– 05.08.2022 seit bei Apple TV+
Als Skydance die Tochtergesellschaft Skydance Animation in Madrid eröffnete, ging ein erwartungsvolles Raunen durch die Branche. Die Mutter ist mittlerweile eine der größten Produktionslabels in der Industrie. Zwangsläufig sollte auch ein ganz großer das neue Animationsstudio anführen. Das Prestigeobjekt als erster Spielfilm sollte LUCK sein, welchem viele kreative Künstler folgen wollten. Nicht zwangsläufig weil es ein Skydance Projekt war, sondern eine bezaubernde Geschichte. Doch ausgerechnet die reale Geschichte hinter Skydance Animation gestaltet sich nun spannender, als das Fantasie-Abenteuer um die Waise Sam, die mit dem schwarzen Kater Bob ins Land des Glücks vordringt, um einen dringend benötigten Glückspenny zu holen. John Lasseter war der Mann, der bei Disney und Pixar Animationsfilme revolutionierte und auf ein unverhofftes Niveau brachte. Dieser Mann wäre auch die ideale Besetzung für den CEO von Skydance Animation, hätte man Lasseter nicht bei Pixar/Disney 2018 wegen sexueller Übergriffe gehen lassen müssen.
Sam ist achtzehn geworden, und muss das Waisenhaus verlassen. Doch Sam hat das Problem ein hoffnungsloser Pechvogel zu sein, bei der alles schief geht, was schief gehen kann. Als sie wegen eines scheinbar streunenden Katers einen Glückspenny findet, verändert sich ihre gesamtes Leben. Von der Kraft des Pennys überzeugt, will sie diesen ihrer jungen Freundin Hazel im Waisenhaus geben, damit diese endlich eine feste Familie findet. Doch der Penny geht verloren, wobei allerdings der vermeintliche Streuner Bob helfen kann.
Natürlich ist es fragwürdig, warum die missliche Situation um John Lasseter unbedingt in einen argumentativen Zusammenhang mit dem Film selbst stehen muss. Muss nicht, aber Peggy Holmes Langfilm-Regiedebüt wirkt tatsächlich wie ein versinnbildlichte Version des Hintergrundes um Lasseter. Sozusagen der Film zur Metaebene. Die berechtigte Kontroverse um den ehemaligen Pixar/Disney Executive hat in der künstlerischen Umsetzung und der öffentlichen Wahrnehmung von LUCK starke Befindlichkeiten erzeugt.
Es ist natürlich nicht nachvollziehbar, ob der durch Lasseter Anstellung provozierte Ausstieg von Emma Thompson den fertigen Film negativ beeinflusst hat. Aber auch mit Jane Fonda als Drache und Herrscherin über das magische Reich, hat LUCK das Glück verlassen, bevor sie in der zweiten Hälfte in Erscheinung tritt. An originellen Ideen mangelt es nicht, und viele Element sind wenngleich sehr kindgerecht, durchaus ansehnlich. Aber für jedes gute Element scheint bei LUCK ein schlechtes gegenüberzustehen.
Einige der Hintergründe, speziell die Außenaufnahmen, haben teilweise eine verblüffende Anmutung von Photorealismus. Die menschlichen Charaktergesichter hingegen, bei Animationen ohnehin außerhalb wirklicher Proportionen, sind ohne Detail oder unterscheidbarer Merkmale. Lediglich Frisuren und Sprache lässt einen die Figuren auseinanderhalten. Was aber auch auf deren Mimik zutrifft, die spielerische und emotionale Nuancen vermissen lassen. Und Fist Bump zwischen Mensch und Katze ist alles andere als originell.
Ein wesentlich größeres Problem birgt die Ausarbeitung der Figuren selbst. Es sind keine Charaktere um die man sich sorgt. Sam ist ein Tollpatsch, und man erfreut sich an ihren Missgeschicken. Aber damit hat sich die Empathie schon erledigt, weil Sam und alle Anderen keine charakterlichen Tiefen zugesprochen bekommen, die das Publikum mitfühlen lassen. Die tränengefüllten Augen der im Heim zurückgebliebenen Hazel, oder Sams verzogenes Gesicht bei einem Unglück sind da nicht ausreichend.
