MATRIX RESURRECTIONS

Matrix Res - Copyright WARNER BROS– Bundesstart 23.12.2021

Dies ist der Film, in dem behauptet wird, dass Warner Bros darauf bestanden hätte ihn zu machen. Die Macherin stellt dies jedenfalls in ihrer Inszenierung so dar, obwohl sie es selbst war, die diesen Film machen wollte.
Man könnte diese absichtlich kompliziert gehaltene Einführung nun weiter und weiter vertiefen, um den Leser entweder zum Aufgeben zu bewegen, oder ihn am Ende noch an einem philosophischen Überbau verzweifeln lassen. Zumindest decken sich die verwirrend einleitenden Sätze schon einmal mit den inhaltlichen Ansprüchen von MATRIX RESURRECTION. Die Schlagwörter sind dabei Philosophie und Metaphysik, die essenziellen Zeltstangen für jene Tentpole-Filme, welche die erste Trilogie so vieldeutig machen, dass sich selbst die Wachowskis als ihre Macher einer konkreten Erklärung widersetzen. Das hat schon einmal Kubrick gemacht, woraufhin man seinen Film aus vollkommen irre geleiteten Gründen zum Meisterwerk erklärte, obwohl dessen meisterliche Stärke bei ganz anderen Aspekten liegt. Eine verdrehte Wahrnehmung, die der von THE MATRIX sehr ähnlich ist, und der Schein mehr vorgibt als das Sein.

Im Programmcode des Spiels ‚Matrix‘ entdecken menschlich dargestellte Sicherungsspeicher ein isoliertes Datenpaket. Es ist ein Unterprogramm des eigentlich getöteten Erlösers Neo, der seinerzeit die Menschen aus eben dieser Matrix befreite. Eine lebensechte Illusion, geschaffen von Maschinen um Menschen als Energiequelle zu missbrauchen. Neo könnte also von den Sicherungen wieder zum Leben erweckt werden. Doch Neo heißt jetzt Thomas Anderson und hat vor zwanzig Jahren als Spieldesigner und Programmieren das revolutionäre Spiel ‚Matrix‘ erschaffen, welches zwei Fortsetzungen nach sich zog. Seither hat Produzent Warner Bros keine Ruhe gegeben und ständig eine vierte Auflage gefordert. Anderson kann allerdings nicht unterscheiden, ob sein Spiel existiert, oder das Spiel und Warner Bros bereits Illusionen innerhalb der Matrix sind.

Was sich wie ein wilder Mix an falsch zusammen gewürfelten Satzbausteinen liest, ist der eigentliche Spaß an MATRIX RESURRECTION. Die Welt ist angelegt wie Eschers ewige Treppe, oder sein unmöglicher Wasserfall. Die Realität ist nur eine Illusion innerhalb der Matrix, und die Matrix ist das Konstrukt aus der wirklichen Welt, und so weiter. Allerdings verschlingt hier die Schlange nicht ihr eigenes Ende, sondern jede Ebene bleibt als eigene Realität bestehen. Sich in diesem Konstrukt von gelebten und fantasierten Wirklichkeiten zurechtzufinden bleibt den Zuschauenden überlassen, was durchaus seinen Reiz hat.

Das ist alles sehr aufregend, und hat echtes Kult- und Nerd-Potential, betrachtet man es aus der Perspektive seiner Zeit, die allerdings zwanzig Jahre zurück liegt. In so einer Zeitspanne hat sich zum Beispiel der schwarzweiße Stummfilm zum bunten Tonfilm entwickelt. Der Kultfaktor und filmtechnische Einfluss von THE MATRIX ist zurecht unwiderruflich in den Geschichtsbüchern festgelegt. Und genau das ist es, was einen erneuten Aufguss nach zwanzig Jahren extrem schwierig macht. Denn die Basis dieses modernen Klassikers definiert sich über seine visuellen Innovationen.

MATRIX RESURRECTION scheitert an dem Anspruch, nach dieser Zeitspanne eine Rückkehr rechtfertigen zu können. In erster Linie wollte Lana Wachowski mit diesem Film den frühen Tod ihrer beiden Eltern aufarbeiten. Genau der Grund, warum Schwester Lilly dem Projekt nicht beistand. Aber genau diese Kooperation scheint dem Film zu fehlen. Mit einem schwachen Drehbuch unter der Mithilfe von David Mitchell und Aleksander Hemon, müht sich Lanas Inszenierung an den markanten Versatzstücken der vorangegangenen Trilogie ab, und führt diese meist unbeseelt ins Leere.

