THEY WISH ME DEAD

THOSE WWMD - Copyright WARNER BROSTHOSE WHO WISH ME DEAD
– ab 04.06.2021 bei SKY Cinema

Taylor Sheridan hat als Drehbuchautor mit seinem Debut SICARIO einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nur ein Jahr später bewies er sich als kreative Konstante, indem er den vollkommen unterschätzten und kaum beachteten HELL OR HIGH WATER folgen ließ. Ein unglaublich intensives Script, dass etwas heraus hob, was man als etwas wie Sheridans Markenzeichen bezeichnen kann. Die Charaktere geben Handlung und Handlungsverlauf vor. Die Geschichte ist gleichzeitig vielschichtige Milieustudie aus der sie erwächst. Die Figuren sind Helden die keine sein wollen, und Übeltäter die nichts dafür können. Das Gefühl eines Actionfilms ist nur oberflächlich, es intensiviert sich durch Charaktere um die wir uns sorgen, für die wir etwas empfinden, die zu uns eine Beziehung aufgebaut haben. Krönend dafür ist die in Europa sträflich vernachlässigte Serie YELLOWSTONE, die bereits in drei Staffeln die Geschichte einer Viehzüchterdynastie im Heute erzählt, und dies im Cowboy und Western Ambiente. Nach VILE und WIND RIVER, ist THOSE WHO WISH ME DEAD erst die dritte Spielfilmregie für Sheridan. Und was wir bei ihm an Gespür für Charakterzeichnung und Erzählstruktur schätzen und lieben gelernt haben, findet sich in diesem Film kaum noch.

Sie hat das, was man als Feuerspringer braucht. Sie ist zäh und furchtlos, und Hannah Faber hat sich in einer Männerdomäne behauptet. Doch zum Glück ist der Film weit davon entfernt, dies als Statement zu behandeln. Aber genauso weit weg ist der Film von der Darstellung, was genau der Job von Feuerspringern ist. Im weitesten Sinne bekämpfen sie nämlich nicht das Feuer, sondern bereiten die Löscharbeiten für die Feuerwehr vor. Außerdem sind sie nicht dem Landkreis unterstellt, sondern der Forstbehörde im Ministerium für Agrarkultur. Das ist keine Erbsenzählerei, sondern wesentlich bei einem Film, der seine gesamte Handlung darauf aufbaut, und vorgibt, dass ihm diese Arbeit ein Anliegen ist.

Nichtsdestotrotz hat Hannah ein Problem, und wegen dieses Problems darf sie nicht mehr springen, sondern muss Dienst im Aussichtsturm machen, das Wetter beobachten und nach Rauchentwicklung Ausschau halten. Leider glaubt Sheridan, mit Hannahs Schwierigkeiten eine Art mystische Spannung aufbauen zu können. Doch da hat der Regisseur schon soviele Handlungselemente eingeworfen, das Hannahs Geheimnis schon klar erkennbar ist, bevor selbst in Andeutungen das erste Wort darüber gesprochen wird. Auch wenn es schwer zu definieren ist, aber jede Szene ist so inszeniert, dass ihre Auflösung lange vorweg genommen wird.

Der Film beginnt mit zwei Auftragskillern, die einen Job so perfekt erledigen, das es umgehend in den Nachrichten gesendet wird. Das bringt einen forensischen Rechnungsprüfer in Panik, der sich mit seinem Sohn sofort auf die Flucht begibt. Es ist erstaunlich, wie präzise Taylor Sheridan seine einführenden Sequenzen erzählt. Da gibt es kaum Spielraum, keine unnötigen Worte. Das ist nicht nur elegant, sondern sogar sehr spannend, weil der Film auf jeglichen Hintergrund verzichtet, und sich exakt auf den Moment konzentriert.

THOSE WWMD 2 - Copyright WARNER BROS

 

Und dann kommt Angelina Jolie ins Geschehen. In ihren künstlerischen Ambitionen hat Jolie selten wirklich daneben gelegen. Stark am Ziel vorbei ging ihre egozentrischen Selbstverwirklichung BY THE SEA. Aber grundsätzlich hat sie sich hinter und vor der Kamera schon immer als sehr vielschichtig und sicher bewiesen. Das wirft bei THOSE WHO WISH ME DEAD Fragen auf. Noch vor zehn Jahren hat sich die heutige 46-Jährige mit Wucht aber auch viel Eleganz durch überzeichnete Action-Knaller wie SALT und WANTED geballert und gekloppt. Genau das wäre ihr heute noch ebenso grazil zu zutrauen. Aber Taylor Sheridan weiß, oder will das nicht nutzen.

