– Bundesstart 02.09.2021
Es fällt immer wieder positiv auf, dass man auch James Wan bekommt, wenn James Wan drauf steht. Ein Mann der mit innovativen Variationen im modernen Horrorfilm eine Lücke für sich fand. Sieht man sich das gesamte sogenannte CONJURING-Universe und die SAW-Reihe an, eröffnen sich kaum noch originelle Ideen. Es sind eher ständige Wiederholungen von absehbaren Jump-Scars, effektiven Spannungsstandards und bemerkenswerter Zusammenarbeit der Design-, Kamera- und Schnittabteilungen. Der einheitliche Guss aller Werke kommt beim geneigten Publikum sehr gut an, der Ticketverkauf spricht eindeutige Zahlen. Wo James Wan drauf steht, ist auch James Wan drin. Nicht umsonst orientieren sich Newcomer verstärkt an seinen Werken, die er als Ausführender Produzent fast im Alleingang prägt.
Madison Mitchell ist schwanger. Nach bereits zwei Fehlgeburten, scheint ihr auch dieses Mal das Glück nicht holt. Und wie wir bald feststellen werden, ist wie auch schon vorher ihr gewalttätiger Gatte nicht unschuldig daran. Doch bevor die Nacht vorüber ist, bereitet ein undefinierbares Wesen der häuslichen Gewalt ein grausames Ende. Mit klaren Bildern und fesselnder Schnittkunst wird man auf Thematik und Stimmung eingeschworen. Damit beginnt allerdings erst der gruselige Reigen, denn fortan wird Madison sprichwörtlich in weitere Morde der Schattengestalt hineingezogen, welche sie bewegungslos miterleben muss.
Wie James Wan seinen Film aufbaut, folgt einer ganz präzisen Struktur, die MALIGNANT unheimlich spannend macht. Nicht unbedingt auf die Geschichte als solche bezogen, sondern wie raffiniert einzelne Elemente immer wieder vorweg genommen werden, die im weiteren Verlauf entscheidend sind. Aber solche Hinweise in Form von meist belanglos wirkenden Dialogen oder unzusammenhängend scheinenden Szenen sind sehr subtil eingesetzt. Solche Momente schränken den spannenden Fluss nicht ein und irritieren auch weniger als man befürchten müsste. Doch der Effekt, wenn sich eventuelle Fragen erklären und neue Ebenen eröffnen, beschreibt tadelloses Thriller-Kino.
Madison versucht die Polizei von ihren Visionen zu überzeugen, welche sie in Echtzeit erlebt. Und die Detectives werden dabei an den Rand ihrer rationalen Professionalität gebracht. Während Madison immer mehr davon überzeugt ist den Verstand zu verlieren, wird sie als Täterin ausgeschlossen, aber scheint dennoch nicht ganz unschuldig an den Vorkommnissen. Es dauert eine Weile bis wir bemerken, dass die Inszenierung wirklich auf das Nötigste reduziert ist. Darsteller werden nur eingeführt, wenn sie wirklich etwas relevantes beitragen können. Es wird weitgehend auf Statisten verzichtet, und Füll-Dialoge entfallen komplett. Da Wan dennoch in realistisch großen, oder weiträumigen Kulissen inszenierte, konzentriert sich die Aufmerksamkeit dabei noch intensiver auf die Charaktere.
MALIGNANT hat einen Handlungsverlauf der funktioniert, weil er immer wieder überrascht und die Spannung ansteigen lässt. Und damit einher gehen auch die Unzulänglichkeiten des Films, der, auch wenn er überrascht, eigentlich nie etwas Unerwartetes einfließen lässt. Der Film ist eben in einem Genre angelegt, in dem diese Eigenschaft zum Standard gehört. Was rückschließend natürlich auf James Wans Art zurück zu führen ist, wie dieser Filme produziert und inszeniert, wenn es eben nicht ein Multi-Millionen-Blockbuster wie AQUAMAN ist, bei dem sich das Vierfache an Budget behaupten muss.
Neben ordentlichen Schockmomenten überzeugt MALIGNANT sein erwartungsfrohes Publikum mit noch besseren Splatter-Sequenzen, die kaum zu wünschen übrig lassen. Wobei die erste Hälfte im Film nur als Appetithappen für die Gore-Fans dient. Was schließlich im furiosen Showdown zelebriert wird, könnte ungeübten Augen leicht zusetzen. Oftmals wurde beworben, James Wan hätte mit MALIGNANT eine Huldigung an die italienischen ‚Giallo‘ inszeniert. Es sind jene Krimi-Thriller aus den frühen Siebzigern, die mit expliziten Mordszenen die Vorläufer der wenig später unter anderem mit Hooper und Carpenter populär gewordenen Slasher bildeten.
Die wirklich auffallenden Merkmale von Giallos in MALIGNANT, sind Szenen die mit Einstellungen von extremen Lichtstimmungen in Rot unterschnitten sind. Das mutet hier allerdings mehr unmotiviert anstatt inspiriert an. Einige Gesprächssequenzen wurden als absichtlich konstruiert wirkende Erklärdialoge inszeniert, das stört allerdings den dynamischen Fluss mehr, als es einem ironischen Unterton nutzt. Aber ein schlechterer Film wird James Wans jüngste Horror-Phantasie deswegen nicht. Er zeigt all den Epigonen mit scheinbar leichter Hand, wie mit den eigens ausgearbeiteten und perfekt funktionierenden, formalen Standards der letzten 17 Jahre im Mainstream-Horror umzugehen ist.
Dabei sollte man aber der Auflösung im dritten Akt weniger Beachtung schenken, denn hier offenbart sich einen Bruch in der Logik, der streng genommen, diesen letzten Akt selbst obsolet machen würde. Doch der atemberaubend rasante Höhepunkt im Polizeirevier lässt überhaupt keinen Gedanken zu, die sich um Logik bemühen könnten. Bei diesem abschließenden Spektakel wurden alle Szenen mit dem sich rückwärts bewegenden Bösewicht ohne Rechner-Unterstützung von der Tänzerin Marina Mazepa durchgeführt. Warum man bei dieser beachtlichen Performance immer wieder in ganz kurzen Schnitten ein sehr schlechtes CGI-Gesicht auf den Körper kopierte, bleibt ein Rätsel.
Darsteller: Annabelle Wallis, Maddie Hasson, George Young, Michole Briana White, Jean Louisa Kelly u.a.
Regie: James Wan
Drehbuch: Akela Cooper
Kamera: Michael Burgess
Bildschnitt: Kirk M. Morri
Musik: Joseph Bishara
Produktionsdesign: Desma Murphy
China – USA / 2021
111 Minuten