Das setzt sich allerdings bei dem schwarzen Glückskater Bob fort, der vom Engländer Simon Pegg mit derart aufdringlichem schottischen Akzent gesprochen wird, dass er überhaupt nicht natürlich klingt. Zudem finden Peggs hektische Stimme und die erhaben scheinenden Manierismen der gezeichneten Figur überhaupt nicht zusammen. Die Ausgestaltung vom Land des Glücks ist, gelinde gesagt, einfallslos und allenfalls auf optische Reize für Kinder ausgerichtet. Die wenigsten baulichen Elemente ergeben einen Sinn.
Ernie Rinard wird im Abspann als Art Director angezeigt, der mit seinem Team eine Welt entworfen hat, die nie über das kindliche Verständnis von Schauwerten hinaus geht. Was der Film tatsächlich näher bringt, sind diverse Glücksbringer aus unterschiedlichen Ländern. Wie eben die schwarze Katze, die in Schottland Glück bringt. Das ist was dem Land des Glücks fehlt, wo Gebäude, Vorrichtungen, die Regeln, oder formalen Abläufe eine Bedeutung haben, und hintersinnige Verbindungen zur realen Welt aufzeigen.
Irische Kobolde und chinesische Drachen sind da nicht genug. Aber zu diesem Zeitpunkt hat Regisseurin Peggy Holmes ohnehin kaum noch Stoff mit dem sie eine originelle Selbstständigkeit aufbauen kann. Eigentlich ist Holmes Choreografin, was LUCK aber auch seine drei besten Szenen beschert. Wenn Sam wegen ihres Pechs vom Vorstellungsgespräch abgehalten wird, Bob seiner menschlichen Häscherin entkommen will, und wenn Sam mit dem Glückspenny alles auf die Probe stellt.
Die drei Szenen sind mit soviel Liebe im Detail, an Ideenreichtum und einer atemberaubenden Eleganz choreografiert, dass sie weit über den Film hinaus im Gedächtnis bleiben. Gegenstände und Situationen, aber auch bekannte Klischees wie das zu Boden fallende Marmeladenbrot greifen hier fließend ineinander, und das ist schlichtweg mitreißend anzusehen. Zeitgleich sind es genau diese Moment die in der letzten Hälfte von LUCK schmerzlich vermisst werden.
Der bittere Beigeschmack den John Lasseters Anstellung bei Skydance Animation mit sich bringt, ist exakt dieses Gefühl, welches LUCK als Film vermittelt. Man will ihn mögen. Als Zuschauender bringt man nicht nur die Hoffnung mit, sondern auch den Wunsch. Die Grundidee ist einfach zu originell, jedenfalls scheinbar. Aber dann grätscht etwas hinein, das einfach nicht passen will. Egal wie man es betrachtet, ist es die Bürde mit der dieser Film gestraft ist. Und dann endet LUCK mit einer Botschaft, die tatsächlich die vorangegangene Laufzeit ad absurdum führt. Aber da ist das Interesse an den Figuren ohnehin schon im Nichts verschwunden.
Stimmen:
Eva Noblezada – Sam
Simon Pegg – Bob
Jane Fonda – Babe der Drache
Whoppi Goldberg – Leprechaun Captain
Flula Borg – Jeff das Einhorn
Lil Rel Howery – Marvin
Colin O’Donoghue – Gerry
u.a.
Regie: Peggy Holmes
Drehbuch: Kiel Murray
mit Jonathan Aibel & Glenn Burger
Kamera: Thomas Leavitt, Ferran Llàcer Álvarez
Lichtgestaltung: Eduardo Suazo
Bildschnitt: William J. Caparella
Musik: John Debney
Produktionsdesign: Fred Warter
Spanien. USA / 2022
106 Minuten