TEXAS CHAINSAW MASSACRE

Texas CSM - Copyright LEGENDARY Courtesy of NETFLIX– Netflix seit 18.02.2022

Es gibt zwei einschneidende Makel bei diesem Film. Der erste, dass er nicht in einem Kino voller blutdurstiger Splatter-Freaks gezeigt wird. Es fehlt das Publikum, dass bei jedem noch so bizarren Kill kollektiv grölt und applaudiert, oder im empathischen Schmerzempfinden zu jaulen beginnt. Solche Filme sind wie eine Jahrmarktsattraktion, der man sich zusammen aussetzt, danach in zufriedenem Gelächter den Nervenkitzel lobt, und dann zum nächsten Fahrgeschäft zieht. Das Gemeinschaftserlebnis Kino in seiner reinsten Form, ist wegen der Publikation auf Netflix kaum gegeben. Aber dann ist da noch der zweite Makel, denn dieser Film nennt sich TEXAS CHAINSAW MASSACRE.

Mit minimalen Unterscheidungen im Titel, versucht man immer und immer wieder am Ursprung anzuknüpfen. 1974 schrieb man CHAIN SAW in den Titeln und im Verleihkatalog noch getrennt, bei späteren Inkarnationen dann zusammen, in der jüngsten Ausgabe eben ohne Artikel. Was eigentlich auch egal sein dürfte, denn keiner dieser Nachfolger hatte auch nur im Ansatz verstanden, was Tobe Hooper 1974 auf die Leinwand gebracht hatte. So wurden nachfolgend Filme produziert, die absurderweise etwas kopierten, dass sich Menschen lediglich einbildeten im Original gesehen zu haben.

Schon Hooper hatte in seinem von ihm selbst gemachten zweiten Teil die atmosphärische Ausrichtung stark verlagert, und eine Parodie auf sein eigenes Werk gedreht. Aus gesundem Menschenverstand heraus verstehend, dass ein getroffener Nerv des Zeitgeistes nicht nach Belieben repliziert werden kann. Mit eher merkwürdigen Elementen hat Kameramann Davis Blue Garcia bei seiner zweiten Regiearbeit versucht soziopolitische Aktualität einzuweben. Das wirkt bemüht, geht aber auch in eine ganz andere Richtung, als die verstörende Atmosphäre des BLUTGERICHTs IN TEXAS seinerzeit (deutscher Verleihtitel seinerzeit).

Die Jungunternehmer Melody und Dante, zusammen mit Schwester Lila und Freundin Ruth, haben die Geisterstadt Harlow gekauft. Doch entgegen aller vertraglicher Zusicherungen, wohnt in einem der Häuser noch eine ältere Frau, mit ihrem degenerierten Sohn. Der plötzliche Rauswurf hat bei der Frau einen Herzanfall zur Folge, und auf dem Weg zum Krankenhaus verstirbt sie. Der sie begleitende Sohn verliert daraufhin etwas die Contenance, und macht sich auf den Weg zurück nach Harlow. Zum selben Zeitpunkt, als ein Reisebus voller Party feiernder Investoren in das Städtchen kommt.

Das Lila ihre Schwester begleitet, hat mit ihrer mentalen Labilität zu tun, ausgelöst durch ein Schulmassaker welches sie nur knapp überlebte. Die ohnehin dürftige Geschichte kann damit allerdings wenig anfangen, und Regisseur Garcia noch viel weniger. Die vergangenen Ereignisse finden immer wieder Erwähnung, haben aber keinerlei Einfluss auf die Handlung. Angesichts des sehr heiklen Themas ist das sogar sehr problematisch, weil die erschütternde Problematik von Amokläufen einfach nicht mit dem Splatter-Fun des Films zusammen finden können.

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In den ihm zum Vorteil gereichenden sehr kurzen 81 Minuten, kommt der Film seiner eigentlichen Intention sehr schnell entgegen. Es wird extrem blutig, und das auf wirklich sehr ausgeklügelt originelle Weise. Und wenn der degenerierte Sohnemann, wir alle kennen seinen Spitznamen, die eingemauerte Kettensäge aus der Wand befreit, geht das richtig unter die Haut. Und ein Bus voller feiernder Leute eröffnet dann ganz neue Dimensionen von Blutfontänen und Opferzahlen. Der Splatter-Nerd fällt in Ekstase, der Bezug zu Hoopers Original ist endgültig zur Unkenntlichkeit verwaschen.

Von den insgesamt acht Fortsetzungen, ist dies der erste Film, bei dem ein Charakter von 1974 einen Bogen zwischen den Filmen spannt. Selbstredend abgesehen von Leatherface selbst, dem Mann mit der Säge. Aber auch dafür ist das Szenario beliebig und ohne Relevanz. Die Rückkehr von Sally Hardestry ins Franchise ist erst einmal egal. Aber ausgerechnet sie muss für den lächerlichsten dramatischen Effekt im Horrorkino der letzten Jahre herhalten. Was hier ein Charakter leistet, nachdem er von einer Kettensäge durchstoßen und am Kettenblatt hochgehoben wurde, ist das dümmste, was man seinem Zuschauer zumuten kann.

Auch das hier die Gentrifizierung von der Großstadt ins ländliche Idyll getragen wird, oder der Einfluss der großen Anzahl von jungen Investoren, hat keinerlei Bedeutung, und noch viel weiter von Gesellschaftskritik entfernt. Es ist lediglich eine billige Möglichkeit soviel Opfer wie möglich nach Harlow zu bringen. Und die kollektive Empörung über eine verblichene, zerfranste Konföderiertenflagge ist gleich derart aufdringlich inszeniert, dass man auch dieses Element nicht ernst nehmen kann. Was immer wieder in Ordnung geht, ist die hohe Schlagzahl an sehr derben Blutszenen. Das will der einfach Horror-Freak sehen, und davon bekommt er reichlich.

Warum man dafür das Erbe von Tobe Hoopers richtungsweisenden Horror-Klassiker vergewaltigen muss, bleibt ungeklärt. Das seinerzeit kaum Blut geflossen ist, sich die gesamte Atmosphäre über die düstere Ästhetik aufbaute, das Szenario mit dieser unbarmherzigen Ausweglosigkeit bisher einzigartig war, hat den Einfluss von Hoopers Film auf das moderne Horrorkino bestimmt. Und das es wirklich kaum explizite Gewaltszenen gab, nimmt man dabei gar nicht richtig war. Und ambitionierte Filmemacher der nachfolgenden Generation ignorieren diesen Umstand immer wieder vehement.

Bei den meisten bedeutenden Filme, hat der Spiegel des aktuell gesellschaftlichen und politischen Wertesystems entscheidenden Einfluss auf Produktion, und letztendlich auf die Bedeutung und Wahrnehmung des Films in der Kultur. Wie auch die sieben Filme davor, gehört TEXAS CHAINSAW MASSACRE nicht zu diesen bedeutenden Werken. Auch nicht ansatzweise durch die Verwendung eines bekannten Killer-Charakters.

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Darsteller: Sarah Yarkin, Elsie Fisher, Jacob Latimore, Nell Hudson, Moe Dunford, Olwen Fouéré, Alice Krige, Mark Burnham u.a.
Regie: Davis Blue Garcia
Drehbuch: Chris Thomas Devlin
nach Charakteren von Tobe Hooper & Kim Henkel
Kamera: Ricardo Diaz
Bildschnitt: Christopher S. Capp
Musik: Colin Stetson
Produktionsdesign: Michael Perry
USA / 2022
81 Minuten

Bildrechte: NETFLIX
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