Beitrag FANTASY FILMFEST – 17.06. bis 27.06.2021
SPECIAL PRESENTATION
In 2018 war es der Alptraum eines jeden Event-Kinogängers. Die ersten 45 Minuten von A QUIET PLACE machten es unmöglich Popcorn oder gar Nachos zu naschen. Und auch in den letzten Minuten wäre man damit kein Freund von fokussierten Zuschauern geworden. Auch wenn DON’T BREATH das akustische Konzept von Stille bereits 2 Jahre vorher zelebrierte, wurde John Krasinskis dritte Regiearbeit fürs Kino wesentlich bedeutender, weil eindringlicher inszeniert und wohlwollender aufgenommen. Das macht eine unvermeidliche Fortsetzung natürlich nicht einfach. Das war es im allgemeinen noch nie, wird es auch zukünftig nicht sein. Denn eine einfache formale Wiederholung, was den anfänglichen Erfolg ja begründete, wird stets genauso skeptisch aufgenommen, wie das herkömmliche Konzept von Höher-Schneller-Weiter. Nachdem man John Krasinski in einen zweite Teil hinein tricksen konnte, entschied dieser sich für die zweite Variante.
Die Handlung setzt bei Tag 1 ein. Man könnte es Erstkontakt nennen. Wir erleben die Familie Abbott noch vollzählig bei einem Baseball-Spiel der Jugendliga. Es ist das Idyll einer harmonischen Kleinstadt, bis das Chaos ausbricht. Die Reaktion der Bewohner in dieser unbekannten Bedrohungslage, wird natürlich deren eigentliches Verhängnis. Die angreifenden Monster können nicht sehen oder riechen, aber sie reagieren tödlich auf Geräusche.
John Krasinski festigt schon in den ersten Einstellungen sein Renommee als raffinierter, fein abwägender Gestalter. Die menschenleere Straße, die absolute Stille, ein einziges Fahrzeug das ins Bild kommt. Wir sind sofort in der Atmosphäre, die man von A QUIET PLACE erwartet. Erst etwas später in der Szene, öffnet die Kamera mit ruhiger Fahrt in ein offenes Feld mit tobenden Spielbetrieb der Jungen, und der picknickartigen Stimmung bei den Erwachsenen. Die Täuschung war perfekt, und die Auflösung einfach stimmig.
Sogar die sich ankündigende Gefahr widerspricht den Genre-Konventionen. Keine Panik, Besonnenheit, die Unruhe bleibt bodenständig und nachvollziehbar. Und dann löst der Film die Erwartungshaltung an einen zweiten Teil mit gesteigerten Höhepunkten ein. An diesem frühen Punkt definiert Krasinski seine Art, mit den Ansprüchen an eine herkömmliche Inszenierung zu brechen. In den Action-Sequenzen eröffnen sich immer zwei stattfindende Settings, die mit exzellent choreographierten Kamerabewegungen und synchronisierten Abläufen parallel montiert sind.
Und dann ein Schnitt zu Tag 474, wo die Geschichte exakt an das Ende vom ersten Teil anknüpft. Die Abbotts verlassen ihr nun mit Alien verseuchtes Zuhause. In Emmett finden sie einen nur widerwilligen Verbündeten, der traumatisiert vom Verlust seines Sohnes und der Frau, in einer perfekt geeigneten Industrieanlage untergekommen ist, welche vor den extrem hellhörigen Bestien schützt.. Selbstverständlich entwickelt sich die auf Spannung angelegte Handlung nach gewissen Genre-Konventionen, wie zum Beispiel einem unverständlichen Missgeschick, welches zu Angriffen der Aliens führt. Oder die rebellierende Tochter, die doch nicht so erwachsen ist.
Aber das alles funktioniert weit besser, als wir vermuten möchten. Das liegt zum einen an den ausgefeilten, originellen und atemraubenden Spannungs-Sequencen, und an dem über jeden Zweifel erhabenen Darsteller. Auch wenn Millicent Simmonds als Regan entgegen aller Regeln unvernünftig handelt, traut man ihr Dank der starken Persönlichkeit dennoch zu, das Vorhaben erfolgreich abzuschließen. Und so kann man Logik und Unvernunft im handeln bei allen Figuren abwägen, weil sie allesamt als greifbare Charaktere inszeniert sind, und nicht zu an den Haaren herbeigezogenen Verursachern von Konfliktsituationen verkommen.
Herausragend sind die spannungsgeladenen Action-Sequenzen, die auch, aber weniger auf körperlichen Einsatz als vielmehr psychischen Terror ausgelegt sind. Da bleibt ein gefährlicher Linienbus ebenso im Gedächtnis, wie der Vorteil einer geborstenen Wasserleitung, die ein wesentliches Motiv des ersten Teils weiterführt. In diesen Sequenzen werden immer zwei Ebenen parallel erzählt, teilweise mit gleichenden Kameraeinstellungen und Methoden. Es wäre nicht einmal ein Kalauer zu sagen, es gibt das doppelte Terror-Vergnügen. Gekonnt sieht Krasinski davon ab, seine Action eventuell unnötig in die Länge zu ziehen, sondern hält alles stets auf höchsten Wirkungsgrad mit bestmöglichem Adrenalin-Ausstoß.
Hat A QUIET PLACE 2 Logiklöcher? Selbstverständlich, soweit muss man den Kritikern zuvorkommen. Genau wie sein Vorgänger. Je nach Erbsenzähler-Grad sind diese unbedeutend bis schwerwiegend. Grundsätzlich sollte man aber in der Lage sein, diese zu ignorieren. Vorrangig ist, dass der Film alle Erwartungen an eine Fortsetzung erfüllt, und dabei sogar einige Schritte weiter geht. Und das erneut mit einem Ensemble das nicht nur tadellos agiert, sondern innerhalb der Reihe stark mit den Figuren gewachsen ist. Zudem ist ja dieser Film eine stringente Weitererzählung, die mit unaufdringlichen Querverweisen eine Verbindung zu uns und Teil Eins gleichermaßen schafft, aber auch Handlungselemente logisch weiterführt.
Wie Teil Eins eine Ausnahmeerscheinung im gängigen Science Fiction-Horror wurde, hat John Krasinski auch die Fortsetzung so umgesetzt, dass er über die Erwartungen hinaus geht. Und dabei bleibt er auf klarer Linie in Verbindung zum Vorgänger. PART 2 macht das Vorhersehbare schon zwangsläufig. Aber exakt nur mit dieser Konstellation hinter und vor der Kamera, bitte.
Darsteller: Emily Blunt, Millicent Simmonds, Noah Jupe, John Krasinski, Cillian Murphy, Djimon Hounsou, Scoot McNairy u.a.
Regie & Drehbuch: John Krasinski
Charaktere: Scott Beck & Bryan Woods
Kamera: Polly Morgan
Bildschnitt: Michael P. Shawyer
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Jess Gonchor
USA / 2020
97 Minuten