JAKOB’S WIFE

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unbekannter Bundesstart

Ein bisschen von der intimen Dramatik eines Ingmar Bergman, zusammen mit ein wenig von Woody Allens bitter ironischem Augenzwinkern. Dann darf etwas von der Unberechenbarkeit eines John Landis nicht fehlen. Aber zusammen gibt das eine grandiose Mischung von unerwartetem Horror, den man tatsächlich auch ‚anspruchsvoll‘ nennen darf. Kameramann David Matthews ist sogar von Bergmans langen Naheinstellungen inspiriert, er lässt nur die exzessiven Licht- und Schattenspiele vermissen. Aber dem mit der Red-Kamera gedrehten Film verpasste man einen unverwechselbaren Kino-Look der Achtziger, mit ganz leicht verwaschenen Farben und typischer Körnung. Aber all die notwendigen Zutaten helfen nichts, wenn dies keinen homogenen Zusammenhalt findet. Doch den hat Travis Stevens für seinen erst zweiten Langfilm mit Barbara Crampton und Larry Fessenden gefunden. Und die machen JAKOB’S WIFE zu etwas wirklich Besonderem.

Crampton und Fessenden sind außerhalb der Horror- und Phantastik-Genres eher unauffällige Akteure. Aber bei Freunde des Außergewöhnlichen bestimmt keine Unbekannten. Für die Realisierung des Drehbuchs hat sich Barbara Crampton selbst stark gemacht, und mit einem Produzenten-Posten gefestigt. Als Pastor glaubt Jakob ein ausgefülltes Leben zu führen. Was Gattin Anne etwas anders sieht. Beide sind weit über die Fünfzig, und festgefahren im sich täglich wiederholenden Trott. Mit dem überraschenden Auftauchen einer alten Flamme von Anne, und dessen noch viel überraschenderen Ableben, beginnt sie gegen ihr Hausfrauendasein zu rebellieren.

Für einen als Horrorfilm angekündigten Streifen braucht Travis Stevens ziemlich lange, um die Erwartungen langsam zu erfüllen. Aber kaum ein Zuschauer wird sich in dieser ausgedehnten Exposition wirklich langweilen. Im Gegenteil. Es ist überaus amüsant, und alles mit soviel Subtilität ausgespielt, das der Film mehr den Spiegel vorhält, anstatt das große Drama anzuführen. Wie zum Beispiel Anne in flüchtigen Einstellungen gewisse Dinge bei ihrem Mann kommentiert ohne etwas zu sagen. Die stillen Lacher sind sicher, aber nicht weil es so komisch inszeniert ist, sondern es auf den Punkt von Crampton und Fessenden ausgespielt wird.

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Der Horror hält Einzug, als auch noch ein als vermisst gemeldetes Mädchen wieder auftaucht. Und Anne ohne konkrete Erinnerungen an die letzte Nacht, einen unerklärlichen Heißhunger auf Blut verspürt, und beginnt das Tageslicht zu meiden. JAKOB’S WIFE zeichnet sich aus, dass er eben nicht die übliche Mixtur präsentiert. Da werden nicht drei verschiedene Genres, Drama, Horror, und Komödie, einfach abgerissen. Sondern Travis schafft es mit seinen zwei Co-Autoren Marks Steensland und Kathy Charles diesen Film in allen Handlungsteilen gleichbedeutend organisch zusammen zu bringen.

Die Inszenierung orientiert sich klar an das Kino der frühen Achtziger. Aber das die Macher nicht die geringsten Versuche unternehmen, die Genres oder jene Zeit an sich zu parodieren, sondern den Unterhaltungsfaktor ganz auf die Prämisse konzentrieren, macht JAKOB’S WIFE zu einem ernsthaften und legitimen Kind des ganz aktuellen Kinos. Der Humor ist geerdet, der Gruselfaktor nicht überzogen, und das Tempo ist der Geschichte und seinen Figuren angemessen, ohne sich beliebten Trend zu unterwerfen.

Der Film macht so viel Spaß, dass selbst einige ungelenke Trickeffekte eher den Charme noch verstärken. Es ist ein Film, der sehr schnell in sich zusammen fallen könnte. Aber mit Crampton und Fessenden gewinnt diese übernatürliche Geschichte einen unglaublich greifbaren Gehalt. Und für diese Art Film transportiert er eine ungewöhnliche Natürlichkeit. Mit stoischer Verbissenheit versucht Jakob seine Frau von dem Übel zu erlösen, ohne sie töten zu müssen. Und wie die Beiden das ausspielen, gibt es ihrer Beziehung eine groteske Unbefangenheit. Der einzig niederschmetternde Negativpunkt ist eine ausbleibende Kinoauswertung. Hier geht ein Film unter, der gesehen werden sollte.

Jakobs Wife 2 - Copyright RLJE Films

 

Darsteller: Barbara Crampton, Larry Fessenden, Mark Kelly, Sarah Lind, Jay DeVon Johnson, C.M. Punk und Bonnie Aarons
Regie: Travis Stevens
Drehbuch: Travis Stevens & Mark Steensland & Kathy Charles
Kamera: David Matthews
Bildschnitt: Travis Stevens & Aaron Crozier
Musik: Tara Busch
Produktionsdesign: Lily Bolles
USA / 2021
98 Minuten

Bildrechte: RLJE Films
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