PENGUIN BLOOM
– Bundesstart 19.09.2021
Seit einem Jahr ist Sam von der Hüfte abwärts gelähmt. Ihre Leidenschaft war das Meer und Surfen. Ihre Liebe sind ihre drei jungen Kinder und ihr geduldiger, fürsorglicher Mann Cameron. War sie noch vor 12 Monaten die dynamische Triebfeder der Familie, findet sie jetzt einfach nicht mehr zurück in ihr Leben. Ihre alltäglich depressive Stimmung schlägt auf die Kinder und ihren Mann zurück. Trotz aller positiver Bemühungen, fängt auch die Familie langsam an zu verzweifeln. Oftmals sehr plakativ stellt Regisseur Glendyn Ivin immer wieder die Frage, warum jemand trotz massiver Unterstützung in so einem einladenden Umfeld, ein erfüllendes Leben so vehement von sich fernhalten will. In seiner Verfilmung einer wahren Geschichte, merkt man aber auch, dass diese Thematik viel zu komplex ist, um ein derartiges Schicksal adäquat zu behandeln. Da helfen emotionale Überhöhungen durchaus, den Lebensbejahenden Charakter der Geschichte zu unterstützen.
Der ältere Spross Noah findet am Strand einen frisch geschlüpften Flötenkrähenstar. Er investiert sehr viel Zeit und Gefühl in die Aufzucht dieser „australischen Elster“, so genannt wegen der starken schwarzweiß Färbung. Genau wegen dieser Färbung wird er von Noah auch Penguin getauft. Doch die Leidenschaft des Sohnes hat einen tieferen Ursprung, doch bis die kathartische Auflösung ihren Weg findet, findet Penguin einen festen Platz im Familienleben. Dem kann sich auch Sam auf die Dauer nicht entziehen, was natürlich dramaturgisch überhaupt nicht überrascht. Aber Ivin hat das mit sehr feinem Humor inszeniert, wie die lethargische Sam gegen ihren Willen von dem Vogel gefordert wird. Und er beweist viel inszenatorisches Fingerspitzengefühl, wenn Sam wieder zurück zu ihrem Element findet, dem Wasser.
Nun sind Naomi Watts und Andrew Lincoln sehr wohl Drama erprobte Darsteller, aber das Drama zwischen den Ehepartnern und der ganzen Familie funktioniert lediglich auf einem überschaubaren Niveau. PENGUIN BLOOM kommt über den Charakter eines gefälligen Familienfilms nicht hinaus, der genau mit den Stilelementen anspricht, welche die Zuschauer auch erwarten. Wobei selbstredend der titelgebende Vogel die meiste Aufmerksamkeit erlangt, weil seine zehn Darsteller einfach berühren, jung wie alt. Aber die Geschichte schafft immer wieder sehr gut zwischen Aufmerksamkeit und Vordergrund zu differenzieren.
Den Vordergrund bildet nach wie vor Sam, ihre Familie und die Überwindung der Depression. Auch hier bewegt sich Regisseur Glendyn Ivin innerhalb der üblichen Standards. Anders als vielleicht angenommen, ist Penguin nicht der essentielle Faktor für die seelische Wundheilung welche die Blooms dringend benötigen. Die Energie und der Wille von Sam brodeln die ganze Zeit unter der Oberfläche. Aber der ungewöhnliche Vogel ist ein gleichwertig starkes Glied in der Kette von umwälzenden Erfahrungen. Das Selbstverständnis mit dem sich Penguin durch sein unübliches Verhalten seinen Platz bei den Blooms sichert, wird zum Sinnbild für Sams körperliche Beschränkung, welche den Status einer Behinderung verliert.
Viel Neues findet man als versierter Kinogänger in PENGUIN BLOOM nicht, somit kann der Film auch in seiner Erzählstruktur nicht überraschen. Was die Inszenierung aber rechtfertigt, sind seine ungeheuer attraktiven Darsteller, und die angemessen straffe, sehr konzentrierte Inszenierung. Man muss Glendyn Ivin zugestehen, dass er sehr ehrlich mit dem Ursprungsmaterial umgeht, und nie versucht schlauer zu sein als seine Zuschauer, geschweige denn ihm etwas vormachen, was die Geschichte nicht bieten kann. Umso entspannter lässt sich die Geschichte auch genießen. Unaufgeregt, aber mit sehr hohem Unterhaltungswert.
Sam Bloom gewann 2015 im Parakanu die Goldmedaille bei den Ozeanien-Meisterschaften, und belegte 2016 mit ihrem Kanu Platz sieben bei den Sommer-Paralympics in Rio.
Darsteller: Naomi Watts, Andrew Lincoln, Griffin Murray-Johnston, Felix Cameron, Abe Clifford-Barr, Jackie Weaver, Lisa Hensley Leena Walsman, Gia Carides, Rachel House
sowie Gerry, Clipper, Eugene, Maggie May, Mavis, Pew, Pip, Wendell, Swoop und Hollywood als Penguin
Regie: Glendyn Ivin
Drehbuch: Shaun Grant, Harry Cripps, Samantha Strauss
nach dem Buch von Cameron Bloom & Bradley Trevor Greive
Kamera: Sam Chiplin
Bildschnitt: Maria Papoutsis
Musik: Marcelo Zarvos
Produktionsdesign: Annie Beauchamp
Australien – USA / 2020
95 Minuten