PUSS IN BOOTS: THE LAST WISH
– Bundesstart 22.12.2022
Es gab eine dürftig umgesetzte Direkt-auf-DVD-Fortsetzung, und eine aus diversen Gründen wenig erfolgreiche Netflix-Serie. Aber nach 11 langen Jahren hat es der großspurige Kater mit den Stiefeln doch noch zu einer vernünftigen, in weiten Teilen sogar besseren Kinofortsetzung gebracht. Der Wermutstropfen bleibt, dass die alten Tage von SHREK und SHREK II nicht mehr reproduzierbar sind. Es fehlt der Hauch von anarchischer Respektlosigkeit und dieses stimmige Feingefühl für Nebenfiguren. Als Zuschauerin und Zuschauer befinden wir uns immer noch mittendrin in der Märchenwelt, von der uns Tommy Swerdlow nur wenig in die laufende Handlung integriert. Swerdlow hat mit Tom Wheeler die Geschichte ausgeheckt, und mit Paul Fisher das Drehbuch verfasst. Was jemand in DER LETZTER WUNSCH aus einer Erwartungshaltung heraus vermissen könnte, machen die drei mit ihrer Erfahrung in Kinder- und Animationsfilm wieder wett.
Puss in Boots hat in abenteuerlicher Weise ein Dorf vor einem Troll gerettet. Wie gewohnt, kostet er seinen Triumph im Jubel der Dorfbewohner aus, übersieht aber genau deswegen die riskanten Nachwirkungen seines turbulenten Treibens. Nach einer Schwarzblende erwacht Puss bei einem Doktor wieder zum Leben, der ihm klarmachen muss, dass dies nun sein letztes von neun Leben sein wird. Es ist kein Trend, aber der kritischen Materie von Vergänglichkeit und Tod stellen sich immer mehr Kinderfilme, und DER LETZTE WUNSCH ist dabei ein eher behutsamer Beitrag.
Eine Katze mit neun Leben macht es auch leichter mit der Thematik umzugehen. Zudem greift die Geschichte den Kinderfilmklassiker an Lebensweisheiten auf, und das ist Vertrauen durch Freundschaft.
Es ist ein parallel laufender, roter Faden, der bei älteren Produktionen von Pixar oder DreamWorks-Animation eleganter und stimmiger umgesetzt wurde, als bei den Holzhammer-Erzählungen jüngerer Zeit. DER LETZTE WUNSCH hat wieder ein subtileres Maß gefunden, indem die Regisseure ihre frenetischen Action-Einlagen um ihre moralische Botschaft herum explodieren lassen – You’ve got a friend in me.
Auch die zweite Auflage von DER GESTIEFELTE KATER ist nicht so ausgewogen in Kinderunterhaltung und Erwachsenenhumor wie es seinerzeit SHREK und SHREK II waren. Vorlagen, die dem Spin-Off um den gestiefelten Kater den Weg eröffneten. Aber nicht umsonst nennt man es Familienfilm, wo sich Jung und Alt gegenseitig emotional stützen. Was die Jungen thematisch überfordern könnte, oder die Alten weniger originell finden, wird in Wechselwirkung kompensiert. In dieser Beziehung darf sich DER GESTIEFELTE KATER: DER LETZTE WUNSCH mit dem Prädikat des perfekten Familienfilms schmücken.
Das Regie-Duo Joel Crawford und Januel Mercado ruhen sich aber nicht auf den Standards aus. Produktionsdesigner Nate Wragg, der zusammen mit Crawford an den CROODS: THE NEW AGE arbeitete, entwarf zumindest für die Action-Szenen einen anderen Stil. Vom typischen CGI-Realismus wechselte man zu einem vermeintlichen Zeichenstil, der schon SPIDER-MAN: INTO THE SPIDER-VERSE so außergewöhnlich machte. Das Bild wirkt gröber und verwendet merklich weniger Details, aber gerade das macht die entsprechenden Sequenzen dynamischer, weil die Einstellungen fokussierter sind.
