeichneten Gutmenschen und kaum einen grundsätzlich bösartigen Charakter, es sind alles Menschen die dem wahren Leben entnommen sind.

In seiner optischen und tonalen Umsetzung ist THE UNFORGIVABLE ein durchschnittlicher Film, der mit keinerlei Besonderheiten überrascht, oder mit eigenem Stil überzeugt. Das muss er aber auch nicht. Es ist ein Film über normale, nachvollziehbare Menschen, die von einem Ensemble ausgezeichneter, ebenso glaubwürdiger Darsteller zum Leben erweckt werden. Was besonders bei Vincent D’Onofrio positiv auffällt, der endlich einmal wieder in einer größere Rolle mit einer realistischen und geerdeten Figur überzeugen darf.

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Darsteller: Sandra Bullock, Vincent D’Onofrio, Rob Morgan, Jon Bernthal, Will Pullen, Richard Thomas, Linda Edmond, Aisling Franciosi, Emma Nelson, Tom Guiry, Viola Davis u.a.
Regie: Nora Fingscheidt
Drehbuch: Peter Graig, Hillary Seitz, Courtenay Miles
nach der Mini-Serie ‚Unforgiven‘ von Sally Wainwright
Kamera: Guillermo Navarro
Bildschnitt: Stephan Bechinger, Joe Walker
Musik: David Fleming, Hans Zimmer
Produktionsdesign: Kim Jennings
Großbritannien – Deutschland – USA / 2021
113 Minuten

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