END OF SENTENCE
– Bundesstart 15.12.2022
Die Ambivalenz des Titels, END OF SENTENCE, ist eine wunderbare Bereicherung, welche die Reise von Vater und Sohn unterstreicht. Das linguistische für den Satz, und das juristische für einen Urteilsspruch. Den beiden Entfremdeten haften alle Bedeutungen an, die erst einmal jeder für sich klären muss, bis sie sich darüber schließlich einander annähern können. Der Autodieb Sean wird aus dem Gefängnis entlassen, ein junger impulsiver Mann, der sehr viel Zorn in sich trägt. Sein Vater Frank holt ihn ab, um Sean für eine gemeinsame Reise zu gewinnen, ein sehr stiller Mensch, mit dem Hang stets zurück zu stecken. Es war Anna Fogles letzter Wunsch, dass ihre Asche an einem bestimmten Ort in Irland verstreut wird. Die an Krebs verstorbene Frau von Frank, und somit Seans Mutter, bestand darauf, dass beide die Reise zusammen unternehmen. Anna hat ihren letzten Wunsch darauf ausgelegt, dass Frank und Sean sich ihrem gestörten Verhältnis stellen – END OF SENTENCE.
Im Aufbau seines Regiedebüts bietet Elfar Adalsteins wenig Überraschungen. Das Drama ist eine konventionelle Konfliktgeschichte, die durch die Darsteller und weniger durch seine Figuren getragen wird. Wobei es durchaus seinen Reiz hat, dass sich Frank und sein Sohn, ebenso die später hinzukommende Jewel, eben nicht durch Vielschichtigkeit auszeichnen, sondern konstant in ihrer Wesensart gefangen bleiben. Es ist interessant zu beobachten, wie sie sich dennoch durch die Handlung manövrieren.
Als sich Sean bereit erklärt seinen Vater zu begleiten, geht es von Alabama nach Irland. Dort gibt es nach irischer Art eine Totenwache mit Annas Familie. Und Sean, nach einigen Jahren im Gefängnis, lernt dort die einsame Jewel kennen. Währenddessen muss Frank etwas erfahren, was sein bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Es ist zirka die Mitte des Films, wenn die Handlung einen signifikanten Haken schlägt. Möchte man in diesem sonst absehbare Drama trotz allem überraschende Originalität finden, dann an diesem Punkt.
Fast 4000 Meilen von der Heimat entfernt, gerät der interkontinentale Roadtrip in ein zwischenmenschliches Chaos zu führen, das die gesetzten Intentionen auflösen würde. Für die Zuschauenden ergeben sich dabei kaum noch handlungsbedingte Spannungsspitzen. Adalsteins verliert in der zweiten Hälfte die Geschichte immer wieder aus den Augen, weil er mit Franks schicksalshafter Konfrontation im weiteren Verlauf wenig anzufangen weiß. Aber das kann John Hawkes mit seinem zurückgenommen Spiel immer wieder abfedern.
Entweder hat Hawkes ein sehr gutes Näschen (Kalauer beabsichtigt), oder einen verdammt guten Agenten. Kaum ein Schauspieler besitzt ein größeres Portfolio an unterschiedlichen Rollen, ohne sich zu wiederholen. Und mit Frank Fogle ist erneut eine vollkommen neue Person im Repertoire von John Hawkes zu verzeichnen. Er allein trägt diesen Film, es ist das ruhige Wesen von Frank, und seine ungewöhnlich phlegmatische Passivität.
Hawkes erstaunt und fasziniert, und das geht zu Lasten von Logan Lerman. Dessen Ex-Sträfling Sean nicht über das Klischee des emotional Verwirrten hinauskommt, der nur vorgibt ein gefühlskalter Rohling zu sein. Lerman hat die lockeren Jahre des PERCY JACKSON längst hinter sich gelassen. Für einen mit allen Wassern gewaschenen Verbrecher, fehlt ihm schlicht die rohe Energie um zu überzeugen. Das wäre umso wichtiger gewesen, weil die Inszenierung unklugerweise, aber bewusst auf das Klischee in dieser Rolle setzt.
Michael Armbruster Drehbuch ist ein Versuch, die altbekannten Handlungselemente von Zerwürfnis, Annäherung und Versöhnung für etwas eigenes zu nutzen. Da gelingen große Sprünge mit der Figur Frank Fogle, stolpert dann bei Darsteller Logan Lerman, und stürzt letztendlich mit dem dramaturgischen Aufbau des Buches. Denn END OF SENTENCE kann sich nie entscheiden ob er ironische Tragödie, leichte Unterhaltung, oder Melodram sein möchte. Elfar Adalsteins hat von allem etwas aufgenommen, wagt aber in keine Richtung einen entschlossenen Schritt.
Das Ergebnis ist ein Schauspiel, dass halbherzige Versuche nicht verzeiht. Wenn Adalsteins komisch sein möchte, ist er das nicht konsequent genug. Die unterschwellig vorhandene bittere Ironie wird nie klar, was am Ende immer wieder verwirrt, und auch die Aufrichtigkeit in der Erzählung ins Wanken bringt. END OF SENTENCE ist nicht unbedingt unansehnlich oder langweilig, aber es hat einen Grund, warum die 24 Bilder Filmagentur den bereits drei Jahre alten Film erst jetzt ins Kino bringt. Bei den in der Vorweihnachtszeit ohnehin zurückgeschraubten Geschäfte an den Kinokassen, dürfen Filme wie dieser durchaus Verluste machen. Der Schaden wäre gering, die nächsten Projekte mit John Hawkes ohnehin schon abgedreht.
Darsteller: John Hawkes, Logan Lerman, Sarah Bolger, Andrea Irvine, Ólafur Darri Òlafsson, Denis Conway, Lalor Roddy, David Grant Wright, Marion O’Dwyer u.a.
Regie: Elfar Adalsteins
Drehbuch: Michael Armbruster
Kamera: Karl Oskarsson
Bildschnitt: Guðlaugur Andri Eythórsson, Kristján Loðmifjörð, Vladis Óskarsdóttir
Musik: Petur Thor Benediktsson
Produktionsdesign: Ray Ball
Irland, USA / 2019
96 Minuten