Stattdessen inszeniert er Hannah als derbes Ungestüm, die den Anschein erweckt derbe Kerle imitieren zu wollen. Die Arbeitsklamotten wirken bei Angelina wie maßgeschneiderter Modetrend. Und sie ist definitiv für ihren Charakter viel zu exaltiert geschminkt. Man nimmt ihr schlichtweg eine verwegene Feuerspringerin nicht ab. Verstärkt wird dieser ungünstige Eindruck noch von Ben Richardsons Kamera, der Frau Jolie in den Szenen genau nach den emotionalen Stimmungen ablichtet, als würde sie für einen Werbekalender fotografiert werden. Eigentlich müsste sie die Herausforderungen an diese Figur direkt nach dem aufstehen ohne Kaffee mit einem Schulterzucken hinter sich bringen. Doch die Tausendsassa macht den Eindruck, als wolle sie ihre Unterforderung unbedingt zum Ausdruck bringen.

Ganz anders hingegen Aidan Gillen und Nicholas Hoult, die ein mörderisch gutes Gespann abgeben. Den beiden könnte man in ihren perfekt ineinandergreifenden Abläufen und präzis professionellen Dialogen viel länger zusehen und -hören. Es ist selten, das man in herkömmlichen Thrillern und Actionfilmen so Angst einflößende Schurken zu sehen bekommt. Ihre Brutalität geht eigentlich von ihrer regungslosen Kaltblütigkeit aus. Das sich der Film in den Szenen mit den Killern selbst widerspricht, ist eines der vielen hässlichen Nebenprodukte in der Inszenierung. So steht die Ausführung des ersten Mordes im krassen Gegensatz zum zweiten Anschlag, obwohl die Vorgaben ganz klar verständlich sind. Handlungselemente werden zum Selbstzweck den Bedürfnissen für spektakuläre Szenen angepasst.

Dabei ist Taylor Sheridans Film als Mischung von Actionfilm und Thriller durchaus perfekt strukturiert. Die zuerst vier, später dann drei Handlungsstränge sind sehr gut ineinander verschachtelt, dass der Spannungsbogen ständig gespannt bleibt. Doch leider gibt es zu wenig von dem, wovon man gerne mehr sehen wollte. Oder es wird zu schnell und oberflächlich abgehandelt, was mehr Tiefe verlangt, wie die Ebene des Pärchens Jon Berntahl als Sheriff und ins besondere Medina Senghore in der Rolle der Überlebenstrainerin.

Es gibt von den Visuellen Effekten erschreckend überzeugende Sequenzen der Waldbrände, wo die Effekte- Schmiede sehr eindrucksvoll und realistisch auch die Dynamik und das Verhalten des Feuers verdeutlichen können. Dafür leiden aber einige dekorative Landschaftsaufnahmen gewaltig unter dem offensichtlichen Computer-Einsatz. Besonders ein hanebüchen uninspirierter Spannungsmoment in einem Blitzgewitter, gewinnt noch mit schlechten Graphiken an unfreiwilliger Komik. So kann man insgesamt THOSE WHO WISH ME DEAD in die Kategorie gefälliger Unterhaltung unterbringen, den man als netten Zeitvertreib sehen sollte, und die Erwartung gedämpft halten muss. Aber es ist davon auszugehen, dass Taylor Sheridan weiterhin Filme wie WIND RIVER, SICARIO oder HELL OR HIGH WATER schreiben und realisieren wird. Zumindest ist die vierte Staffel von YELLOWSTON schon in den Startlöchern.

THOSE WWMD 1 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Angelina Jolie, Finn Little, Jon Bernthal, Aidan Gillen, Nicholas Hoult, Jake Weber, Medina Senghore, Tyler Perry u.a.
Regie: Taylor Sheridan
Drehbuch: Taylor Sheridan & Charles Leavitt & Michael Koryta
Kamera: Ben Richardson
Bildschnitt: Chad Galster
Musik: Brian Tyler
Produktionsdesign: Neil Spisak
Kanada – USA / 2021
100 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Fernsehen gesehen abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar