FRENCH EXIT

French Exit 3 - Copyright SONY PICTURES

– Bundesstart 02.09.2021

Die ist ein Film, den man einfach lieben möchte. Genau dieses Gefühl will man. Man will eine Bindung zu FRENCH EXIT aufbauen, so sehr wie Francis Price einen unverrückbaren Bezug zur Geldverschwendung hat. Es geht in FRENCH EXIT um das tiefere Verständnis zwischen Menschen, wie unbekannte Leute untereinander eine unbeabsichtigte Beziehung eingehen. Das Schicksal hat immer einen anderen Plan. In einer Szene sagt Francis Price in ihrer kalten und direkten Art zu ihrer freundlichen Nachbarin, dass sie nicht das geringste Interesse an ihrer Freundschaft hätte. Aus Gründen die der Film nicht erklärt, verbringen sie dann doch die meiste Zeit ihrer Einsamkeit zusammen. Genauso wie man Anfangs einfach nicht verstehen will, was ihren erwachsenen Sohn Malcolm antreibt. Mit stoischer Gleichgültigkeit folgt er seiner schrecklich egomanischen Mutter von New York nach Paris, wo sie ihrer privaten Insolvenz zu entkommen versucht.

Es ist eine wahre Freude Michelle Pfeiffer nach längerer Zeit endlich wieder einmal in einer Hauptrolle erleben zu dürfen. Und in was für einer. Ihre Francis hätte leicht zur Farce werden können. Ihr Makeup ist unaufdringlich, aber bewusst. Sie kleidet sich extrem elegant, ohne zu stark aufzutragen. Aber gerade mit ihrer Kostümauswahl schafft es Kameramann Tobias Datum die Figur Francis Price immer in den Kameraeinstellungen hervor zu heben. Nicht auffällig, aber genau so, dass sie unterbewusst das Bild dominiert. Mit überwältigender Selbstverständlichkeit trägt Pfeiffer ihr gewisses Alter zur Schau, was sie nur noch attraktiver macht.

In jedem anderen Film wäre die rücksichtslose Kaltschnäuzigkeit einer Francis Price entweder verachtenswert geworden oder zur spaßigen Karikatur verkommen. Doch Michelle Pfeiffer legt so viel Selbstbewusstsein und Ehrlichkeit in ihre Figur, dass aus dem anfänglich satirischen Zügen ihrer Person tatsächliche Bewunderung erwächst. Denn Pfeiffer beherrscht es, für den Zuschauer die Unsicherheit und zerbrechliche Seele ihres Charakters zu zeigen, während sie für ihre Mitspieler das unbezwingbare Bollwerk ihrer eigenen Persönlichkeit bleibt. Solche Menschen wie Francis kennt wir schon lange aus dem Kino, wir haben sie schon oft gesehen und sie sogar trotz ihres Gebarens, in unser Herz geschlossen, weil diese Figuren verkörpern was wir nie sein dürfen, oder können.

French Exit 2 - Copyright SONY PICTURES

Eine Figur wie Francis Price braucht aber aus dramaturgischer Sicht einen ebenso starken Gegenpart. Jemanden, aus dem Vernunft spricht, der den normalen Gang der Dinge verkörpert. Es gibt sehr viele unterschiedliche Charaktere in FRENCH EXIT. Aber keiner ist stark, keiner von ihnen hat Francis etwas entgegen zu setzen. Sie sind teilnahmslos, fast apathisch. Jeder ist mit seinen individuellen Absonderlichkeiten auf sich selbst bezogen. Dadurch verlieren sie gegenüber dem Zuschauer, weil sie in keinem wirklichen Kontext zur Geschichte stehen. Eine Geschichte, die ohnehin sehr dünn ist, und wesentlich von psychologischen Beziehungen geprägt ist, als von Ereignissen.

Auch wenn Patrick deWitt (je nach Laune dieses Autors, einmal DeWitt groß geschrieben, und dann wieder klein) seinen Roman in die Bestsellerlisten brachte, ist die Adaption und Inszenierung von Azazel Jacobs nicht überzeugend. FRENCH EXIT ist nicht absurd genug, um sich mit Wes Andersons Werken vergleichen zu lassen. Er ist aber auch nicht so kohärent wie einst Luis Buñuel. Aber doch vermeint man immer wieder die Absicht zu spüren, das Wesen dieser zwei Regisseure atmosphärisch wiederzugeben. Da kann die absonderliche Wendung mit der Katze nicht viel ausrichten, welche nebenbei gesagt stets besser in Szene gesetzt wurde, als alle anderen Nebendarsteller.

Azazel Jacobs Film könnte sehr viel sein, ist aber von allem zu wenig. Als Gesellschaftssatire hätte FRENCH EXIT wunderbar funktionieren können, aber dazu ist er wiederrum nicht radikal genug. Er konzentriert sich dafür zu streng auf Michelle Pfeiffer. Mit ihr kann man leicht 90 Minuten verbringen, auch wenn danach kaum etwas übrig bleibt. Ganz nach dem Motto von Francis Price, die hoffte zu sterben, bevor das Geld ausgeht. Der Film tut es, bevor der Abspann zu Ende ist.

French Exit 1 - Copyright SONY PICTURES

 

Darsteller: Michelle Pfeifer, Lucas Hedges, Tracy Letts, Imogen Poots, Danielle Macdonald, Valerie Mahaffey, Susan Coyne u.a.
Regie: Azazel Jacobs
Drehbuch: Patrick DeWitt nach seinem Roman
Kamera: Tobias Datum
Bildschnitt: Hilda Rasula
Musik: Nicholas deWitt
Produktionsdesign: Jean-Andre Carriere
Kanada – Irland – Großbritannien / 2020
113 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES
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