CHASE – Nichts hält ihn auf

Last Seen Alive - Copyright LEONINE ENTERTAINMENTLAST SEEN ALIVE
– Bundesstart 15.09.2022

Der 1988 gedrehte niederländische Thriller SPURLOS VERSCHWUNDEN hatte einen immensen Einfluss auf das Genre des Psychothrillers. An einem öffentlichen Ort, in vermeintlicher Anwesenheit des Partners, verschwindet eine geliebte Person spurlos. Thematisch wurde dieses Narrativ schon des Öfteren in diverse Genre-Richtungen ausgelegt. Psycho-Drama, Thriller, Action-Spektakel. Denis Villeneuve hat das mit PRISONERS in einer grandiosen Variation und Kombination aller Bereiche auf die Spitze getrieben. Weniger subtil hingegen ist jetzt Brian Goodmans Auslegung dieses Themas. Mit Autor Marc Frydman hat Goodman schon 2017 BLACK BUTTERFLY umgesetzt. Und im Falle von CHASE – LAST SEEN ALIVE muss man ihnen zugestehen, zumindest das Ursprüngliche in diesem Thriller-Bereich erfüllen zu können.

Während Will tankt, holt sich Lisa etwas zu trinken. Wenige Minuten später ist sie spurlos verschwunden. Niemand will sie gesehen haben. In Lisas Elternhaus nur fünf Meilen weiter, ist man entsetzt. Die Eltern wissen von den Eheproblemen. Auch Detective Paterson von der örtlichen Polizei, konzentriert seine Untersuchungen erst einst einmal auf die Unstimmigkeiten in der Ehe. In seiner nachvollziehbaren Verzweiflung, beginnt Will selbst Initiative zu ergreifen, was ihn schnell auf Ungereimtheiten aufmerksam macht.

Innerhalb dieser konservativen Erzählstruktur werden in CHASE einige Hinweise gestreut, die man anerkennend als raffiniert bezeichnen muss. Aber diese Hinweise wirken nicht als falsche Fährten. Der Zuschauer wird nicht plump hinters Licht geführt, stattdessen werden interpretierbare Aussagen offeriert. Was in einer Szene wie ein Fakt gesetzt wirkt, verschwimmt schon wieder in der nächsten, oder wirft weitere Frage auf. Der grundsätzlich vorhersehbare Handlungsverlauf bekommt eine eigene Dynamik.

Dieses Mal ist der Held kein Ex-Marine oder Special-Ops-Soldat, Will darf Projektentwickler für Häuser sein. Entsprechend ungelenk verhält er sich im Umgang mit Gefahrensituationen, und später auch im Umgang mit Waffen. Hier steht dem Film aber die Reputation des Hauptdarstellers im Wege, der bekannt wurde, weil er stets der Mann fürs Grobe ist. Gerard Butler wird nur sehr selten Ausflüge ins Charakterfach gegönnt, und wenn dann in Schmonzetten wie zum Beispiel P.S.: I LOVE YOU.

Last Seen Alive 2 - Copyright LEONINE ENTERTAINMENT

 

Als glückloser Ehemann darf Butler ein gutes Repertoire an Verzweiflung, Wut und Leidenschaft ausspielen. Und man nimmt ihm das auch ab. Aber leider sieht die Inszenierung auch vor, dass dem gehetzten Will irgendwann eine Pistole in die Hand fällt, und der Film damit in Gefilde abfällt, die ihn beliebig machen. Es ist eben schwer, Gerard Butler gegen sein Image besetzt zu sehen. Von dem was er sein könnte, wechselt der Film dann doch zu dem was er nicht erfüllen kann.

Es ist schwer auszumachen in welchen Bereichen sich Peter Holland und Mark Nguyen die Bildgestaltung geteilt haben, oder doch gemeinsam entworfen haben. Sie folgen hauptsächlich dem Konzept von Point of View mit Schulterkamera. Was Betrachtenden die gehetzte Perspektive des Protagonisten demonstrieren soll, macht das Bild nur unruhig. Die Kameraleute gehen der irrigen Meinung, man könnte Wills Psyche seiner überforderten Gedankenwelt mit optisch schwer fassbaren Motiven gleichsetzen.

Was der Geschichte fehlt, ist eine starke Regie, die durchaus mit den Versatzstücken zu spielen versteht, aber darüber hinaus etwas wagt, das immer wieder gegen den Strich bürstet. Das fängt bei den Figuren an, die von ihren Schauspielern keine Tiefe bekommen. Gerade bei Lisas Eltern, Bruce Altman und Cindy Hogan, sowie Russell Hornsby als Detective Paterson kann man nicht unterscheiden, ob sie nur schlecht inszeniert sind, oder am Ende doch eine bösartige Agenda heben. Lediglich Ethan Ambry kann als unglückseliger Hinterwäldler überzeugen, und neben Butler die Geschichte aufwerten.

Es überrascht nicht, dass das Ende dann relativ unspektakulär ausfällt und eher als Pflichterfüllung funktioniert. Die Hoffnung auf einen clever konstruierten Showdown sollte man beim Kauf der Karte abgeben. Die ganze Laufzeit über fällt auf, dass der Film durchaus könnte, aber nicht darf. Der solide Thriller kommt aus dem Korsett eines schwachen Drehbuchs nicht heraus, weil die Regie nichts damit anzufangen weis. Gerard Butler ist immer noch der Mann fürs Grobe, darin enttäuscht er nicht. Aber es wäre mehr möglich gewesen.

Es wird nicht das letzte mal gewesen sein, dass unter den Augen eines Angehörigen eine geliebte Person auf einer Tankstelle verschwindet. Dann wird man sich wieder an SPURLOS VERSCHWUNDEN von 1988 erinnern. CHASE – LAST SEEN ALIVE wird lediglich als Gerard Butler-Vehikel bleiben. Eine von Psychothriller zu Actionfilm wechselnde Abendunterhaltung, die Zeit vertreiben kann, aber keine Ansprüche erfüllt.

Last Seen Alive 1 - Copyright LEONINE ENTERTAINMENT

 

Darsteller: Gerard Butler, Jaimie Alexander, Russell Hornsby, Ethan Embry, Michael Irby, Cindy Hogan, Bruce Altman u.a.
Regie: Brian Goodman
Drehbuch: Marc Frydman
Kamera: Peter Holland, Mark Nguyen
Bildschnitt: Julia Wong
Musik: Sam Ewing
Produktionsdesign: Grant Armstrong
USA / 2022
95 Minuten

Bildrechte: LEONINE Entertainment
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