JURASSIC WORLD – Ein neues Zeitalter

Jurassic Dominion - Copyright UNIVERSAL STUDIOSJURASSIC WORLD DOMINION
– Bundesstart 08.06.2022

Im letzten Akt von Colin Trevorrows JURASSIC WORLD DOMINION gibt es einen Moment – SPOILER – das sagt Laura Derns Ellie zu Sam Neills Alan, wenn es überstanden ist, könne er zurück in seine Sandgrube und wieder glücklich sein. Mit einer unerwarteten Energie und Lautstärke entgegnet Alan, „ich war da nie glücklich“. Das kommt überraschend, und ist ein emotionaler Ausbruch, in dem mit einem Schlag der Charakter des Paläontologen Alan Grant offenbart wird. Dieser Moment hat mehr Herzblut, aber auch Information als alles was uns Colin Trevorrow in ewig langen zwei Stunden vorher geboten hat, und in den letzten 30 Minuten offerieren wird. Und dies ist ein Film mit Dinosauriern. Wenn man Revue passieren lassen muss, was alles an diesem Film nicht rund läuft (um es wirklich vorsichtig auszudrücken), dann tut man sich wirklich schwer. Denn eigentlich wäre die Antwort: Alles.

Dinosaurier haben sich über die Welt verteilt. Und die Helden Claire und Owen aus den beiden WORLD-Teilen leben zurückgezogen im Hinterland um das Klonkind Maisie zu beschützen. Im angrenzenden Wald hat sich Owens Raptor Blue niedergelassen, die einen selbstbefruchteten Nachwuchs großzieht. Die beiden meist gesuchten Lebewesen der Welt, zufällig am selben Ort. Die Schergen von finsteren Wissenschaftlern freuen sich. Selbstredend muss Saurier-Bändiger Owen bald die Hetzjagd beginnen, um beide Objekte der Begierde zu retten.

Schwärme gigantischer Heuschrecken machen sich über die Weizenfelder im Mittleren Westen Amerikas. Die Helden Ellie und Alan aus zwei der PARK-Teile, müssen sich nach Jahren wieder einmal zusammen tun. Ellie kann nur Alan vertrauen, und nur gemeinsam können sie herausfinden, wie es in einer Welt voller Dinosaurier zu solch abartig großen Heuschrecken kommen kann. Vielleicht kann da Chaos-Theoretiker Ian Malcolm helfen, Held aus beiden JURASSIC-Trilogien, und ganz zufällig Angestellter bei Biosyn, die UN-Beauftragten für Dinosaurier.

Das Schema ist sehr alt, weit bekannt, und in diesem Fall auch sehr spannungslos. Zufällig treffen genau die richtigen, über die ganze Welt verstreuten Menschen, zufällig am genau richtigen Ort zusammen. Und das Unmögliche passiert natürlich immer genau im ungünstigsten Moment. So etwas kann wirklich Spaß machen und großartig unterhalten, wenn man das richtige Thema hat, originelle Ideen und eine wirklich inspirierte Inszenierung. JURASSIC WORLD DOMINION hat nur eines davon.

Jurassic Dominion 1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Es beginnt mit einer nachgestellten Reportage, welche die augenblickliche Situation erklärt und wie es dazu kam. Es entlarvt sich als Erklärstück für Quereinsteiger, und ist entsprechend unrealistisch einer TV-Reportage nachempfunden. So etwas sollte eigentlich unnötig sein, bei einem Film der sich auf fünf Vorgänger stützt, und seinen Bekanntheitsgrad voll ausschöpft. Genau diese Vorgänger haben gezeigt, wie der Einstieg in einen Film mit dieser Thematik und einem Anspruch der puren Unterhaltung aussehen muss.

Was schlecht beginnt, wird im Laufe nur schlimmer. Nach einer Szene die mehr verspricht als später geliefert wird, in der zwei Dinos friedlich und bedacht aus einer Fabrik hinaus geleitet werden, damit weiter gearbeitet werden kann, gibt es erst einmal wieder bedeutsame Dialoge in der Protagonisten anderen Protagonisten ermahnen, was diese längst wissen, aber dem Zuschauer vermittelt werden soll. Es gibt kurze Saurier-Action, und dann folgen ganze fünfundvierzig Minuten Exposition mit erklärenden Gesprächen.

Über 146 Minuten sind sämtliche Dialogszenen nur Exposition. Sagt jemand den Namen Biosyn, ergänz jemand anderes, dass es wohl der Multinationale Großkonzern sein müsse. Deutet einer auf Stahlkäfige und betont wie ausbruchsicher diese sind, wird es auch nicht lange dauern, bis nicht Pflanzenfresser, nein, natürlich Fleischfresser ausbrechen werden. Dass Dino-Käfige nicht aus feinster Klöppelarbeit sind, sollte allgemein bekannt sein. Spannungsaufbau sieht definitiv anders aus, aber der Erklärdialog ist im Konzept unumstößlich verankert.

Was durch die hanebüchenen und meist nervenden Zwiegespräche verloren geht, sind Charakterbeschreibungen und persönliche Tiefen der Figuren. Ausnahme wurde weiter oben angesprochen. Ein verblüffendes Rätsel bleibt die Ausarbeitung von Ian Malcolm, der sonst mit zynischen Sprüchen und beißenden Kommentaren die Ereignisse begleitete. Sonst. Für DOMINION sind seine unterhaltsamen Qualitäten vollkommen ausgeblendet. Daher muss angenommen werden, dass die deutsche Synchronisation dafür verantwortlich ist, wenn Jeff Goldblum immer im Bild steht als wäre er ein vergessenes Lichtdouble.

