– Bundesstart 01.09.2022
Filme aus Südafrika erregen selten die verdiente Aufmerksamkeit. Gerade in einem ohnehin von amerikanischen Produktionen dominierten Genre. Man muss weit zurück blicken, als die Filmwelt aufgerüttelt wurde, wie der Südafrikaner Neill Blomkamp für ganz kleines Geld ganz großes Kino machte. Aber das Beben um DISTRICT 9 ebbte schnell ab, und Blomkamp wurde schnell von Hollywood vereinnahmt. Im selben Jahr folgte noch Clint Eastwoods INVICTUS, der inhaltlich nur vor Ort realisiert werden konnte, aber eine amerikanische Produktion war. Wie DREDD 3D oder Idris Elba als MANDELA in LONG WAY TO FREEDOM. Und Jérôme Salles Action-Thriller ZULU, der regionale Storyelemente aufgriff, aber eigentlich ein eher europäisches Projekt war. Mit INDEMNITY hätte Südafrika als Filmland wieder einmal in den Fokus gerückt werden können, wenn der Film nicht so verdammt schwer zu vermarkten wäre.
Nach einem katastrophalen Einsatz leidet Feuerwehrmann Theo Abrams schon längere Zeit unter posttraumatischem Stress. Nach seiner letzten Whiskey durchtränkten Nacht, findet er seine Frau ermordet neben sich. Theo kann sich allerdings an nichts erinnern. Während des Abtransportes wird er von einem anderen Häftling im Polizeitransporter angegriffen. Das Auto verunglückt während des Kampfes. Theo kann fliehen, und versucht nun die Hintergründe heraus zu finden.
Das ist natürlich keine Inhaltsangabe, mit der ein Film aus einem gesättigten Genre sein Publikum anspricht, wenn sie nicht sogar verschreckt. Zu seinen Schwachstellen zählen dann auch die Handlungspunkte, die sich eng an die Versatzstücke handelsüblicher Massenware halten. Und das sind die üblichen Zufälligkeiten, die während des Handlungsverlaufs zustande kommen, um den Film überhaupt erzählen zu können. Wobei die Möglichkeit zu Abrams Flucht ausnahmsweise äußerst raffiniert und im Kontext glaubwürdig gestaltet wurde.
Was auch nicht zufällig kommt, sind die für einen Feuerwehrmann bemerkenswerten Nahkampf- und Schusswaffenkenntnisse. Diese Fähigkeiten sind sogar essentiell in der Grundlage für Theo Abrams Verstrickung. INDEMNITY hat also einiges an Überraschung, die ihn dann schon wieder von befürchteter Massenwarfe abhebt. Wobei sich erst innerhalb der Auflösung der wirkliche Knaller offenbart. Wenn Theo das Geheimnis der verantwortlichen Schicksalsnacht löst, ist diese Erklärung außerordentlich originell.
Travis Taute hat sich mit INDEMNITY seine erste Regiearbeit an einem Langfilm gegönnt, und dafür gleich einmal selbst das Buch verfasst. Das ist nie verkehrt, weil die Inszenierung von der Hingabe zum Ausgangsmaterial nur profitieren kann. Und Taute erweist sich als sehr geschickter Regisseur, der die Gewichtung einzelner Szenen hervorragend einzuschätzen weiß. Das macht trotz manch vorhersehbarer Standards einen temporeichen Actionfilm.
Es gibt in dieser Art Film immer wieder gewisse Mängel, die andere Filme ins Lächerliche ziehen. Auch Travis Taute ist beim Schreiben nicht davor gefeit gewesen. So sind auch hier ganz zufällig die obersten Drahtzieher einer großen Verschwörer stets direkt vor Ort, wo ein scheinbar unbedeutendes Lichtlein die jahrelang vorbereiteten Pläne des Übels in Flammen aufgehen lässt. Dieses unsinnige Element ist grundsätzlich ärgerlich, aber bei IDEMNITY lenkt die fokussierte Inszenierung das Augenmerk auf wesentlichere Dinge.
An der Kamera überrascht Zenn van Zyl mit einigen sehr raffiniert ausgeklügelten Szenenfolgen. Besonders die Zweikämpfe in sehr beengten Räumen hat van Zyl eindrucksvoll ins Bild gesetzt. Aber auch bei der Flucht aus dem Hotel beweist der Kameramann das er immer die passende Einstellung für den richtigen Moment findet, um eine mitreißende Dynamik zu erzeugen. Da die Geschichte von INDEMNITY auch eine Geschichte über Schuld und Sühne ist, hat die Bildgestaltung von van Zyl im Showdown ein beeindruckendes Setting gefunden.
Vielleicht hat Jarrid Geduld Glück, dass man sein Talent für größere Sachen erkennt, damit er auch einem größeren Publikumskreis zugänglich wird. Geduld ist in der Rolle des traumatisierten Retters vielleicht noch etwas ungeschliffen, neigt hier und da zu leichten Übertreibungen, aber er verfügt über eine sehr ansprechende Physis, von der man gerne mehr sehen möchte. Es ist bitter, dass INDEMNITY ausgerechnet in einem Zeitraum startet, der überhaupt nicht mit guter Action gesegnet ist, aber mit der abgedroschen wirkenden Prämisse nur sehr schwer erfolgreich beworben werden kann.
Darsteller: Jarrid Geduld, Gail Mabalane, Andre Jacobs, Nicole Fortuin, Hannes van Wyk, Susan Danford u.a.
Drehbuch & Regie: Travis Traute
Kamera: Zenn van Zyl
Bildschnitt: Simon Beesley
Musik: Kyle Sheperd
Produktionsdesign: Chris Joubert
Südafrika / 2021
124 Minuten