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Das mit dem Hörensagen ist immer so ein Ding. Aber in der Filmindustrie will man sich da seit geraumer Zeit auf nichts mehr einlassen, und so nahm man dann nach Missbrauchsvorwürfen Max Landis das Drehbuch zu SHADOW ganz schnell weg. So geschah es auch mit seinem Produzenten-Status, angeblich von Co-Produzentin Moretz initiiert. Hörensagen. Max Landis war raus. Fakt. Schon während des ganzen Prozedere begann Regisseurin Roseanne Liang mit heftigen Überarbeitungen. So dass die eine Partei am Ende stolz verkündete, Landis‘ Spuren aus dem Buch getilgt zu haben, und die Opposition stolz behauptet 95% seines Drehbuchs auf der Leinwand gesehen zu haben. Man kennt sowas, und es wäre auch vollkommen irrelevant, weil sich jede Seite ihre Version schön redet. Wichtig wäre es allerdings für Filmfetischisten und Hobby-Wissenschaftler, um Lösungsansätze zu finden, wie es überhaupt zu so einem Drehbuch kommen konnte.
„Hey Garrett, was ich so hörte, sind 99% der weiblichen Reserve Lesben und 1% Schlampen. Wenn das stimmen sollte, was bist dann du?“
„Gute Frage, Private Dorn. Ich würde sagen, wir sind 100% Soldaten.“
Eine noch zurückhaltende Form von Dialog, mit der SHADOW seine erste halbe Stunde bestreitet. Für Frauenrechtler und Gutmenschen eine Katastrophe, und erst einmal sehr viel Toleranz abverlangt. Aber Freunde des Trash-Kino und unkonventioneller Unterhaltung werden sich begeistert die Hände reiben. Denn grundsätzlich täuscht der Film immer nur an, um dann brachial die Richtung zu wechseln.
Während des Zweiten Weltkrieges kommt Captain Maude Garrett von der weiblichen Reserve der Air-Force auf Grund einer streng geheimen Mission an Bord einer B-17. Die ahnungslose, ausschließlich männliche Besatzung der ‚fliegenden Festung‘ steht einer Frau an Bord erst einmal brachial ablehnend gegenüber, und deswegen wird Garrett schon aus Gehässigkeit im Kugelturm an der Unterseite des Flugzeugs untergebracht. Von da an ist die Soldatin nur über Bordfunk mit den Männern verbunden und muss sich unablässig frauenverachtende Sprüche und Anfeindungen anhören. Selbst als sie auf Flughöhe sehr verdächtige und äußerst beunruhigende Beobachtungen macht, wird sie verhöhnt, nicht ernst genommen, und muss noch heftigere Beleidigungen ertragen. Das mit den überzogenen und teilweise schmerzhaften Dialogen, relativiert sich nach und nach auch für sensible Gemüter. Nämlich dann, wenn sich zur Freude des Zuschauers die Mannschaft selbst dezimiert, nur weil sie aus Trotz und Männlichkeitswahn nicht auf die Frau hören wollen.
Was SHADOW IN THE CLOUD wirklich sein soll, dürften selbst die Macher nicht konkretisieren können. Aber ganz sicher kann man sagen, dass SHADOW IN THE CLOUD unbändige Freude bereitet. Nicht nur weil er wild und unbeherrscht die Genres mischt, sondern er nicht die geringsten Anstalten macht, dem Ganzen einen Sinn zu geben. Außer dem Sinn sich als pure, unverwässerte Unterhaltung anzubieten.
Ob sich jetzt Max Landis für diesen verqueren Mix verantworten muss, oder Roseanne Liang, wissen auch nur die Schöpfer allein. Vielleicht ist es auch der missglückte Versuch, dass Drehbuch so umzuschreiben, um Landis‘ Einfluss zu kaschieren. Wer immer für diese Art des Films in dieser Form verantwortlich ist, sollte sich gleichermaßen schämen, wie sehr stolz auf sich selbst sein. Und genauso wird sich auch die Zuschauerschaft spalten. Was denen mit offenen Herzen, vollkommen egal sein dürfte.
Was Regisseurin Liang nicht verleugnen kann, ist die ganz klare Anleihe an die legendäre TWILIGHT ZONE-Folge „Nightmare at 20,000 Feet“. Doch Liang setzt das mit Bravur in Szene, kopiert nicht, sondern macht es sich zu eigen. Dabei weiß Kit Fraser immer, wo und wie er mit der Kamera sein muss. Die Wucht der ersten Bilder der B-17 sind genauso imposant, wie die halbe Stunde mit Chloë Grace Moretz alleine in der Gefechtskugel. Und später wird er noch die Sehgewohnheiten des Zuschauers auf den Kopf und auf die Probe stellen, wenn Fraser in einer geradezu provokanten Einstellung die Kamera in Rückenlage bringt. Kenner des Films wissen umgehend Bescheid, für alle anderen wäre es sündhafter Spoiler.
Um naseweisen Erbsenzählern entgegen zu wirken: Wenn bemängelt wird, dass die Aufgabenbereiche und Rangordnungen der weiblichen Reserve falsch dargestellt wären, sollte das im Kontext der Geschichte betrachtet werden. Dann macht nämlich sehr schnell Sinn, was manche schlecht reden möchten.
Der Film weist ohnehin ständig künstlerische Freiheiten auf, die mit dem gewohnten Fluss einer Inszenierung brechen. Grundsätzlich beginnt er als aufwendige Episode der TWILIGHT ZONE, vermischt die atmosphärischen Stimmungen aus NO TURNING BACK und BURIED, kontert mit Monsterfilmen, geniert sich nicht des Psycho-Dramas, und gibt dem Action-Fan Befriedigung. Das dann Mahuia Bridgman-Coopers Soundtrack auch noch klingt, als wäre sie aus Robin Couderts Untermalung von Alexandre Ajas MANIAC kopiert, sorgt dabei für noch mehr Verwirrung. Denn das Zeitkolorit wird damit stark durcheinander gewirbelt. Und man kann auch diesen mutigen Schritt nur bewundern. Und sich an dieser Stimmung erfreuen.
Manche Trickeffekt, wie die Außenaufnahmen auf der ‚fliegenden Festung‘ wirken etwas altbacken. Dafür ist der Kobold nahezu perfekt in Animation und Interaktion mit den Realbildern. SHADOW IN THE CLOUD macht soviel Spaß, weil er so fokussiert inkonsequent in seiner Struktur ist. Und es spielt keine Rolle, ob es beabsichtigt war, oder ein künstlerischer Unfall. Als erstes würde einem die Kategorie ‚Trash‘ einfallen, dafür ist der Film aber viel zu gut.
Darsteller: Chloë Grace Moretz, Nick Robinson, Beulah Koale, Taylor John Smith, Callan Mulvey, Benedict Wall, Byron Coll, Joe Witkowski und Liam Legge & Asher Bridle
Regie: Roseanne Liang
Drehbuch: Roseanna Liang (nach dem Drehbuch von Max Landis)
Kamera: Kit Fraser
Bildschnitt: Tom Eagles
Musik: Mahuia Bridgman-Cooper
Produktionsdesign: Gary Mackay
Neuseeland – USA / 2020
83 Minuten