– Bundesstart 13.10.2022
ERSTE NOTIZ: Die an dieser Stelle vor einem Jahr selbstgefällig aufgestellte These, David Gordon Greens HALLOWEEN-Trilogie würde zusammen genommen in einer einzige Halloween Nacht spielen, erweist sich als falsch. Was grundsätzlich unerheblich bleibt, denn wie der Verlauf der Geschichte zeigt, heben sich die Für und Wider für den vierjährigen Zeitsprung gegenseitig auf.
NOTIZ 2: Schreckliche Erinnerungen an die Rob Zombie-Verfilmungen werden wieder geweckt. Erneut will ein Teile diese neue Trilogie viel mehr sein, als das was John Carpenter mit dem Original angerichtet hat, und seinerzeit neben Tobe Hooper das Genre neu definierte. Nur Gut und Böse, keine übergeordnete Ebene. Keine soziologischen Metaphern oder gesellschaftspolitischen Kommentare.
ZU ERÖRTERN: Wieso kann Laurie Strode nach 40 Jahren pathologischer Angstpsychosen unvermittelt wieder ein vermeintlich normales Leben führen, wo doch zuletzt sogar ihre eigene Tochter von ‚The Shape‘ Michael Myers getötet wurde? Warum demontiert John Carpenter als Produzent sein eigenes Vermächtnis?
HANDLUNGSABRISS: 4 Jahre nach HALLOWEEN KILLS. Scream-Queen Laurie Strode ist aus ihrer geschützten Selbstisolation in das ganz normale Kleinstadtleben zurückgekehrt. Sie wohnt mit Enkelin Allyson, die den letzten Film überlebt hat, noch immer in Haddonfield. Der sensible Einzelgänger Corey hat, wie Laurie und Allyson, auch eine finstere Geschichte. Die Stadt steht noch immer unter dem Einfluss der fürchterlichen Geschichten um Michael Myers, wofür man nach wie vor Laurie die Schuld gibt. Die Massenpsychose von Misstrauen und Angst macht aus Haddonfield eine aggressive Stadt. Auf diesem Nährboden, kann das Böse wunderbar gedeihen. Es wartet in der Kanalisation, und wer verschont bleibt, bleibt dies nicht ohne Grund.
FUSSNOTE: Was Allyson wirklich in die Arme von Corey treibt bleibt ungenau, auch wenn es ein paar Versuche von erklärenden Textzeilen gibt. Fühlt sie sich von dem Bösen angezogen, dass er merklich in sich trägt? Oder nimmt sie ihn tatsächlich als bedürftiges, zu schützendes Opfer wahr? Motivationen sind nicht ausgearbeitet. Erklärungsversuche können willkürlich interpretiert werden.
NOTIZ 3: Die Bilder sind beliebig. Konnte der Vorgängerfilm in einigen Einstellungen noch mit üppigen Bildkreationen aufwarten, sind in dieser Inkarnation selbst die Einstellungen von Sympathieträger Michael Myers uninspiriert und schon gar nicht atmosphärisch. Dieser Film macht es kaum unvorstellbar, dass Kameramann Michael Simmonds auch die beiden Vorgänger bildlich umgesetzt haben soll. Was bleibt, sind bewusst irreführende Reproduktionen von bekannten Einstellungen aus dem Original. Diese sollen Entwicklungen andeuten, die sich genauso lustlos auflösen, wie sie halbherzig eingeführt werden. Zum Beispiel der ikonische Blick aus dem Fenster, wo Laurie ‚The Shape‘ stehen sieht, wie er sie beobachtet. Nur ist es hier jemand anders.
NOTIZ 4: Nicht einmal das Musikkonzept unterliegt eine kohärenten Linie. Carpenters ikonische Synthesizer-Melodie wird immer wieder eingesetzt, was allerdings keiner dramaturgischen Ordnung unterliegt. Sie hebt keine wirklichen Höhepunkte heraus, oder treibt den Film auch nicht in eine Richtung, wo er zu seiner angedachten Atmosphäre finden darf. Sofern die Macher eine gruselig spannende Atmosphäre überhaupt jemals im Sinn hatten. Der gesteigert Einsatz von Halloween bezogenen Rock und Pop Songs ist ein Zugeständnis an jugendliche Zuschauer, aber nicht an die Atmosphäre des Films.
NOTIZ 5: Die vier Autoren scheinen sich nicht einig zu sein, was man mit den vielen angerissenen Handlungselementen anfangen soll. Geschweige denn, wie man sie kulminierend zusammen bringt. Der Versuch ist da, dennoch zerfällt die ganze Handlungsstruktur in verschiedene Richtungen, anstatt sich in einem wirklichen Abschluss zu finden. Der Regisseur läuft den gut gemeinten Ideen hinterher. Anstelle des großen Feuerwerks, besteht das Ende aus mehreren Böllern, die gerne laut sein möchten, aber nicht erschrecken. Die angedeutete Staffelübergabe verpufft thematisch, der kulminierende Showdown von Laurie und Michael misslingt inszenatorisch.
ÜBERLEGUNG: Soziologischen Metaphern oder gesellschaftspolitische Kommentare waren zu keinem Zeitpunkt der Gedanke, die HALLOWEEN derart populär machten. Worin sieht sich David Gordon Green bestätigt, dass es heutzutage angebracht wäre? Und warum geschieht dies dann auf eine Weise, die nur schmerzlich aufzeigt, dass Green die Vermischung von popkulturellem Horror und intellektueller Allegorie nicht beherrscht.
NOTIZ 6: Michael Myers war einmal ein seelenloser Killer, der im Film kein Blut brauchte, um sein Publikum zu erschrecken und aufzuwühlen. Er war der leibhaftige Schrecken, der in jedem von uns unerklärliche Ängste befeuert. Jetzt hat Michael Myers den Schrecken verloren. Er ist zum beliebigen Rächer von moralischer Verwerflichkeit geworden, der diejenigen tötet, die David Gordon Green so verabscheuungswürdig inszenierte, damit das Publikum seinen voyeuristische Freude an deren Ableben findet. Mit sehr viel Blut, wie es der Zeitgeist angeblich vorschreibt. Einige an den Haaren herbei gezogene, moralische Spekulationen täuschen nicht darüber hinweg, dass die aktuelle Trilogie nie verstanden hat, warum John Carpenter seinerzeit keine blutigen Schauwerte benötigte.
POST IT: Blumhouse Produktionen zukünftig meiden. Malek Akkad misstrauen. Carpenter anrufen, und Fragen stellen…
Darsteller: Jamie Lee Curtis, Nick Castle, James Jude Courtney, Andi Matichek, Rohan Campbell, Kyle Richards, Will Patton u.a.
Regie: David Gordon Green
Drehbuch: David Gordon Green, Chris Bernier, Paul Brad Logan, Danny McBride
Kamera: Michael Simmonds
Bildschnitt: Timothy Alverson
Musik: John Carpenter
Produktionsdesign: Richard A. Wright
USA – Großbritannien / 2022
111 Minuten