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– Bundesstart 30.06.2022
Ein extrem reicher Geschäftsmann blickt an seinem achtzigsten Geburtstag zurück, wie wohl sein Vermächtnis aussehen wird. Nur Geld und viele Stiftungen, die bekanntlich dazu da sind, Steuern zu sparen und noch mehr Geld zu horten. Vielleicht sollte er eine wichtige Brücke errichten lassen, die seinen Namen trägt. Da fällt ihm noch etwas viel besseres ein. Er will den besten Film aller Zeiten produzieren, um seinen Namen, Humberto Suárez, für die Ewigkeit ins Gedächtnis der Menschen zu brennen. Er lässt für Unsummen die Rechte an einem vielversprechenden Roman kaufen, ohne diesen überhaupt gelesen zu haben, oder zu wissen worum es geht. Humberto lässt die mit Preisen überhäufte Ausnahmeregisseurin Lola Cuaves engagieren, ohne ihre Filme zu kennen. Und der Unternehmer lässt die besten Darsteller Spaniens besetzen, Félix Rivero und Iván Torres, welche die Arbeitsweise des jeweils anderen auf den Tod nicht ausstehen können.
9 Spielfilme und 4 Dokumentationen haben Gastón Duprat und Mariano Cohn zusammen gedreht. Manchmal aufgeteilt in Schreiben und Inszenierung, manchmal alles im Duo. Nicht zu vergessen unzählige Fernseharbeiten. Die beiden Argentinier kennen sich aus im Geschäft, in diesem Sinne können sie den BESTEN FILM DER WELT sauber in zwei Linien aufteilen, die sich aber ganz elegant ineinander verdrehen. Da ist zum einen die wundervoll subtile Komödie, und zum anderen die bissige Satire.
Manchmal ergänzen sich diese zwei Linien, wenn sich zum Beispiel die beiden Hauptdarsteller bei den Proben in Gestalt ihrer Charaktere beschimpfen müssen, dies aber von ganzem Herzen an ihr reales Gegenüber richten. Manchmal heben sich diese beiden Stränge aber auch gegenseitig auf, wie bei der Shredder-Sequenz im Theater. Aber irgendwie funktioniert der Film trotzdem, was nicht nur alleine, aber hauptsächlich den exzellenten Darstellern zu verdanken ist.
Penélope Cruz ist eine extrovertiert unberechenbare Regisseurin, die selbst nicht genau weiß, ob sie Nouvelle Vague oder neues amerikanisches Kino sein will. Während sich Banderas in seiner für Hollywood typischen Bekanntheit suhlt, übt Martínez im Badezimmer seine Oscar-Ansprache in der er den Preis ablehnt. Alleine den wunderbaren Darstellern zuzusehen ist eine wahre Freude. Das argentinische Regieduo Duprat und Cohn lassen den Protagonisten aber auch ausreichend Zeit, geben ihnen viel Raum.
Die Regisseure können das Vorbild François Truffaut nicht leugnen. Die auffallend langen Einstellungen, die Möglichkeit jede der Figuren ausgiebig zu betrachten, ihr geradezu perfektes Spiel regelrecht zu studieren. Wann sind sie in ihren Rollen, wo sind Lola, Felix oder Iván sie selbst. Aberwitzige Situationen gehen einher mit haarscharf getroffener Charakterzeichnung. Insider-Details des Filmgeschäfts sind präzise behandelt, ohne den gerne bemühten Wink mit dem Zaunpfahl, und ohne pseudo-witziges Augenzwinkern Richtung Zuschauer.
Die Location des unbenutzten Bürokomplexes der für die Proben genutzt wird, ist schon ein Charakter für sich, den Kameramann Arnau Valls Colomer atemberaubend zu nutzen versteht. Die auf exakt kadrierte, meist symmetrische Einstellungen ausgerichtete Bildgestaltung lässt die Darsteller in dem monumentalen Bauwerk immer wieder hilflos verloren erscheinen. Mit gespiegelten oder verkanteten Perspektiven visualisiert Colomer aber auch sehr gerne die verdrehte Realität bestimmter, inhaltlicher Elemente.
DER BESTE FILM ALLER ZEITEN ist ein hintersinniger Blick auf das Filmgeschäft, und spezieller auf die damit einhergehenden Eitelkeiten. Mit präzisen Einschüben funktioniert er auch immer wieder als Auseinandersetzung über die Ideologien von Mainstream und Arthouse. Dennoch vermeiden die Filmemacher sehr strikt, dem Publikum die Bürde von Insider-Wissen und Vorkenntnis aufzuerlegen. Die zwei differenzierten Erzähllinien von bissiger Satire und subtilem Humor unterhhalten in alle Richtungen.
Es bleibt nicht aus, dass sich das Konzept des reinen Schauspielkinos in dieser leicht absurden Form, im Laufe etwas abträgt. Es wird auch schnell deutlich, dass wir als Zuschauende keine Dreharbeiten für den besten Film aller Zeiten sehen werden. Das verspielt sich allerdings immer wieder, weil die kapriziösen Regieeinfälle immer wieder eine erfrischend witzige Spannung generieren. Die absurde Energie können Gastón Duprat und Mariano Cohn nicht durchweg aufrecht erhalten, aber ihr Film bleibt bis zum Ende unterhaltsam. Mit einer bösen, aber inhaltlich stimmigen Schlusspointe. Hmm, eigentlich zwei Schlusspointen.
Darsteller: Penélope Cruz, Antonio Banderas, Oscar Martínez, José Luis Gómez, Manolo Solo, Naguro Aramburu, Irene Escolar u.a.
Regie: Gastón Duprat, Mariano Cohn
Drehbuch: Andrés Duprat, Gastón Duprat, Mariano Cohn
Kamera: Arnau Valls Colomer
Bildschnitt: Alberto del Campo
Musik: Eduardo Cruz
Produktionsdesign: Alain Bainée
Argentinien – Spanien / 2021
115 Minuten