TERRIFIER 2

Terrifier 2 - Copyright TIBERIUS FILM– Bundesstart 08.12.2022

Nur Nasenpiercings und Computer Tablets verraten diesen Film als ein Kind der 2000er. Was Filmemacher Damien Leone mit seinem vierten Langfilm – ALL HALLOW’S EVE darf trotz Anthologie-Charakter dazu zählen – auf die Leinwand bringt ist außergewöhnlich und überwältigend. In den letzten Jahren scheiterten besonders Horrorfilme immer, wenn sie versucht haben die Form und Atmosphäre eines 80er-Slasher wiederzugeben. TERRIFIER 2 ist ein Film der in Kameraführung, Schnittrate, Bildqualität, Ausleuchtung, Soundtrack, Dramaturgie, Figurenzeichnungen, und sogar mit den immer wieder vorgreifenden Dialogen, das perfekte Abbild einer Mainstream-Produktion der Mittachtziger geworden ist. Mit dem winzigen Abstrich, dass sein Regisseur Damien Leone nicht gewusst hat, wann viel tatsächlich zu viel bedeutet.


Vorkenntnisse braucht man als Quereinsteiger nicht zwangsläufig, wobei es nach den Publikumsreaktionen zu urteilen, den Unterhaltungsfaktor noch einmal steigert. Einen sehr fragwürdigen Unterhaltungsfaktor. Die jugendliche Sienna fertigt eigenhändig ihr Walkürenkostüm für die Halloween Nacht, während ihr jüngerer Bruder gerne in der Verkleidung von ‚Art the Clown‘ in dieser Nacht Leute erschrecken möchte. Art the Clown hat ein Jahr vorher in der Stadt neun Menschen brutal ermordet, und das Trauma ist noch nicht überwunden.

Im Vorfeld schon mit außergewöhnlich vielen Special Screenings beworben, und natürlich mit der Mundpropaganda, die entsprechende Festivals auslösten, geht TERRIFIER 2 mit einem zwar anrüchigen, aber mit einem gut erhörten Ruf an den eigentlich Start. Was aber die meisten kommentierenden Stimmen dabei vergessen, ist die Brillanz zu erwähnen, mit denen TERIFFIER 2 zumindest atmosphärisch dem vierzig Jahre alten Inszenierungsstil des Exploitation-Kinos Tribut zollt.

Noch bevor wir die Hauptprotagonisten kennenlernen, wird in einem expliziten Gewalt-Prolog das Publikum mit Arts Verständnis für Spaß vertraut gemacht. Nach seinem vermeintlichen Selbstmord, wird der Killer-Clown von unbekannten Kräften wieder erweckt. Zuerst zerfleischt er den Leichenbeschauer und beginnt dann seine Jagd auf Sienna. Wie Art auf die starke Jugendliche kommt, wird nicht wirklich klar. Aber auch Sienna hat im Vorfeld verstörende, extrem blutige Visionen von dem stummen Killer.

Damien Leone geht allen Fragen aus dem Weg, welche mit der Unsterblichkeit eines Serienkillers einhergehen, der in Filmreihen von Teil zu Teil immer wieder aufersteht. Er bringt von Anfang an ein nicht näher beschriebenes Element des Übernatürlichen mit ein. Ein kluger Schachzug der auch aus der Sicht von Sienna und ihrem Umfeld erweiterte Handlungselemente ermöglicht. Und es gestaltet auch die finale Auseinandersetzung plausibler, zumindest innerhalb der Welt des Films.

Terrifier 2 a - Copyright TIBERIUS FILM

 

Respekt hat Leone nicht nur verdient, das Konzept der klassischen Slashers und deren Machart aus jener Zeit beeindruckend zu kopieren. Es gelingt ihm dabei noch die typischen Schwachpunkte an Charakterzeichnung und Schauspielführung weitgehend auszumerzen. In erster Linie trifft das auf Laura LaVera und ihre Sienna zu, die das Publikum facettenreicher an sich bindet als nur mit panischer Angst oder zorniger Gegenwehr. Allgemein sind die Interaktionen zwischen den Darstellern durch eine ehrlich scheinende Vertrautheit viel dynamischer.

Die Figuren haben alle einen Hintergrund und müssen nicht einfach als Kanonenfutter dahingehen. Es sind Charaktere mit denen man tatsächlich fühlt und zu denen jemand eine Verbindung aufbauen kann. Und Hoffnung baut sich auf, der eine oder die andere würden mit originellen Kniffen dem Unausweichlichen entkommen. Naja, man darf ja noch träumen. Es liegt viel Ironie in den Worten, dass man gesehen haben muss, wie weit Damien Leone die Grenzen des visuell ertragbaren hinter sich lässt.

TERRIFIER 2 ist im Unterhaltungssektor des Mainstream-Kinos das brutalste, was Zuschauerinnen und Zuschauern bisher zugemutet wurde. Art the Clown tötet nicht aus Notwehr, und er tötet keine Untoten oder Monster. Er ist auch nicht das seelenlos Ungetüm, sondern er kommentiert die grausamen Morde mit seinem erschreckend zynischen Pantomimenspiel. Den sadistischen Auswüchsen sind dabei keine Grenzen gesetzt, wenn er seine Opfer wahllos aussucht.

Damien Leone hält drauf. Wenn Schädel zertrümmert oder Körperteile abgetrennt werden, wortwörtlich Salz in Wunden gerieben oder lebendig gehäutet wird. Wo andere Filme ihren verstörenden Schock mit einem erlösenden Schnitt in der nächste Szene nachwirken lassen, bleibt die Kamera bei TERRIFIER 2 gnadenlos auf den Opfern. Warum man sich dennoch schwer der irren Faszination für diese unbeschreibliche Gewalt nicht entziehen kann, wird ein Rätsel bleiben. Aber es ist so, man kann sich dem trotz aller erdenklicher Grausamkeiten schwer entziehen.

Terrifier 2 b - Copyright TIBERIUS FILM

 

Darsteller: Lauren LaVera, David Howard Thornton, Kailey Hyman, Chasey Hartnett, Jenna Kanell, Catherine Corcoran, Elliott Fullam, Sarah Voigt u.a.
Regie & Drehbuch, Bildschnitt & Special Effects: Damien Leone
Kamera: George Steuber
Musik: Paul Wiley
USA / 2022
148 Minuten

Bildrechte: TIBERIUS FILM
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