Robert Downey „Sr.“

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– Netflix seit 02.12.2022

Sollte sich noch jemand wundern, wie es zu der ungewöhnlichen Auswahl von Franz Schuberts Strophenlied ‚Die Forelle‘ in SHERLOCK HOLMES: GAME OF SHADOWS mit Robert Downey Jr. kam, könnte in der Dokumentation „SR.“ eine gewisse Vorstellung davon bekommen. Dokumentarfilmer Chris Smith hat diesen Film ohnehin so angelegt, dass er viele Fragen aufwirft, aber selbst kaum welche beantwortet. So ist Zuschauerin und Zuschauer herzlich eingeladen sich die Frage um Franz Schubert selbst zu erarbeiten.

Die Dokus JIM & ANDY, über die Beziehung von Jim Carrey zu dem Komiker Andy Kaufman, die Chronik zu dem Desaster des Musikfestivals FYRE, und seine Mitwirkung an TIGER KING haben Chris Smith einem breiteren Publikum bekannt gemacht. Ob das der Grund für den Schauspieler Robert Downey Jr. gewesen sein mag, Smith für diese durchweg sehr persönliche Dokumentation auszuwählen, lässt sich im Nachhinein schlecht realistisch nachvollziehen. Was man im Nachhinein gut nachvollziehen kann, ist der Glücksgriff, dass Chris Smith diesen Film gemacht hat.

Robert Downey Senior wurde am 24. Juni 1936 in Manhatten geboren, und entwickelte sich in den 60ern zu einem der einflussreichsten Filmemacher der Gegenkultur. Wobei nur der zweite Fakt für die Dokumentation auch wirklich von Bedeutung wird, und man nach „SR.“ den unbändigen Drang verspürt, Seniors legendären POTNEY SWOPE sehen zu müssen. In den 1990ern wird sein Sohn Robert weniger durch seine Filme, als durch seinen Drogen- und Alkoholkonsum bekannt, erst mit dem Start des Marvel Cinematic Universe mausert dieser sich zu einem der bekanntesten Schauspieler in der Industrie.

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Als Robert Downey Sr. an Parkinson erkrankt, will Junior den Vater für dessen restliche Lebenszeit mit der Kamera porträtieren. Genau hier setzt „SR.“ auch ein. Junior hat eine gewisse Vorstellung von seiner Dokumentation, während Senior den Vorschlag macht, mit dem selben Team parallel einen eigenen Film über sich zu machen. Das sorgt anfänglich bei Zuschauerinnen und Zuschauern für etwas Verwirrung, weil in den ersten Minuten überhaupt keine Struktur zu erkennen ist, und die unabhängig voneinander wirkenden Szenen wahllos aneinandergereiht scheinen.

Smith porträtiert Senior dabei, wie dieser eine Dokumentation über sich selbst macht. In dem er beide Materialien wechselseitig miteinander verbindet, ergibt das ein spannende Wechselwirkung von Konzept und Inspiration. Da ist der klare Versuch eines Porträts von Junior, während Senior mit szenischen Interpretationen die Strukturen des gegenkulturellen Kinos aufgreift. Was zuerst absurd anmutet, erklärt den Filmemacher Downey um ein vielfaches besser, als es Interviewfragmente oder analytische Rezensionen könnten.

Irgendwann wird „SR.“ zu etwas ganz anderem. Eine Abhandlung über Zuneigung und ein tiefes Verständnis für einander. Der Film fasziniert mit dem, worüber die Protagonisten eben nicht reden. Seine Stärke ist der absolute Verzicht Dinge erklären zu wollen. Was für ein Vater er war, dass er verantwortlich gemacht werden kann, für die Drogen- und Alkoholabhängigkeiten des Junior, so etwas erfährt man in Gesprächsfetzen zwischen Vater und Sohn. Aber es bleibt von Seiten der Downeys wertfrei und ohne falsche Erklärungsversuche.

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Chris Smith’ Film als eine meditative Reise zu bezeichnen, wäre zu dick aufgetragen. Aber wo andere Biografien sich auf die emotionalen und soziologischen Kontroversen stürzen, zeichnet Smith ein Bild von zwei Männern die mit sich und miteinander im Reinen sind. Wenn es etwas zwischen Senior und Junior zu klären gab, wurde alles schon gesagt und liegt weit hinter ihnen. Und Smith beweist, wie viel spannender es sein kann, wenn es anstelle von entzweienden Konflikten, um eine von Respekt erfüllte gefestigte Bindung geht.

Sr 1 - Copyright NETFLIXDas ist manchmal extrem witzig, manchmal außergewöhnlich surreal, und dann wieder unglaublich berührend. Aber „SR.“ ist niemals sentimental, fühlt sich aber immer aufrichtig an. Am Ende haben auch noch zwei von Juniors Sprösslingen Auftritte, womit diese ungewöhnliche und vorbehaltlos zu empfehlende biografische Betrachtung der Zuschauerin und dem Zuschauer ein Gefühl von Beständigkeit mit gibt.

Mit: Robert Downey Sr., Alan Arkin, Norman Lear, Rosemary Rogers, Sean Hayes, Kevin Ford, Exton Elias Downey sowie Robert Downey Jr.
Regie: Chris Smith
Kamera: Chris Smith, Kevin Ford
Bildschnitt: Kevin Ford, Amanda Griffin, Daniel Koehler
USA / 2022
89 Minuten

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