SMILE
– Bundesstart 29.09.2022
Warum ist es immer so, dass sich von unerklärlichen Dingen bedrohte Menschen nie richtig äußern können? Warum holen sie nicht erst einmal tief Luft, und beginnen ganz langsam von vorne? Stets wissen diese betroffenen Menschen, dass ihre Erlebnisse nicht natürlich sind, dass sie für den normalen Menschenverstand nicht akzeptabel sind. Und dennoch platzt es aus ihnen heraus von Monstern oder Geistern verfolgt, oder besessen zu sein. Dies sind immer die Momente im Film, in dem die Figur auf sich allein gestellt werden muss. So wie bei Rose Cotter, die als Notfall-Therapeutin in einer psychiatrischen Klinik tagtäglich mit mehreren mental unausgeglichenen Menschen zu tun hat. Rose Cotter müsste wissen, dass sie Probleme hat, seit sie im Kindsalter den Selbstmord ihrer Mutter ansehen musste.
Parker Finn ist Filmemacher, der zuvor erst zwei Kurzfilme gedreht hat. Einer davon war LAURA HASN’T SLEPT, dem schließlich das Buch zu SMILE zu Grunde liegt. Man muss anerkennen, dass Finn sehr genau weiß was er tut, und er tut es nicht schlecht. Er inszeniert sehr geschickt entlang der Linie wo stets alles jederzeit passieren kann. SMILE ist ein Fest an Jump-Scares, die ausnahmsweise nicht willkürlich gesetzt sind. Sehr clever nutzt Finn die Schockmomente um Rose Cotters Psycho zu verdeutlichen.
Als sich eine Notfall-Patientin vor ihren Augen umbringt, wirft das Rose aus der Bahn. Nicht nur die Erinnerungen an ihre Mutter werden schmerzlich präsent. Sie ist sich auch sicher, dass dieser Selbstmord nicht mit Paranoia einherging, sondern von einer Entität gesteuert wurde. Mit Hilfe des untersuchenden Detectives, und zufälligerweise Ex-Freund Joel, findet sie eine Reihe von ähnlichen Selbstmorden, die allesamt miteinander verbunden zu sein scheinen.
Was SMILE aus dem Horror-Einerlei heraus hebt, ist der Anfangs geglückte Inszenierungsstil die Zuschauenden direkt in die Situation von Rose zu versetzen. Die erschreckenden und verstörenden Episoden mit Geistererscheinungen und imaginären Ereignisse werden von der Protagonistin und dem Publikum auf gleicher Ebene wahrgenommen. Erst in der zweiten Halbzeit verliert sich etwas die konsequente Umsetzung im Konzept, weil Parker Finn dann glaubt unbedingt in den vollen Modus von Genre-Konventionen schalten zu müssen.
Markant ist natürlich das raffinierte Bildkonzept, und wie es mit Kameramann Charlie Sarroff suggestiv umgesetzt ist. Sarroff ist äußerst gefragter Kurzfilm-Bildgestalter, und war bei seinem ersten Langfilm RELIC mit dafür verantwortlich, dass dieser zum Festivalliebling wurde. Auch in SMILE sind die Bilder sehr präzise kalkuliert. Die Protagonisten sind in fast allen Szenen frontal zu sehen und die Einstellungen immer symmetrisch gehalten. Auch Umschnitte werden vermieden, die Kamera schwenkt lieber horizontal zwischen den Personen.
Es ist ein ungewöhnliches Konzept, welches genau deswegen auch als leicht verwirrend wahrgenommen wird. Dem entgegen, stellen sich bei landschaftlichen Establishing Shots die Bilder kopfüber, die beabsichtigte Wirkung ist vorhersehbar, aber effektiv. Auch die eher karge Ausstattung in den diversen Räumlichkeiten nimmt man nur unterbewusst wahr, konzentriert es doch die Atmosphäre stärkerer auf die Figuren. Parker Finn hat nicht nur seinen Film, sondern auch seine Zuschauenden im Griff. Würgegriff, sozusagen.
Nur sollte Rose Cotters standesgemäß wissen, wie man sich anderen gegenüber verhält, um nicht für psychotisch gehalten zu werden. Es wäre ein interessanter und wirklich origineller Ansatz gewesen, das Thema der bösartigen Entität neu und endlich einmal anders zu erzählen. Warum Parker Finn auf diese Möglichkeit verzichtet, wird ein Rätsel bleiben. Es ist auf alle Fälle das Schlüsselelement, welches SMILE langsam in den Bereich der Beliebigkeit abdriften lässt.
So spannend, nervenaufreibend und überraschend SMILE auch sein begieriges Publikum empfängt, so schnell wird der Film in einigen Teilen dann auch austauschbar. Für Genre-Freunde zweifellos ein Spaß, der allerdings nicht viel Neues bringt. Aber zumindest nutzt er seine Schockmomente nicht wie gewohnt für die Befreiung der seelischen Anspannung des Publikums, sondern versetzt es geschickt in eine permanente Bedrohungslage. Und das funktioniert hervorragend.
Darsteller: Sosie Bacon, Kyle Gallner, Caitlin Stasey, Jessie T. Usher al Penn, Judy Reyes, Rob Morgan u.a.
Regie & Drehbuch: Parker Finn
Kamera: Charlie Sarroff
Bildschnitt: Elliot Greenberg
Musik: Christobal Tapia de Veer
Produktionsdesign: Lester Cohen
USA / 2022
115 Minuten