THINGS HEARD & SEEN

Things HaS - Copyright NETFLIXNetflix ab 29.04.2021

In Springer Bermans und Pulcinis Esotherik-Horror THINGS HEARD & SEEN wird sehr viel und bemerkenswert eindringlich über den Theosophen Emanuel Swedenborg geredet. Er wird unentwegt zitiert und ist so in die Geschichte eingewoben, dass man noch während des Films versucht ist, das Internet über diesen Mann zu befragen. Die Versuchung wird dadurch etwas gesteigert, weil die beiden Regie-Eheleute nicht unbedingt den Spannungsfilm gemacht haben, den der Zuschauer vielleicht erwartet hat. Dies mit dem Adjektiv langweilig zu belegen wäre aber auch falsch. Doch unvoreingenommen und offen heran zu gehen, sei jedem angeraten, um THINGS HEARD & SEEN nicht voreilig in die Zwischenwelt zu schicken.

Als der junge Professor George mit seiner Frau Catherine und der gemeinsamen Tochter wegen einer Stelle aufs Land zieht, hat der Zuschauer bereits in einem verstörenden Vorausblick erfahren, dass dieser Umzug nichts Gutes bringen wird. Während die Großstädterin Catherine mit der Abgeschiedenheit zu kämpfen hat, genießt George seine College-Anstellung und sein rasch steigendes Ansehen bei Kollegen und Studenten. Obwohl Amanda Seyfrieds Dauerpräsenz in Kino und Stream grundsätzlich gerechtfertigt ist, kann sie ihrer Figur am Rande der Frustration nur wenig Tiefe verleihen.

Das liegt, das merkt man schnell, an Kamera und Regie, die sich zu sehr auf Amandas große Augen verlassen, anstatt auf die gegebenen Möglichkeiten. Die junge Frau wirkt im Spiel ein wenig unterfordert, gerade in den mystischen Szenen, bei denen sich Catherine selbst nicht sicher sein kann, ihren eigenen Sinnen trauen zu können. In eben jenen Szenen, wo dem Zuschauer ganz offen gezeigt wird, dass die Geschehnisse kein Spiel mit der Phantasie sind, und auch keine Täuschung der Wahrnehmung.

Warum sich eine gefestigte Frau wie Catherine, so schnell und unreflektiert dem Okkulten ergibt, ist nicht wirklich nachvollziehbar. An Amandas Spiel liegt es keineswegs, eher an der Erzählweise, die wesentlich mehr Zeit bräuchte, um der Geschichte einen realistischeren Unterbau für Handlung und Charaktere einzuräumen. Doch die geistigen Erfinder haben die erste Hälfte des Drehbuchs verfasst, als ob sie noch nicht genau wüssten, wie sie ihre Geschichte einordnen wollen.

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Die Prämisse stützt sich auf die von Swedenborg gegründete Lehre, dass alles aus Gott kommt und die Seele der Mensch sei, der Körper nur sein Organ. Das irdische Reich ist gleichbedeutend mit der geistigen Welt, einhergehend entstehen Verbindungen nur zwischen Menschen und geistigen Entitäten mit gleichen Wesenszügen. Unterstützt von Georges Vorgesetzten Floyd DeBeers, ein von Seancen begeisterter Swedenborgianer, kann Claire die mysteriösen Vorkommnisse in ihrem neuen Heim erklären. In diesem Zusammenhang trifft sie aber ein neue, beunruhigende Erkenntnis. Wenn sich zu dem guten, auch noch ein böser Geist im Haus aufhält, wer ist dann das irdische Gegenstück zu diesem?

So interessant sich die Erzählung auch aufbaut, und mit dem esoterischen Hintergrund vertraut scheint, vernachlässigen die Autoren ihre Charakterentwicklung vollkommen. Dabei ist Catherine noch am ausgereiftesten. Doch gerade bei George erfährt der Zuschauer immer erst hinterher, was diesen zu bestimmten Entscheidungen und Taten hinreißt. Das geht vollkommen an der Wirkung von Spannung und Überraschung vorbei, wenn gewisse Wesenszüge mit etwas Vorkenntnis absehbar gewesen wären. Die Macher stellen aber eindeutig einen unehrlichen Überraschungseffekt vor nachvollziehbarer Charaktereigenschaften.

Aber auch Swedenborgs Lehre scheint nur als interessantes Konstrukt gewählt worden zu sein. Die Macher können damit viel erklären und geschehen lassen, ohne eigene Welten dafür kreieren zu müssen. Viel zu selbstverständlich und oberflächlich wird diese Grundlage genutzt, ohne den Beobachter in eine intellektuelle Auseinandersetzung zu versetzen. Es wäre die Möglichkeit gewesen sich tatsächlich vom Gros von verfilmten Geistergeschichten abzuheben. Und in Zeiten wo Atheismus modisch aber nicht begründet ist, hätte dies ein herausforderndes Potential gehabt.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die wenigen Schreckensmomente sehr effektiv und mit hohem Gruselfaktor eingesetzt sind. Zudem kann das Autoren- und Regie-Paar Shari Springer Berman und Robert Pulcini im letzten Akte der inkohärenten Erzählung ein dynamisches und nervenaufreibendes Finale inszenieren. In der letzten halben Stunde verlieren sie keine Zeit und verzichten auf jede Art unnötiger Füllmomente. Zudem fordern sie durchaus auch eine gewisse Selbstständigkeit des Zuschauers, wenn unvermeidliche Situationen eben nicht auch noch optisch ausgewälzt werden, wie im Genre sonst üblich.

Wenn der Abspann läuft, wird sich der Freund wohligen Grusels durchaus unterhalten fühlen. Das liegt nicht nur am einnehmenden Finale, sondern hauptsächlich an seinem sehr passend gewählten Ensemble, welches leider immer wieder gegen eine unzureichende Figurenführen von Seiten der Regie anspielen muss. Aber auch ohne sein volles Potential ausgenützt zu haben, kann sich THINGS HEARD & SEEN einen respektablen Platz bei den Geisterhaus-Thrillern sichern. Und ohne etwas zu verpassen, kann man sich dann immer noch ausreichend mit den Lehren des Emanuel Swedenborg beschäftigen. Wenn denn einem danach sein sollte.

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Darsteller: Amanda Seyfried, James Norton, Ana Sophie Heger, Rhea Seehorn, F. Murray Abraham, Alex Neustaedter, Natalia Dyer u.a.
Drehbuch & Regie: Shari Springer Berman & Robert Pulcini
nach dem Roman ‚All Thing Cease To Appear‘ von Elizabeth Brundage
Kamera: Larry Smith
Bildschnitt: Louise Ford, Andrew Mondsheim
Musik: Peter Raeburn
Produktionsdesign: Lester Cohen
USA / 2021
121 Minuten

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