– Bundesstart 18.11.2021
Auch die zweite Auflage der Addams Family verdient dickes Lob und Anerkennung für ihre Hochachtung gegenüber dem Zeichner Charles Addams. Die vollanimierte Weiterführung der gruseligen Familie könnte im Stil nicht besser umgesetzt sein. Hinzu kommt allerdings eine zeitgemäße Erweiterung zur Farbe. Doch wenigstens orientiert sich die Farbgebung an den unbestreitbar legendären Kinovorbildern von 1991 und ’93. Aussehen und anatomische Formen der Figuren sind exzellent. Das hätte Charles Addams sicherlich zufrieden gestellt. Aber womit Schöpfer Charles Addams sicherlich seine Schwierigkeiten gehabt hätte, ist das sinnfreie weichspülen seiner schwarzhumorigen Grotesken. Schlimmer noch, vier Drehbuchautoren und zwei Regisseure versuchen es mit einer Geschichte, die vollkommen im Gegensatz zum Grundgedanken und Konzept der Addams Family stehen. Die Spaltung eines unbeirrbaren Familiengefüges.
Was man den Regisseuren Greg Tiernan und Conrad Vernon ganz sicher nicht vorwerfen kann, dass Langweile aufkommen würde. Beide haben schon den leidlichen Erfolg des ersten Teils zu verantworten, der bereits die herzliche Bösartigkeit der Comicvorlage für ein jüngeres Publikum aufbereiten wollte. Das endete damit, dass die Macher ihre Geschichte auch sehr kindgerechten Moralwerten unterwarfen. Die nonkonforme Familie wurde zu den Guten erhoben, die sich gegen eine gleichgeschaltete Gesellschaft zur Wehr setzen musste. Ähnlich verhält es sich auch in dieser Ausgabe, die dafür wenigstens mit Reiz überflutender Dynamik von einem Element zu nächsten rauscht.
Der zwielichtige Wissenschaftler Cyrus Strange bedrängt die Eltern Morticia und Gomez, dass eigentlich er der leibliche Vater von Tochter Wednesday wäre. Um den Fängen von Stranges Anwalt wegen eines DNS-Tests zu entkommen, beschließen die Addams mit den Kindern und dem halben Hausstand eine Reise quer durch das Land zu machen, was obendrein den Familienfrieden richten soll. Und das nutzen die Macher, um pausenlos Episoden zu generieren, die kaum noch den Charakter einer fortlaufenden Handlung haben. Der Film wird zu einer einfach zu konsumierenden Nummernrevue.
Der Verlauf des Films gestaltet sich zudem wie der mühsame Versuch einer allgemeingültigen Anbiederung an sein junges Publikum. Viele Szenen versprühen immerzu Partystimmung, und Grandma Addams lässt am Ende tatsächlich auch eine steigen. Hip-Hop- und Rap-Untermalung ist Standard, wo atmosphärisch auch einmal ein finsterer Ton angebracht wäre. Selbst für die Acht- bis Elfjährigen. Hierbei verliert sich immer wieder der schräg morbide Charme um die eigenartige Familie. Selbst das unheimliche Treiben und die makaberen Streiche der Kinder Wednesday mit Bruder Pugsley dienen lediglich der spektakulären Unterhaltung mit knalligem Effekt.
Und wenn Pugsley als knalligen Effekt tatsächlich ein besonderes Feuerwerk abbrennt, dann ist das wirklich eine Augenweite und für Kinder ein atemberaubender Budenzauber. Der Erwachsene fragt sich hingegen, was diese spezielle Szene soll, weil sie ohne Motivation passiert, und zu nichts führt. Was für die meisten Episoden gilt, die der Film unter dem Deckmantel einer Geschichte darbietet. Im Geiste des morbiden Hintergrundes gibt es so finstere Reiseziele wie Death Valley, Salem oder Sleepy Hollow. Doch die historischen Hintergründe dieser Orte, wie die Hexenverfolgung oder der kopflose Reiter, werden aber im Verlauf überhaupt nicht berücksichtigt. Sie beflügeln eher die Fantasie der belesenen Zuschauer, deren eventuell aufkeimende Erwartungen aber ins Leere laufen.
Während man ADDAMS FAMILY 2 als kurzweilige und effiziente Familienunterhaltung anerkennen muss, ist er als Film über die Familie Addams vollkommen missraten. Der bitterböse Ton und makabre Witz ist immer wieder spürbar, doch er läuft niemals so konsequent frei wie er müsste. Dennoch gibt es hier und da Momente, welche die letztendlich angesprochene Altersgruppe über das leicht verdauliche Maß hinaus beschäftigen können. Dabei ist es nicht einmal der drastische Humor, der meist harmloser ist wie man annehmen möchte, sondern eher wie die jungen Racker mit den Aspekten einer sich spaltenden Familie konfrontiert werden.
Doch es erschließt sich auch überhaupt nicht, aus welchen Gründen sich Wednesday von ihrem Vater Gomez distanziert. Sollte man an dieser Stelle die Pubertät vorschieben wollen, dann spricht der Film die ganz falsche Zielgruppe an. Weil das für diesen Fall altersgerechte Publikum sehr wenig Interesse an dem Film überhaupt haben wird. Noch dazu, dass auch hier wieder keine wirkliche Auflösung des vermeintlichen Konflikts zu finden ist. Aber grundsätzlich muss man festhalten, dass es solche Probleme bei Familie Addams einfach nicht geben dürfte. Das widerspricht eindeutig Charles Addams‘ Grundgedanken von der geschlossenen Einheit des Familienverbundes.
MGM hat als Studio für diese Fortsetzung zwei Regisseure, vier Drehbuchautoren und zwei Co-Regisseure verpflichtet. Das ist bei Animationsfilmen nicht ungewöhnlich. Aber dafür hätte man wesentlich mehr erreichen müssen. Der über achtzigjährigen Geschichte, dem bitterbösen Charme und grotesken Humor, sowie der konterkarierenden, satirischen Lebensweise von Morticia, Gomez und ihrer Familie wird es keineswegs gerecht.
Sprecher:
Oscar Isaac / Alexander Doering – Gomez
Charlize Theron / Katrin Fröhlich – Morticia
Chloë Grace Moretz / Luisa Wietzorek – Wednesday
Javon Walton / Oliver Szerkus – Pugsley Addams
Nick Kroll / Michael Iwannek – Onkel Fester
Snoop Dogg / – It
Bette Midler / Joseline Gassen –Grandma
Conrad Vernon – Lurch
Bill Hader / Tommy Morgenstern – Cyrus Strange
Wallace Shawn / Werner Böhnke – Mr. Mustela
u.a.
Regie: Greg Tiernan, Conrad Vernon
Drehbuch: Dan Hernandez & Benji Samit und Ben Queen & Susanna Fogel
Bildschnitt: Ryan Folsey
Musik: Jeff Danna, Mychael Danna
Art Direction: Kathleen Shugrue, Chris Souza
Kanada – USA / 2021
93 Minuten