– Bundesstart 24.06.2021
Da hockt Millie allein und versetzt, auf einer Bank im Kostüm des Biber Maskottchens der Football-Mannschaft von Blissfield. Es wäre das perfekte Stimmungsbild einer dieser typischen romantischen Komödien. Aber es ist das Spannungsbild eines Slashers mit gehörigem Splatter-Faktor. Und enorm witzigen Einfällen. In Filmen wie diesen ist es Standard, dass das jüngere und sportlichere Opfer dem behäbigeren Massenmörder niemals davonlaufen können. Und wenn Millie mit ihren überdimensionierten Plüsch-Füßen des Maskottchens vom ‚Blissfield Butcher‘ eingeholt und gemeuchelt wird, sehen wir endlich eine Erklärung für dieses Phänomen.
Und sollte dies nicht die Absicht von Regisseur Christopher Landon hinter dieser Szene gewesen sein, so ist doch zumindest die Vorstellung einfach zu verführerisch. Denn FREAKY ist von Anfang bis Ende voll mit direkten Zitaten, freien Interpretationen und Huldigungen an das Slasher-Kino.
Viel muss man nicht wissen. Der Geist von Vince Vaughn tauscht seinen 2 Meter großen und 100 Kilo schweren Körper gegen den der 1,65 großen und 55 Kilo schweren Kathryn Newton. Der wesentlich ältere Blissfield Butcher kann so unauffällig und unerkannt in Millies High-School ahnungslose Schüler und Lehrer massakrieren. Während Millie ihre beiden besten Freunde überzeugen muss, dass in dieser ungepflegten, muffigen Hülle tatsächlich sie selbst steckt. Und dies wird erschwert, weil die ganze Stadt durch Zeitung und Fernsehen ihr momentanes Gesicht kennt.
Wer an dieser Stelle schon aufgeben will, dem sei gewiss, dass das ausgelutscht und weit überholt scheinende Szenario des Geist- und Körpertausches noch immer funktioniert. Es funktioniert, weil Landon als Regisseur und sein Co-Autor Michael Kennedy gar nicht erst versuchen etwas Besonderes zu gestalten. Sie nehmen die Prämisse so klar und unprätentiös, dass uns als Zuschauern diese schlichte Direktheit sofort positiv stimmt. Ohne unnötiges Brimborium kommt man schnell zur Sache.
Als Regisseur besitzt Landon schon reichlich Erfahrung im Horror-Genre, und ganz speziell in der Horror-Komödie, wie der Fan-Liebling HAPPY DEATH DAY demonstriert. Nur das Landon mit FREAKY eine ordentliche Schlachtplatte oben drauf legt. Ganz sicher erfinden die kreativen Köpfe weder das Körpertausch-Konzept, noch das Slasher-Genre neu. Aber die aberwitzig perfekte Mischung haben sie zu unser aller Freude im Griff, und schaffen es tatsächlich etwas eigenes daraus zu kreieren.
Und so paradox es scheint, schaffen Landon und Kennedy dieses Besondere, in dem sie reichlich und immer zu aus bekannten und beliebten Vorbildern schöpfen. Dem Vorwurf des geistigen Diebstahls oder billigen Kopierens müssen sie sich aber keineswegs aussetzen. Sie gehen ganz offen damit um, und legen auch offensichtlichen Wert darauf, dass ihre Zitate und Huldigungen erkannt werden. Was FREAKY eigentlich nur sympathischer macht.
Dem Versuch einen metaphysischen Überbau für dies Sub-Genres zu gestalten, wird aber erfolgreich widerstanden. Das hat Wes Craven mit der Adaption von Kevin Williamsons SCREAM bereits unübertrefflich vollzogen, und alle bisherigen Epigonen sind dabei gescheitert. Und eine Notwendigkeit wäre für FREAKY auch nicht gegeben, der schon auf seine ganz eigene Weise mit dieser wilden Mixtur Maßstäbe setzt. Und spannend ist. Und lustig. Und ausgesprochen blutig.
Aber auch wenn Landon noch so zielgerichtet und effektiv inszeniert. Auch wenn er genau weiß, wie und wann welche Punkte gesetzt werden müssen, steht und fällt ein Film mit so einer Geschichte mit seinen Darstellern. Mit Vince Vaughn und Kathryn Newton steht und fällt dieser Film. Der Funke ihrer Energie beim Spiel springt umgehend über. Selten hat man in diesem Genre einen Film erleben dürfen, in der die Spielfreude beider gegenläufigen Protagonisten so spürbar und ansteckend ist. Besonderer Unterhaltungsfaktor zeigt sich, wenn beide Figuren mit ihren ungewohnten Körperproportionen zu kämpfen haben.
Ob die Wandlung vom weiblichen Mauerblümchen zum männlichen Massenmörder, oder vom schlachtenden Berserker zur verunsicherten Schülerin. Weder Newton noch Vaughn brauchen Stil bildendes Make-up. Von einer Einstellung zur nächsten, hat der eine vom anderen die Manierismen übernommen. Und ihre ganz große darstellerische Kunst ist es, das keiner der beiden überzogen wirkt, oder die Grenze zur Parodie überschreitet. Die ‚Auto-Szene‘ verdeutlicht, wie selbstverständlich man die Situation annimmt, und sie trotz ihres komischen Gehaltes nicht anzweifelt.
Aber Horror lebt nicht vom Witz allein, also lässt sich FREAKY auch nicht lumpen. Die ersten zehn Minuten legen die Latte ziemlich hoch was inspirierte Todesarten angeht. Und dafür muss man wirklich einen starken Magen mitbringen. Doch Landon sieht davon ab, eine endlose Kette von Gemetzel anzubieten. Aber es sind immer wieder überraschend blutige Akzente, um entweder den Butcher und später eben Millie mit ihren derben Fähigkeiten zu manifestieren.
Mit Vaughn, dessen Energie fühlbar wird, gibt es einen fulminanten Einstieg mit vier verwöhnten High-School Kids. Und die wahrhaftig bösartig wirkende Newton überzeugt mit ihren Fertigkeiten an der Kreissäge. Dazwischen gibt es weniger spektakuläre, aber immer noch erstaunliche Todesarten, mit Opfern die uns ganz nach dem Regelwerk vorgestellt wurden um zu sterben. Es ist also einiges geboten, und das auf allen Ebenen. FREAKY erfindet das Rad in keinem dieser beiden, exzellent vermischten Sub-Genres wirklich neu, aber der Spaß an diesem Vorhaben, die Energie aller Beteiligten reißt uns als Zuschauer einfach mit.
Darsteller: Kathryn Newton, Vince Vaughn, Celeste O’Connor, Misha Osherovich, Uriah Shelton, Dana Drori, Katie Finneran u.a.
Regie: Christopher Landon
Drehbuch: Christopher Landon & Michael Kennedy
Kamera: Laurie Rose
Bildschnitt: Ben Baudhuin
Musik: Bear McCreary
Produktionsdesign: Hillary Andujar
USA / 2020
102 Minuten