A DARK SONG

A Dark Song - Copyright IFC MIDNIGHT– Bundesstart 07.10.2021

Der Nischen-Verleiher Drop-Out Cinema hat es sich ja zum Konzept gemacht, mit unbeachteten Randproduktionen die unabhängigen und von großen Verleihern missachteten Kinos zu unterstützen. Nur so erklärt sich, warum A DARK SONG jetzt auch auf dem deutschen Markt Einzug hält. Wie weise diese Entscheidung war, darf diskutiert werden, denn Liam Gavins Spielfilmdebüt feierte bereits 2016 auf dem restlichen Weltmarkt Premiere, und ist schon lange international auf Digitalscheibe und auf Streaming-Plattformen erhältlich. Es war zu beobachten, dass man die ‚Wiedereröffnungsphase‘ des Kinobetriebes mit weniger aufwendigen, dafür umso herkömmlicheren Horrorfilmen auffüttern wollte. Mit den schwankenden Öffnungsreglements, würden sich eventuelle Einbußen bei solchen Filmen überschaubar halten. Nur, A DARK SONG ist kein solcher Film.

Angeblich ist es der frühe Tod ihres Sohnes, der Sophia antreibt, eine Verbindung mit dem Jenseits zu finden. Mit Unterstützung des Okkultisten Joseph, will sie in einem Waliser Landhaus ein kabbalistisches Ritual abhalten, um von ihrem Schutzengel einen Gefallen einzufordern. Der Mann braucht sehr viel Überredungskunst, um die unbedarfte Sophia dann doch durch das Ritual zu führen. Dies kann Wochen, gar Monate dauern. Eine Zeit voller Erniedrigungen, Entbehrungen, und endlos scheinender Wiederholungen ritueller Versatzstücke. Die Kabbalah wäre eine Auseinandersetzung mit Gott, doch Joseph warnt eindringlich, dass Sophie und er in viel dunklere Abgründe vordringen würden.

Man merkt sehr schnell, warum A DARK SONG auf diversen Festivals so positiv aufgenommen wurde. Die anfänglich ruhige Inszenierung von Liam Gavin, hat eher die Anmutung eines psychologischen Dramas. Dazu tragen auch die beiden Hauptdarsteller Catherine Walker und Steve Oram bei, die sich vollkommen der vertrauten Charakterisierung für Horrorfilm-Figuren entziehen. Natürlich ist Walker die Getriebene mit mysteriösen Absichten, und Oram erfüllt die Rolle des ständigen Zauderers, der aber genau weiß was er tut. Der Unterschied zum Grusel-Standard ist, wie sie szenisch geführt werden. Da nimmt Gavin viel mehr Anleihen beim Realismus von Thomas Vinterberg, anstatt dem frenetischen Getöse von James Wan.

Die Natürlichkeit, mit der Walker und Oram ihre Charakteren ausfüllen, drängt den Horrorfilm atmosphärisch erst einmal in den Hintergrund. Nüchtern, geradezu selbstverständlich wägen Sophia und Joseph ihr okkultes Vorhaben ab und bestimmen die absurden Abläufe des Rituals. Hier wird noch auf begleitende Musik verzichtet. es gibt keine unheilvollen Zwischenschnitte, oder bedrohliche Toncollagen. Man gewinnt den Eindruck einer Anleitung für der Abramelin Prozedur, ein realer von Gnostikern angewandter Ritus. Da gewinnt der Film eine unheimlich Spannung, weil die Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Übernatürlichen, durch die Darsteller einen fesselnden Realismus erreicht.

A Dark Song 3 - Copyright IFC MIDNIGHT

Skeptikern sei angemerkt, dass die verschiedenen Stufen des Ritus nicht wirklich in ihrer Gänze, noch ihre zugesprochene Bedeutung detailiert erklärt werden. Was aber nichts von der aufbauenden Intensität nimmt, welche sich schließlich während der zweiten Filmhälfte steigert. Nach Wochen quälender Riten sind sich weder Joseph noch Sophia wirklich sicher, ob leise Stimmen oder polternde Geräusche nur halluzinatorische Psychosen sind, oder sich die Welt des Übernatürlich tatsächlich zu öffnen beginnt. Dafür kristallisiert sich nach und nach heraus, was die beiden Menschen wirklich zu diesem Vorhaben brachte.

Horror funktioniert bei Liam Gavin nicht über die aktuell modernen Stilmittel von Schockmomenten, blutigen Einflüssen, oder kreischendem Tonelementen. Aber Gavin spielt sehr gerne mit diesen Erwartungshaltungen, hält aber den Spannungsfaktor hoch, indem er Gruselelemente mit einem gewissen Selbstverständnis in die Szene einbindet. In diesem Zusammenhang kann man sagen, dass die eigentliche Auflösung dann ziemlich unerwartet ist, und sich geradezu passend und im Kontext der Erzählung erweist.

In Hinblick auf die momentanen Trends im Horror-Genre, neigen Filmkritiker gerne dazu, bei Filmen wie diesem, von intelligentem Horror zu sprechen. Allerdings ist das gegenüber anderen Filmemachern und ihrem angestammten Publikum ziemlich ungerecht. Doch zumindest stimmt, dass A DARK SONG anders ist, und damit sehr ansprechend. Eine fünf Jahre verspätete Kinoauswertung in Deutschland darf dennoch diskutiert werden. Denn dieser Film wird wegen der sehr eingeschränkten Veröffentlichung kaum noch seine verdiente Aufmerksamkeit erlangen.

A Dark Song 1 - Copyright IFC MIDNIGHT

 

Darsteller: Catherine Walker, Steve Oram und Mark Huberman, Susan Loughnane u.a.
Regie & Drehbuch: Liam Gavin
Kamera: Cathal Watters
Bildschnitt: Anna Maria O’Flanagan
Musik: Ray Harman
Produktionsdesign: Conor Dennison
Irland – Großbritannien / 2016
100 Minuten

Bildrechte: IFC MIDNIGHT
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar