– Bundesstart 24.11.2022
Das Erste was nach diesem Film passierte, war der Blick ins Presseheft. Dort wird vollmundig verkündet, dass SHATTERED tatsächlich in Montana, USA, gedreht wurde. Das lässt wiederum darauf schließen, dass die Handlung des Films ebenfalls in den Vereinigten Staaten angesiedelt sein soll. Folgerichtig stellt sich die Frage, was den Regisseur dazu bewegt hat, seine beiden Hauptprotagonisten am späten Abend mit alkoholischen Getränken durch die Straßen schlendern zu lassen. Das sind Fragen, mit denen man sich als Besucher nicht auseinandersetzen müsste, wären sie nicht so haarsträubend. Genauso schlampig inszeniert wie die Flucht des Opfers, das einfach aus der Vordertür rennt, obwohl der Kern dieser Sequenz eben ist, dass das komplette Haus elektronisch verriegelt ist. Da ist die Nummer mit dem Zoom an einem Teleskop geradezu Kinderkram. Denn SHATTERED ist eigentlich in allen künstlerischen Aspekten schlecht. Warum Leonine Distribution es wagt, einen Film noch in die Kinos zu bringen, der aus gutem Grund in anderen Länder schon längst per Stream oder DVD erhältlich ist, wird ein Rätsel bleiben.
Chris Decker ist ein Mittzwanziger, der sich nach dem Verkauf seines IT basierenden Sicherheitssystems zur frühzeitigen Ruhe gesetzt hat. Er residiert in einer komplett elektronisch gesteuerten und überwachten Residenz auf den Hügeln über der Stadt. Chris ist einsam, weil seine Frau ihn mit der gemeinsamen Tochter verlassen hat. Es mutet wie ein derber Scherz an, dass David Lougherys Buch tatsächlich das einfallsloseste Klischee aller Klischees benutzt. Der Overkill im Szenario ist dann noch Frau Jamie, die am Telefon gütigst nach der Unterzeichnung der Scheidungspapiere bittet. Als liebender Vater, hadert Chris natürlich. Die Blaupause verlangt es.
Man kann den Darstellern einfach nichts vorwerfen. In jeder Szene beweisen sie, was mit ihnen möglich gewesen wäre, hätte man nicht so ein dilettantisches Drehbuch gehabt, welches auch noch so anspruchslos von Luis Prieto inszeniert wurde. Dabei gibt es immer wieder Momente die wirklich überragendes Thriller Potential haben. Der Hausmeister, der dann doch lieber abkassiert, anstatt zu helfen. Oder einfach dieses elektronische Monstrum an Haus, mit seinen verwinkelten Gängen und vielen Zimmern.
Aber die Regie schafft es nicht einmal die Geschehnisse im Haus nachvollziehbar werden zu lassen. Keine erkennbare räumliche Aufteilung, und nie gibt es einen verständlichen Überblick wo sich eigentlich irgendjemand befindet. Dabei nutzt Kameramann Juan Azpiroz alle erdenklichen Möglichkeiten von Dollyfahrten, über Weitwinkelschüsse, Bilder von Überwachungskameras. Mit einer strukturierten Inszenierung hätte Azpiroz über seine Kameraarbeit einen wirklich spannenden Thriller machen können. In einigen Charakterszenen kommt auch zur Geltung, wie feinfühlig die Kamera versteht Szenen aufzubauen.
Selbstredend ist die zuckersüße Skyler nicht wirklich die große Liebe, die Chris glaubt bei einem nächtlichen Einkauf im Supermarkt gefunden zu haben. Ein eigenartiger Überfall fesselt Chris an den Rollstuhl, und die von Geldnöten geplagte Skyler bietet sich als Tagesschwester an. Es dürfte auch nicht überraschen, dass das fesche Mädchen mehr im Sinn hat, als nur das Bett mit dem Tech-Millionär zu verbringen. Währenddessen wartet man immer auf John Malkovich. Und wenn er endlich in Erscheinung tritt, fragt man sich kopfschüttelnd, warum John Malkovich bei diesem Film zugesagt hat.
Der Auftritt von Malkovich als abseitiger Motel-Verwalter ist leider schon vorbei, bevor der Ausnahmedarsteller überhaupt seine Rolle angemessen ausspielen durfte. Abgang Malkovich, Auftritt Grillo. Das es Frank Grillo persönlich scheinbar nicht so gut geht, sieht man ihm an. Seine Figur des schmierigen Identitätsdiebes hilft ihm dann bei seinem Auftritt auch nicht. Er ist ein wandelndes Klischee an überzogenem Gangster, der versucht mit Brutalität wett zu machen, was ihm an Originalität im Charakter fehlt.
Cameron Monaghan hätte gut sein können, und bekommt aber keine Chance. Lilly Krug hätte ebenfalls gut sein können, und bekommt einfach zu viel. Ihre unberechenbare Diebin rutscht dabei einfach ins absurde, manchmal unfreiwillig komische ab. Die Krönung ist dann allerdings der Showdown, der mit dem lächerlichsten Einfall zu glänzen versucht, den das Action-Kino seit Anbeginn der Filmindustrie zelebriert. Die wehrhaften Opfer gewinnen die Oberhand und haben jeden erdenklichen Trumpf ganz sicher in ihren Händen. Nur damit die Helden im buchstäblich allerletzten Moment, etwas atemberaubend Dummes machen.
Es kommt zu einem brutalen Zweikampf, der absolut überflüssig ist. Es gibt keinen inhaltlichen Anlass dafür, außer die Kontrahenten noch einmal aufeinander zu hetzen. Das soll Spannung erzeugen, tut es aber nicht, weil es nicht im Geringsten stimmig ist. Da bleibt am Ende nur noch die Frage, ob Chris und seine beinahe geschiedene Frau wieder zueinander finden. Wer da als Zuschauer einmal all die guten Ideen und die funktionierenden Charakter-Momente, in Verbindung mit dem wunderbaren Ensemble zusammen nimmt, kommt nicht am Rätsel vorbei, wie man so eine Gelegenheit so grandios in den Sand setzen kann.
Darsteller: Cameron Monaghan, Frank Grillo, Lilly Krug, John Malkovich, Sasha Luss, Ash Santos u.a.
Regie: Luis Prieto
Drehbuch: David Loughery
Kamera: Juan Miguel Azpiroz
Bildschnitt: Frederico Conforti
Musik: Tom Howe
Produktionsdesign: Madeline O’Brien
USA, Deutschland, Schweiz / 2022
92 Minuten