– Bundesstart 09.11.2022
Die Frage ist durchaus gerechtfertigt: Wann ist das Publikum der Superheldenfilme überdrüssig? Für den gemeinen Konsumenten wird es wohl so sein, dass ‚dieser eine‘ noch geht, denn geschadet hat noch keiner aus dem Marvel Cinematic Universe. Nur, um dann die Notwendigkeit des nächsten anstehenden Films wieder in Frage zu stellen. Mit der kinematografischen Besonderheit WAKANDA FOREVER ist es nicht anders. Während der alles umfassende Geek langsam die Geduld mit DCs Filmreihe verliert, überrascht Marvel immer wieder. Nicht das diese immer neue Meisterwerke produzieren würden, aber der konstante Unterhaltungswert und die tonalen Variationen geben, was dem Otto-Normal-Kinogänger weiterhin ins Kino geleitet. Deswegen wird es weiterhin Superheldenfilme für eine nicht abschätzbare Zeit geben.
Martin Scorsese rudern nach seinen verbal Entgleisungen, Superheldenfilme wäre gar nicht richtiges Kino, schon wieder zurück. Ihm ist eingefallen, dass sein THE IRISHMAN ohne den Einfluss hart kalkulierter ‚Tentpole‘-Filme gar nicht existieren würde. Seine extreme Laufzeit, ein produzierender Streaming-Dienst, und vor allem De-aging Technologie. Und der Heuchler Quentin Tarantino wird wegen seiner nach Aufmerksamkeit schreienden Kampagne gegen die Superhelden, vom Nerd-Magazin ‚Den of Geek‘ in einem sehr lesenswerten Artikel in die Schranken gewiesen.
Wie der zweite BLACK PANTHER Film mit Chadwick Boseman ausgefallen wäre, lässt sich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Auch wenn Regisseur Ryan Coogler seine über den Haufen geworfenen Pläne kund tun würde. Und hier zeigt sich auch die Besonderheit in der Produktion von WAKANDA FOREVER Es beweist auch die strukturelle Überlegenheit von Marvel gegenüber anderen Studios. Diese Fortsetzung war schon längst in Planung, bevor der Hauptdarsteller vor zwei Jahren verstarb. Alles musste komplett den neuen Gegebenheiten angepasst werden.
Letzten Endes, das muss man einfach würdigen, macht WAKANDA FOREVER den Eindruck, als hätte man sein Konzept bereits vor vier Jahren in dieser Form entwickelt. Einige Trickeffekte sind etwas ungelenk und für diese Preisklasse nicht ganz überzeugend, wie die Bewegungsabläufe der Talokaner in den Massenszenen, oder auffällige Green-Screen während der Kämpfe in der Hauptstadt. Aber so viele Action-Sequenzen gibt es ohnehin nicht. Der Grundtenor des Films ist Veränderung. Veränderung in der Bedeutung des Landes Wakanda gegenüber dem Rest der Welt. Dank des Super-Metalls Vibranium, die nun einzig führende Supermacht.
Aber auch die Veränderung durch den Verlust des Königs T’Challa, mit dem auch der beschützende Superheld Black Panther sein Ende fand. Der Tod des Königs ist in fast jeder Szene allgegenwärtig, in Dialog oder handlungstechnisch. Die gütige Königinmutter wird zur verbitterten Herrscherin, womit Angela Bassett jeden ihrer Auftritte zu einem Ereignis macht. Die quirlige Nerd-Schwester Shuri wird nun von Wut und Verzweiflung getrieben. Eine stimmig umgesetzte Rolle, in der man sich Letitia Wright vor vier Jahren noch nicht so richtig vorstellen konnte.
Doch Sequenzen die den Verlust des Königs, die Suche nach einem neuen Helden, die Veränderungen des Landes behandeln, sind auch gleichzeitig unaufdringlich unterschwellige Reminiszenz an Chadwick Boseman. Selbstredend gibt es zuhauf diese Geek-Momente, mit Querverweisen und Einführung neuer Figuren für kommende Marvel-Attraktionen. Aber den Geist des verstorbenen Boseman ganzheitlich in den Film einfließen zu lassen, ist nicht nur ein einfühlsames Kunstwerk, sondern eine grandiose Widmung, die jede Gedenktexttafel auf ihren Platz verweist.
BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER wird die Kassen sprengen. Das steht außer Frage. Ob verdient, oder nicht ist ein anderes Thema. Auf die gesamte Laufzeit gesehen, hätte der Film in allen Szenen ruhig einige Kürzungen vertragen. Auch die Kameraarbeit lässt einiges zu wünschen übrig. In den Actionszenen fehlt grundsätzlich Struktur, welche die Kämpfe übersichtlich machen, und in den Alltagsbildern der Stadtansichten geht ein nachvollziehbares Gefühl für Großstadtleben abhanden. Grundsätzlich vermisst man die Opulenz in denkwürdigen Motiven.
Wurde noch vor vier Wochen mit den schlechtesten Kinoeinnahmen eines Oktobers der Untergang des Abendlandes prognostiziert, wird WAKANDA viel schlechtes Gerede schnell vergessen machen. Denn der Superheldenfilm ist noch lange nicht am Ende, auch wenn es selbstgerechte Schwätzer gerne sähen, nur um ihre irrige Meinung bestätigt zu sehen. Mit der Figur der Riri Williams wurde Ironheart vorgestellt, und mit Namor hat nun auch der Sub-Mariner Einzug gehalten. Zusammen mit zwei Post-Credit-Scenes ergibt das jede Menge Möglichkeiten, die von schlauen Leuten bestimmt schon in den Plan des großen Ganzen eingewoben sind.
Dennoch wird eine merkliche Ermüdung bei den Zuschauenden nicht ausbleiben. Forever Wakanda? Zumindest wird Ryan Coogler Teil Drei realisieren. Aber die nun abgeschlossene Phase Vier des MCU, wirft noch zu viele Fragen auf, die nur durch Spekulationen gemildert werden können, für den unbelasteten Kinogänger aber unbedeutend bleiben. Und mit der Aussicht auf die Einverleibung der X-Men und den Fantastischen Vier, das kaum zu erklärende Multiversum nicht zu vergessen, wird es nur komplizierter.
Mittlerweile sind die Zeiten vor dem Computer manchmal spannender als der vorangegangene Film. Wenn man versucht den Vorgaben durch die Comics auf den Grund zu gehen, Figuren und ihre Bestimmung zu entschlüsseln, und unverständliche Handlungsteile in einen Kontext zu bringen. Das hat einen Reiz, der aber nicht überreizt werden sollte. Niemand möchte sehen, wie Quentin Tarantino Recht behält.
Darsteller: Letitia Wright, Lupita Nyong’o, Danai Gurira, Angela Bassett, Tenoch Huerta, Martin Freeman, Dominique Thorne, Winston Duke, Florence Kasumba u.a.
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler, Joe Robert Cole
Kamera: Autumn Durals Arkapaw
Bildschnitt: Kelley Dixon, Jennifer Lame, Michael P. Shawyer
Musik: Ludwig Göransson
Produktionsdesign: Hannah Beachler, Jason T. Clark
USA / 2022
161 Minuten