Bob Odenkirk is NOBODY

Nobody - Copyright UNIVERSAL STUDIOS– Bundesstart 01.07.2021

In seiner Karriere als hervorragender Comedy-Autor wurde Bob Odenkirk lange Zeit besser wahr genommen. Als Akteur hingegen, meist als gern gesehener Sonderling aus der zweiten Reihe, war es ein eher steiniger Weg bis BREAKING BAD. Das seine Mitwirkung in NOBODY im Windschatten von Odenkirks Jimmy McGill a.k.a. Saul Goodman geschah, darüber braucht man nicht mutmaßen, und ist auch irrelevant. Um aus jenem Windschatten der Typisierung heraus zu kommen, haben schon vor ihm viele andere Darstellerinnen und Darsteller als Nachfolgeprojekte unabhängig produzierte Filme gewählt. Was oftmals bei anderen als angedachter Befreiungsschlag misslang, funktioniert bei Bob Odenkirk überraschend gut. Nicht nur wegen seines charismatischen Talents, sondern auch wegen des raffiniert konstruierten Drehbuchs von Derek Kolstad.

Eine frenetische Eingangssequenz zeigt uns den festgefahrenen Alltag von Hutch Mansell. Ein sich ständig wiederholender Rhythmus mit Familie und Arbeitssituation. Tag für Tag, Woche für Woche. Die Schwierigkeiten mit der Frau, die Ablehnung durch die Kinder, eine beständige Unzufriedenheit. Die Bilder wiederholen sich immer schneller. Hutch Mansell ist ein armer Mensch, der ein armseliges Leben führt. Bis das optische Stakkato in einer festen Einstellung erstarrt. Zwei Einbrecher schleichen Nachts durchs Haus. Nur, das diese Situation vom Familenvater Hutch ganz anders gelöst wird, als es seine Familie, und erst recht der Zuschauer erwartet.

Das der Einbruch bei Hutch dennoch einen Schalter umlegt, ist abzusehen. Aber hier überrascht die Geschichte schon zum ersten Mal, denn das anfängliche Ereignis nimmt schon sehr viel mehr vorweg, als man erahnen könnte. Viel später nimmt die Handlung noch einmal auf, was wir Zuschauer in den ersten Minuten als Ereignis eher enttäuschend empfanden. Dabei hat Regisseur Ilya Naishuller genau im Blick, dass er unsere Erwartungshaltung nicht einfach brachial einlöst, sondern dies über die Figur Hutch Mansell und seiner feinsinnigen Charakterzeichnung plausibel macht.

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Niemand kann nach der berüchtigten Spoiler-Warnung rufen, wenn man anführt, was Bob Odenkirk als leidgeprüfter ‚Niemand‘ für ein explosives Gemüt offenbart. Das eigentlich überholte Sprichwort ‚Der Weg ist das Ziel‘, trifft hier wie die Faust aufs Auge. Wenn der Kalauer gestattet ist. Viel Zeit wird nicht vergeudet, bis man selbst als verwöhnter Action-Freund die Ohren anlegen sollte. Die Figuren, ihre Motivationen und ein respektables Gerüst an Handlung bleiben dabei keineswegs auf der Strecke.

NOBODY ist einer dieser Filme, die auf voller Oktanzahl fahren, und Pausen als lästige Notwendigkeit verstehen. Autor Derek Kolstad hat auch die JOHN WICK-Reihe erfunden und geschrieben, was nicht nur viel verspricht, sondern noch viel mehr einlöst. Das ist äußerst selten bei solchen Filmen, die immer leicht dazu tendieren, sich ganz schnell zu wiederholen. Während NOBODY auch in alle bekannten Gänge schaltet, überzeugt seine Maschine mit wesentlich feinerem Tuning.

Niemand sollte überrascht sein, dass die Action weit über jede physikalische Gesetzmäßigkeit hinaus geht. Aber das ist nicht nur das halbe, sondern das gesamte Vergnügen an dieser Tour de Force mit Messern, Pistolen, Gewehren, Feuerlöschern, Sprengstoff und Mausefallen (!). Es wird gestorben, dass es eine wahre Freude ist, und wer keine Freude daran hat, hat das Herz am rechten Fleck, ist aber im falschen Film. Allein die Choreografie ist überwältigend. Richtig quietsch vergnügt wird es dann mit Evan Schiff und William Yehs kongenialen Schnitt. Mit traumhafter Präzision erreicht der Film den bildlichen Rhythmus einer musikalischen Rock-Oper.

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Da wirkt die Person Bob Odenkirk zuerst einmal deplatziert, was umso besser passt. Denn Regisseur Naishuller spielt bei dieser Besetzung mit den Erwartungen des Zuschauers genauso, wie er die Gegner von Hutch Mansell täuscht. Aber er enttäuscht nicht, weil seine Wandlung vom unterschätzten Niemand zum wehrhaften Berserker schlicht und ergreifend glaubwürdig ist. Gerade wenn der Film auf Hochtouren läuft, drängt bei Odenkirk diese Durchtriebenheit hervor, welche man bei ihm aus anderen Produktionen lieben gelernt hat. Nur, dass aus dem spitzbübischen Blender ein abgefeimter Macher geworden ist.

Das wirklich große Manko in der Erzählstruktur, ist die viel zu frühe Bekanntgabe von Mansells wahren biografischen Hintergrund. Als besonders hintersinniger Spaß erweist sich, wenn Gegner umgehend das Feld räumen, die erfahren, wer Nobody in Wirklichkeit ist. Das ausgerechnet der Zuschauer dabei lange Zeit unwissend bleibt, ist beispielhaft für diese durchweg rabenschwarze, bitterböse Action-Farce. Und hätte Ilya Naishuller im letzten Akt einmal einen Gang zurück geschalten, hätte er im Showdown einen wesentlich kohärenteren Film präsentieren können, anstatt unnötig die Ersatzreifen aufzuziehen, obwohl die Luft noch lange nicht draußen war.

Noch während des Films beschlich den Rezensenten auf Grund seiner Begeisterung, dass man hoffentlich nicht auf die Idee einer dieser unsäglichen Fortsetzungen kommen würde. Was meist wunderbare Erinnerungen zerstört. Doch da war dieser viel zu spärlich informiert, denn Autor Kolstad hat sich für seine kommenden John Wick-Filme schon im Vorfeld etwas besonderes ausgedacht.

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Darsteller: Bob Odenkirk, Connie Nielsen, Aleksey Serebryakov, Gage Munroe, Paisley Cadorath, Christopher Lloyd, RZA, Michael Ironside u.a.
Regie: Ilya Naishuller
Drehbuch: Derek Kolstad
Kamera: Pawel Pogorzelski
Bildschnitt: Evan Schiff & William Yeh
Musik: David Buckley
Produktionsdesign: Roger Fires
Japan – USA / 2021
92 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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