Malasaña 32
bereits in ausgewählten Kinos
– Bundesstart 17.06.2021
Als 1927 SPUK IM SCHLOSS – THE CAT AND THE CANARY in den Kinos lief, war die Horror und Komödien Mischung ein großartige Erfolg. Im Lauf der Jahre wurde der Kassenschlager, nach einem Theaterstück von John Willard, noch fünf Mal verfilmt. Ein schauriger Nebeneffekt, SPUK IM SCHLOSS war gleichzeitige Begründer des Geisterhaus-Subgenres, laut Filmhistoriker Leonard Maltin. Seither ist die Flut an gescheiterten oder grandiosen Filmen um und in Spukhäusern unüberschaubar geworden. Aber die Faszination für das Sujet ist ungebrochen. Der Gruselfreund mag es, und angehende Filmemacher erproben sich daran. Kein Sub-Genre des Horrors lässt sich einfacher bedienen. Möchte man meinen. Dachte sich scheinbar auch Alberto Pintó, der wohl mit der Annahme an die Inszenierung ging, dass gleich vier Autoren auch eine Steigerung der Drehbuchqualität bedeuten würden.
Ein stimmungsvoller, und doch so absehbarer Prolog im Jahre 1972 stellt uns das titelgebende Haus vor. Vier Jahre später zieht eine sechsköpfige Familie vom Land in die Manuela Malasaña 32 von Madrid. Wie sich eine Familie am Rande des Existenzminimums diese weitläufige Wohnung in dieser Metropole leisten kann, haben wir durch den Anfang erfahren. Und es dauert auch nicht lange, bis sich unnatürliche Dinge ereignen. Der ältere Sohn Pepe erhält mysteriöse Briefbotschaften, bei Tochter Amparo schlagen stets Türen ins Schloss und lassen sich nicht mehr öffnen, und schließlich verschwindet der jüngste Spross Rafael spurlos.
Man nehme die langen Einstellungen wie bei SINISTER, und nutzt laut kreischende Schreckensmomente aus CONJURING. Das hat es auch viel früher schon alles gegeben, aber diese Beispiele haben das Genre im Moment fest im Griff und wahrscheinlich für noch lange Zeit geprägt. THE BABADOOK und AUS AM ENDE DER ZEIT haben diese abgegriffenen Versatzstücke gekonnt für eine ganz eigene Atmosphäre genutzt, und damit überzeugt. Pintó schafft mit seinem Film keine eigene Atmosphäre. Bildeinstellungen, Schnittfolgen und Toneffekte sind nach den Blaupausen, und vorhersehbar.
Wenn der Handlungsablauf verlässlich den gewohnten Versatzstücken folgt, muss dies noch lange nicht so negativ behaftet sein, wie an dieser Stelle beschrieben. Aber zu der dünnen Handlung und der uninspirierten Umsetzung, kommen noch Darsteller, mit denen Regisseur Alberto Pintó einfach nichts anzufangen weiß. Keine der Figuren bewegt sich normal, niemand reagiert glaubwürdig, selbst innerhalb des begrenzten Rahmens des Genres nicht.
Selbst bei den geringsten Alltagsgeräuschen, verfallen die Protagonisten in unheilvolle Angststarre. Sie schleichen extrem zögerlich durch die Kulisse, blicken unglaubliche lange auf einen Punkt, an dem sich dann selbstredend irgendetwas kathartisch entlädt. Natürlich mit entsprechend kreischender Tonunterstützung. Das wirkt auf die Dauer für den Zuschauer ermüdend, weil sich die Regie auf diesen Schreckensmomenten als Horrorelement ausruht.
Zuweilen verlieren wir mangels Kontinuität auch die Orientierung in der riesigen Wohnung, die eigentlich für uns ein ganz eigener, begreifbarer Charakter sein sollte. Meist erklärt sich die Logistik durch wilde Zurufe in den Dialogen. Dennoch bleiben essentielle Fragen offen. Ist lediglich die Wohnung besessen, oder das ganze Haus? Hat das Haus überhaupt einen Einfluss auf die Ereignisse, oder nur der spukende Geist.
Das Ensemble besteht aus frischen, kaum bekannten Gesichtern, die durchaus überzeugen könnten. Doch sie bekommen einfach zu wenig zu tun, damit wir eine wirklich Beziehung zu ihnen aufbauen könnten. Lediglich im letzten Drittel gibt es eine Sequenz, in der die Wechselwirkung zwischen dem Terror, dem familiären Status und den gesellschaftlichen Hintergründen zum tragen kommt. Für nur kurze Zeit verblasst der Selbstzweck von Schockmomenten und Horror-Atmosphäre, und die Ereignisse kulminieren zu einem griffig hintersinnigen Sinnbild mit dem Hintergrund der zu dieser Zeit noch herrschenden Franco-Diktatur.
Der Showdown offenbart die weniger originellen Ursachen des Spuks. Lediglich Genre-Enthusiasten werden sich daran erfreuen können, oder vielleicht Anhänger der gepflegten Berieselung. Dafür gibt es eine der im aktuellen Kino eigentümlichsten Fehlinszenierungen von Menschen mit Behinderung, die sich nicht einmal als kritischer Kommentar legitimieren lassen würde.
Die klassischen und sehr effektiven Kamerabilder schaffen eine hinreißende Stimmung mit starken Erinnerungen an die gotischen Einflüsse in vergangenen Gruselfilmen. Doch leider reicht das nicht aus, um einen ebenso effektiven Einfluss auf den gesamten Film zu haben. Im Übrigen gibt es die Manuela Malasaña 32 nicht, die Straße endet mit Hausnummer 30. Der Film basiert aber auf wahren Begebenheiten.
Darsteller: Begoña Vargas, Iván Marcos, Bea Segura, Sergio Castellanos, Iván Renedo, Jose Luis de Madariaga, Javier Botet, Maria Ballesteros u.a.
Regie: Alberto Pintó
Drehbuch: Ramón Campos & Gema R. Neira und David Orea & Salvador S. Molina
Kamera: Daniel Sosa Segura
Bildschnitt: Andrés Frederico González
Musik: Frank Montasell & Lucas Peire
Produktionsdesign: Carlos de Dorremochea
Spanien – Frankreich / 2020
104 Minuten