Matrix Res 1 - Copyright WARNER BROS

Was seinerzeit die Tricktechnik revolutionierte, ist heute visueller Standard im Action-Kino. Es war optisch einfach aufregend und spektakulär, wenn Menschen im Kugelhagel an Wände und Decken entlang liefen, und natürlich in ästhetischer Zeitlupe mit ihren Köpern unverletzt Mauern sprengten. Das hat weder Sinn ergeben, noch den Helden oder Bösewichtern irgendeinen Vorteil oder Nachteil gebracht. Aber es war wunderschön anzusehen. Heute sind solche durchgestylten Kampfchoreographien mit extremen Zeitlupen und athletischer Kampfakrobatik kaum noch innovativ oder aufregend. Aber nur, weil sie auf Grund von MATRIX über beansprucht wurden, und weiterhin werden. Der Meister hat sich selbst ein Bein gestellt.

Aber gerade in der Welt der Matrix erwartet man diesen überraschenden Effekt, der einen überwältigt. Das aber Lana Wachowski versucht das gesamte Konzept des Vertrauten auf den Kopf zu stellen, ist dabei so uninspiriert umgesetzt, dass die erhofften magischen Momente einfach ausbleiben. Schon zu Beginn hatten die Wachowskis diebische Freude, alles Lehrsätze aller bekannten Philosophen und Denker in ihren Filmen zu verarbeiten, was zu nächtelangen Diskussionen unter Filmfans führte. Allen voran stand die Debatte zum freien Willen, und der ist nun einmal Gott gegeben, als führende Sinnfrage also hervorragend gewählt.

Das Warner Bros einen erneuten Blockbuster produzieren wollte, ist keine übergeordnete Geschichte mehr, sondern integraler Bestandteil der Handlung. Ein Konzept von einem Film der sich seiner selbst bewusst ist, macht nicht den erfrischendsten Eindruck, gerade wenn es schon interessantere Beiträge zu selbstreflektierenden Geschichten gibt. MATRIX RESURRECTION erhebt dabei den Anspruch, dass seine Vorgänger als überhöhtes Kulturgut angesehen werden müssen, was zeitweise peinlich berührt, und dem cineastischen Stellenwert der Trilogie überhaupt nicht gerecht wird.

Technisch ist RESURRECTION brillantes Kino, wo exzellent aufeinander abgestimmte Kamera- und Schnittleistung eine aufregende Achterbahnfahrt durch diverse Actionszenen garantieren. Besonders die Eingangssequenz mit den diversen Wechseln zwischen verschiedenen Ebenen der Matrix beindruckt in ihrer optischen Umsetzung. Denn Regisseurin Wachowski hat durchweg das Tempo und den Fluss im Griff, überzeugt gewohnt mit intensiver Action und Gespür für Emotionen.

Aber MATRIX RESURRECTION kommt nie über das Stadium von Versatzstücken und Eigenzitaten hinaus. Und was als metaphysischer Überbau angedacht war, funktioniert nicht. Warum man Jada Pinkett Smith mit einem erschreckend misslungenen Makeup vollkommen unkenntlich machte, bleibt genauso ungeklärt, wie der Wunsch des Menschen selbstbestimmt in Höhlen zu hausen, anstatt sich einem erfüllten, wenngleich künstlichen Leben in der Matrix hinzugeben.

Nur einmal, als Neo versucht Trinity aus der Matrix zu holen, stellt jemand die Frage ob es Trinity überhaupt Recht wäre, das Programm zu verlassen. Trotz der vielen Schauwerte auf der Leinwand, stellt sich der Zuschauer selbst genau diese Frage. Als philosophische Herausforderung ist das allerdings viel zu dürftig. Wenn der Film diese Frage schließlich beantwortet, hat das nichts mit meditativen Idealen zu tun. Trinity trifft eine  emotionale, beziehungsmäßig Entscheidung. Was als thematisch innovative Abwandlung auch nicht genug sein kann.

Matrix Res 3 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Yaha Abdul-Mateen II, Jonathan Goff, Jessica Henwick, Neil Patrick Harris, Jada Pinkett Smith, Christina Ricci u.a.
Regie: Lana Wachowski
Drehbuch: Lana Wachowski, David Mitchell, Aleksander Hemon
Kamera: Daniele Massaccesi, John Toll
Bildschnitt: Joseph Jett Sally
Musik: Johnny Klimek
Produktionsdesign: Hugh Bateup, Peter Walpole
USA / 2021
148 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS
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