Jurassic Dominion 2 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Die Handlung ist dünn, was grundsätzlich nicht verkehrt sein müsste. Aber DOMINION spricht viele Dinge an, die sich gut anhören. Genmanipulation, industrielle Nahrungsmittelproduktion, Privatisierung von weltgemeinschaftlichen Interessen, Ethik. Es sind Aufhänger die allesamt ins Leere laufen. Eine intellektuelle Auseinandersetzung, obwohl möglich und nötig, finden nicht statt. Niemand erwartet ernsthaft, dass Colin Trevorrow mit einem Film die Welt rettet. Aber man kann Popcorn-Kino auch anspruchsvoll gestalten.

Tatsächlich haben sich lebensechte Dinosaurier seit 1993 selbst überholt. Was können nun Urzeit-Lebewesen fast dreißig Jahre später noch für einen Reiz ausüben, wenn sich jede Magerquark-Werbung realitätsnahe Computergeschöpfe aller Größen und Arten leisten kann. Das Alleinstellungsmerkmal von Best-of bei DOMINION tut sich aber schwer, weil fünf Hauptrollen nicht nur zu viel sind, sondern sich gleich zwei Generationen leicht im Weg stehen. Die einen berauben die anderen um ihre Trilogie. Schon allein qualitativ muss man beide Trilogien trennen.

Es gibt nur sehr wenige Momente die zeigen, dass auch dieser Film das Potential gehabt hätte außergewöhnlich zu sein. Das Konzept von Dinosauriern die nun unter den Menschen leben wird ausgeblendet, zugunsten überstrapazierten Action im altbewährten Format. Und zwar mit dem Dinosaurier Resort in den Dolomiten, wohin sich der komplette Handlungsablauf verlegt. Anders als durch die Werbung impliziert, ist es also doch wieder ein in sich geschlossenes Terrain. Der Begriff Mogelpackung liegt da wirklich sehr nahe.

Erschreckender sind allerdings die handwerklichen Unzulänglichkeiten. Die gesamte Malta-Sequenz ist beispielhaft, wie man am Reißbrett entworfene Action weniger gut umsetzen kann. Das Attribut ‚schlecht‘ wäre vielleicht etwas hoch gegriffen. Aber das hier ist eben kein gewöhnliches Spektakel, es ist eines mit Ruf und Verantwortung, und dem entsprechenden Budget. Der Schnitt verpasst ständig die Kontinuität, die Kamera verliert ständig den Überblick, und in den visuellen Effekten variierten sehr gerne die Größenverhältnisse.

Jurassic Dominion 4 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Und während dieser Zeilen kommen dann wieder Augenblicke in Erinnerung, wie Bryce Dallas Howard im Sumpf einem gefiederten Giganten entkommen will. Das sind Momente die bleiben würden, würden sie nicht durch andere abgedroschene Banalitäten zunichte gemacht. Dazu übt sich DOMINION auch noch daran, möglichst viele gesprochene oder bildliche Filmzitate einzubinden. Das gelingt manchmal fantastisch, manchmal lenkt es nur vom eigentlichen Verlauf ab.

Ein Velociraptoren wiederholt den seinerzeit leider verschnittenen Balkon-Stunt aus der BOURNE-Reihe. Nur dass bei jenem Stunt der Darsteller wirklich gesprungen ist, und hier ganz naturgemäß der Computer am arbeiten war. Also ist es lediglich ein Bild ohne Spannungsmoment. Das nur wenige Sekunden vorher derselbe Raptor noch die legendäre Tür-Szene aus SHINING imitierte, ist nur ein weiteres Indiz für Trevorrows Unvermögen souveräne Momente, oder überhaupt symbolträchtige Bilder zu schaffen. Was DOMINION kann, ist imitieren und zitieren.

Aber trotz des hohen Unterhaltungswertes von kopierten Bildern und Sequenzen anderer Filme, kann dies nicht der Originalität letzter Schluss sein. Schlimmer sind allerdings die Beifall heischenden Reproduktionen ikonografischer Szenen aus den ersten beiden Teilen JURASSIC PARK. An erster Stelle, das im Vordergrund geöffnete Maul des T-Rex, der mit seinen Zähnen den Kopf eines Protagonisten umrahmt. Heutzutage nennt man das Fan-Service.

Aber Fan-Service funktioniert nur, wenn dieser in einen Film eingebettet ist, der auch für sich alleine stehen kann. Prolog und Epilog bilden einen Rahmen der zumindest ansatzweise das eigentliche Prämisse verdeutlicht, wenn Dinosaurier wieder in unserer aktuellen Umwelt leben würden. Es beschränkt sich auf imposante Bilder, eine wirkliche Abhandlung bleibt aus.  Dieser Film kann nicht für sich allein bestehen. Er kann aber auch nicht wirklich etwas zu dieser vermeintlichen Reihe beitragen. JURASSIC WORLD DOMINION ist ein Ärgernis.

Jurassic Dominion 3 - Copyright UNIVERSAL

 

Darsteller: Chris Pratt, Dallas Bryce Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum, Isabella Scott, Mamoudou Athie, DeWanda Wise, BD Wong u.a.
Regie: Colin Trevorrow
Drehbuch: Colin Trevorrow, Derek Connolly
Kamera: John Schwartzman
Bildschnitt: Mark Sanger
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Kevin Jenkins
USA – Malta / 2022
146 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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