Netflix – 09.04.2021
Zwei beleibte Superheldinnen zwängen sich in ihr Team-Mobil, ein schnittiger lila Lamborghini. Und die Körperfülle macht beiden auch zu schaffen, dasselbe Fahrzeug wieder zu verlassen. Das ist so ziemlich der einzige humorvolle Ansatz, den THUNDER FORCE mit den Formen seiner zwei weiblichen Protagonisten richtig ausspielt. Und dies in einem Film, dessen Prämisse augenscheinlich die Divergenz zwischen gemütlichen Übergewicht und dem Weltbild eines Superhelden sein soll. In der Hoffnung damit nicht in eine Chauvinisten-Falle zu tappen, muss man noch dazu sagen, dass Octavia Spencer und Melissa McCarthy als Darstellerinnen an sich funktionieren. Aber sie haben beide einen relativ normalen Körperbau für einen Film, der als Humorgrundlage etwas anderes angepeilt hat. Noch dazu, wo Octavia und Melissa von ihren Kostümbildnern Kendra L. Patterson und Dawn M. Williams perfekt sitzende und extrem vorteilhafte Uniformen angepasst bekamen. Da gehen Absicht und Wirkung vollkommen auseinander. Doch das soll nicht das Problem von THUNDER FORCE sein.
Im Jahr des Herrn 1983 bringt ein kosmischen Ereignis die Weltordnung durcheinander. Ein massiver Impuls von kosmischer Strahlung verändert die genetische Veranlagung von Menschen, und verleiht ihnen unterschiedlichste Superkräfte. Allerdings nur von Sozio- und Psychopathen, die im neuen Gesellschaftssystem nur Miscreants genannt werden. Über 35 Jahre später hat die Wissenschaftlerin Emily Stanton ein Mittel gefunden, sich selbst zum Superhelden zu machen, damit sie die Miscreants endlich bekämpfen kann. Schließlich haben solche Exemplare seinerzeit ihre Eltern getötet. Emilys alte Jugendfreundin Lydia wirft in ihrer chaotischen Art erst einmal alle Pläne über den Haufen, erweist sich im weiteren Verlauf aber dann doch als nützliches Mittel zum Zweck.
Der Film braucht nicht sehr lange, um seinem Publikum klar zu machen, dass es innerhalb der Handlung nicht sehr kompliziert wird. Tatsächlich hangelt sich THUNDER FORCE, geschrieben und inszeniert von Ben Falcone, von einem vorhersehbaren narrativen Element zum nächsten. Nicht sehr raffiniert, eher uninspiriert flach. Wenn jemand sagt, fass es auf gar keinen Fall an, dann wird es mit Sicherheit angefasst. Wenn die Jugendfreundinnen sich ewige Treue schwören, dann haben sie nach einem Zeitsprung von 20 Jahren ins Heute, seit 20 Jahren kein Wort mehr miteinander geredet. In dieser Weise geht es von Handlungspunkt zu Handlungspunkt.
Wer glaubt Ben Falcone nicht zu kennen, er ist der Gatte von Melissa McCarthy, und in all seinen Filmen spielt sie die Hauptrolle. Spielt McCarthy unter einer anderen Regie, hat Falcone immer eine kleine aber sehr feine Rolle. Überhaupt ist THUNDER FORCE eher ein kleines Familien- und Freundschaftsfest, so ähnlich wie Dennis Dugans GROWN UPS-KINDSKÖPFE, nur sich so infantil dumm. Alle Hauptprotagonisten haben schon einmal, oder mehrere male zusammen gearbeitet. Und McCarthy und Octavia Spencer sind ohnehin seit über 20 Jahren dicke Freundinnen, auch im wirklichen Leben.
Wie vermehrt bei Netflix-Produktionen, hat das Budget eine geheime Identität. Ob das mit den Special-Effects einhergeht, ist reine Spekulation. Ziemlich ausufernd sind diese jedenfalls nicht. Wer Erbsen zählt, kann auch sehen, dass man sich in einigen Sequenzen den ein oder anderen Zwischenschnitt gespart hat, der mit einem Effekt die Szene optisch noch aufregender gemacht hätte. Aber Tia Nolans Schnitt kann das geradezu perfekt übergehen. Man hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, wirklich etwas zu vermissen, oder das der Film dadurch einen billigen Eindruck bekommt. Eigentlich ist es vom cineastischen Standpunkt aus gesehen sogar sehr erfrischend, dass ein Film in dieser Sparte auch mit weniger Bombast ganz großartig aussehen kann.
Aus seiner Prämisse macht THUNDER FORCE also sehr wenig. Der Handlungsverlauf ist denkbar einfach. Dafür spielen alle Darsteller, als wäre es das Vergnügen ihres Lebens. Aber im Gesamten kann Ben Falcone keine wirklich zündende Superhelden-Persiflage starten, dafür wird er zu oft und manchmal an den falschen Stellen zu ernst und zu sentimental. Und vor allem hätte die ganze Belegschaft etwas mehr Augenmerk auf Octavia Spencer legen müssen, die durchaus lustig kann, aber gegenüber ihren Mitspielern nicht die Routine in Timing und Improvisation spüren lässt. In einigen Szenen wirkt sie etwas verloren, und das hätte Regisseur Falcone durchaus in den Griff bekommen müssen.
Bis dahin müsste man sagen, dass THUNDER FORCE vergebene Liebesmühe ist. Wären da nicht diese Dialoge. Unablässig kommt es diesen speziellen Wortwechseln, die schlichtweg schreiend komisch sind. Und der Film lässt keine Gelegenheit aus, selbst den unbedeutendsten Satz in die vollkommene Absurdität zu steigern. Da stimmt jedes Wort, sitzt das Timing, und manchmal wird einem vor lauter Aberwitz richtig schwindlig, dass man die eigentliche Intention des Dialoges vollkommen aus den Ohren verliert. Und dies alles in einer Abfolge, die förmlich danach schreit, sich THUNDER FORCE noch einmal anzusehen.
In diesem Zusammenhang sollte man dann auch Tony nicht vergessen, der Sparringspartner von Lydia. Der schmucke, ansehnliche Isaac Hayes bekommt als Running-Gag immer wieder die Macht von Superkräften zu spüren, die er mit gekränkten Stolz über sich ergehen lassen muss. So nebenbei und unaufdringlich wie sich Tonys Szenen integrieren, hätte dem Film an Humor und witzigen Einfällen mehr als gut getan. Und weil wir schon dabei sind. Jason Bateman, der wirklich jede Szene stiehlt. Selten hat ein Darsteller mit einem so unsinnigen Kostüm, aber derart ausgeprägter Gelassenheit soviel Freude bereitet. Das ist THUNDER FORCE.
Mission accomplished? Ja, irgendwie dann doch.
Darsteller: Melissa McCarthy, Octavia Spencer, Jason Bateman, Bobby Cannavale, Melissa Leo, Tai Leshaun, Mia Kaplan, Kevin Dunn, Pom Klementieff u.a.
Regie & Drehbuch: Ben Falcone
Kamera: Barry Peterson
Bildschnitt: Tia Nolan
Musik: Fil Eisler
Produktionsdesign: Bill Brzeski
USA / 2021
106 Minuten