Zuerst zieht sich Puss bei einer verrückten Katzen-Lady aufs Altenteil zurück, um seine nun begrenzte Lebenszeit so lange wie möglich auszukosten. Bis er vom Stern erfährt, der einem einen einzigen Wunsch erfüllt. Aber hinter dem Wishing Star ist schon Goldlöckchen mit den drei Bären her, gefolgt von der gerissenen Kitty Samtpfote. Die größte Hürde ist allerdings, dass die Karte zum Wishing Star im Besitz des von Gier zerfressenen ‚Big‘ Jack Horner ist, dessen einziger Wunsch es ist, alle Magie der Welt auf sich zu vereinen. Für den deutschen Markt eröffnet sich damit der sensibelste Punkt in der Umsetzung des LETZTEN WUNSCH.
Während man hierzulande von Goldlöckchen mit der Bärenfamilie zumindest hier und da schon einmal gehört hat, ist der Kinderreim um ‚Little‘ Jack Horner weitgehend unbekannt. Der mit Gier und Opportunismus in Verbindung gebrachte Jack Horner ist hier bereits zum reifen Mann gereift. Für unkundige Zuschauerinnen und Zuschauer wird ‚Big‘ Jack Horner in der deutschen Fassung zum einfachen Bösewicht. Letztendlich schadet es aber der Geschichte micht wirklich, und nimmt auch nichts von der temporeichen Umsetzung. Allein mit Kitty hat Puss eine Partnerin an der Seite, die wirklich seine komplette Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.
Somit wird auch die Aufmerksamkeit von Zuschauerin und Zuschauer in Beschlag genommen. Denn hier werden unablässig herzerweichende Katzenmanierismen zur Schau gestellt. Es wird nicht getrunken, sondern geschleckt, die Pfoten geballt, und die Augen zuckersüß vergrößert. Oder es wird gefaucht, und es blitzten kurz die Krallen, der Schwanz bauscht sich in Entsetzen, oder es wird mit dem Katzenbuckel versucht Eindruck zu schinden. Egal wie anthropomorph die Tiere in ihrem Verhalten entworfen sind, dass Storyboard hat nie diese unverkennbaren Verhaltensmuster vergessen. Es sorgt zweifellos für die meisten und besten Lacher, gerade wenn es in den dynamischen Szenen unerwartet, aber für Katzen typisch geschieht.
Aber man vermisst schon all die Märchen- und Kinderbuchfiguren aus den voran gegangenen PUSS IN BOOTS und SHREK Filmen, auf die man lediglich einen kurzen Blick in ebenso kurzen Rückblenden werfen kann. Auf der anderen Seite muss die Frage gestattet sein, ob die kreativen Köpfe dieses Films mit dem Wishing Star ein Botschaft an die Kollegen von Disney senden wollten. Eigentlich ist der Stern seit PINOCCHIO 1940 eine Konstante in den Filmen des Maus-Haus, und ein Film mit der Ursprungsgeschichte des Wishing Star schon fast fertig. In Zeiten wie diesen will man einfach daran glauben, dass Crawford und Kollegen eine tief empfundene Ehrerbietung im Sinne hatten.
Wie jemand es auch drehen und wenden möchte, der findet in DER GESTIEFELTE KATER: DER LETZTE WUNSCH einen überaus gelungenen und durchweg unterhaltsamen Familienfilm, der gar keinen besseren Starttermin haben konnte. Ein in jeder Hinsicht hervorragend aufpolierte Fortsetzung, die sich nicht auf dem Ruf der Vorgänger und dem Bewährten ausruht. Was es nachteilig zu berichten gibt, macht noch lange keinen minderen Film. Und der neue Look den Nate Wragg ersonnen hat, steht dem gestiefelten Kater außerordentlich gut.
Stimmen:
Puss in Boots: ANTONIO BANDERAS / Benno Fürmann
Perrito: HARVEY GULLÉN / Riccardo Simonetti
Kitty: SALMA HAYEK PINAULT / Carolina Vera
Jack Horner: JOHN MULANEY / Oliver Kalkofe
Goldlöckchen: FLORENCE PUGH / Ronja Peters
Mama Bär: OLIVIA COLEMAN / Bianca Krahl
Papa Bär: RAY WINSTON / Douglas Welblat
Baby Bär: SAMSON KAYO / Leonhard Mahlich
u.a.
Regie: Joel Crawford, Januel Mercado
Drehbuch: Paul Fisher, Tommy Swerdlow
Geschichte: Tommy Swerdlow, Tom Wheeler
Bildschnitt: James Ryan
Musik: Heitor Pereira
Produktionsdesign: Nate Wragg
USA / 2022
90 Minuten