BLOODSHOT – Bundesstart 05.03.2020
Mild Gespoilert – Selten hat ein Film so Klischee beladen, so absehbar und vor allem vorhersehbar begonnen. BLOODSHOT beginnt mit einer Exposition, die jedem Cineasten umgehend zum Verlassen des Kinos rät. So etwas will man nicht zum hundertsten Mal sehen. Denkt man sich. Je weiter diese Comic-Verfilmung voran flimmert, desto mehr Sinn ergibt sich aus der einen oder anderen Szene. Und wider Erwarten ist man in einem Vin Diesel Film, der nicht wirklich einer dieser ganz beliebigen Vin Diesel Filme ist. Was die beiden Drehbuchschreiber Eric Heisserer und David Wilson sehr geschickt umgesetzt haben, ist mit dem Aushängeschild Diesel zu spielen, seinen realen Bekanntheitsgrad für die Erzählstruktur des Films zu nutzen. Das geht sogar soweit, dass das vollkommen ausgereizte Thema von Familie aus der Fast-and-Furious-Reihe, auch hier ganz leise Anklänge findet. Aber Regisseur David F.S. Wilson inszeniert solche Anleihen sehr unaufdringlich, eher unauffällig. Und mit einem Mal macht BLOODSHOT viel mehr Spaß, wie man voreingenommen annehmen wollte.
Alles spielt nach den Regeln. Ray Garrison, der harte Elite-Soldat bei einer speziellen Operation. Ray Garrison, der verliebte Heimkehrer bei verträumt romantischen Stunden mit der Frau. Ray Garrison, an einem überraschenden Wendepunkt in den Händen kaltblütiger Folterknechte, die ihn ermorden werden. Und das sind erst die zehn Minuten des Einstiegs, in einen Adrenalin gefüllten Action-Thriller, der genau weiß, wie man den Erwartungen des Publikums gerecht wird. Gerade einmal 50 Millionen Dollar steckte Sony in den Film, der unter anderem auch von Valiant Entertainment mit produziert wurde. Vielleicht wäre an Budget mehr möglich gewesen, wenn Sony es nicht versäumt hätte, sich die Rechte für alle Valiant Comics zu sichern. Für den weniger bekannten, aber unter Comics Nerds doch hoch geschätzten Verlag, lag es nahe, das Vorhaben auf den Weg zu bringen, welches die zwei großen Cousins schon umgesetzt haben. Der eine unverschämt erfolgreich, der andere mit ganz wenig Glück beschienen. Auch Valiant hätte sich ein eigenes Film Universum vorstellen können, wo sich anfängliche Einzelabenteuer ihrer Superhelden immer weiter aufbauend, mit anderen Figuren ihrer Verlagsreihe kreuzen.
In erster Linie ist BLOODSHOT ein Vin Diesel Vehikel. Darauf ist der Film aufgebaut, und damit geht das Marketing auch ganz offensiv an das Zielpublikum. Erst beim zweiten Blick entpuppt sich die Figur Ray Garrison als Gegenentwurf zu einem Superhelden. Auffallend, das in dieser ersten Geschichte noch kein einziges Mal sein Pseudonym genannt wird. Es ist David Wilsons Regiedebut, dafür hat er in seinem bisherigen Metier der Visual Effects sehr viel Einblick in die Inszenierung von Action Sequenzen bekommen. Und das merkt man dem Film auch durchweg an. Wie der szenische Aufbau gestaltet ist, wie die Protagonisten ins Bild gerückt werden, wie im perfekten Moment Zeitlupen eingesetzt sind. Vor allem in der ersten großen Action-Sequenz steht die Ästhetik weit über den Gehalt. Und das ist nicht einfach nur gut so, sondern spektakulär und atemberaubend. Dabei wird sehr effektiv demonstriert was Garrison letztendlich zu Bloodshot werden lässt, und vor allem wie es funktioniert. Das beeindruckende visuelle Konzept zeigt da wesentlich mehr, als die Techniker mit wissenschaftlichen Geschwafel erklären können.
Eine ominöse Institution hat Ray Garrison zu einem einzigen Herd von Nanobots umfunktioniert. Damit haben die Wissenschaftler den Elitesoldaten nicht nur von den Toten auferstehen lassen, sondern ihm auch noch das Geschenk der sofortigen Wundheilung gegeben. Anstelle von Blut hat Garrison Nanoroboter im Körper die auf jede Zerstörung mit sofortiger Regeneration reagieren. Mit diesen Fähigkeiten muss der getäuschte und benutzte Anti-Held erst einmal herausfinden, wer er überhaupt ist, und was seine Gegner mit ihm vorhaben. Dazu schlägt die Geschichte immer wieder überraschende Haken. Der oberflächlich scheinende Action-Kracher geht mit überzeugenden Spannungsmomenten einher. Dabei steht einem wie immer stoisch souveränen Vin Diesel ein überraschend charismatischer Guy Pearce gegenüber, der sichtliche Freude darin zeigt, lange seinen wahren Charakter zu verschleiern.
Der Endkampf kann letztendlich nicht vollkommen überzeugen, weil der Film an dieser Stelle mit zu vielen Unwahrscheinlichkeiten aufwartet. Das mag bei einem Superhelden-Film paradox klingen, aber die vorangegangenen Spektakel waren dafür eben zu gut in Szenen gesetzt, das am Ende die erwartete Steigerung nicht mehr wirklich aufgeht. Nichtsdestotrotz ist David Wilson ein zielsicherer Actionfilm gelungen, der nicht zwangsläufig die angestrebte Fortsetzung bräuchte, eine solche aber durchaus umgehend ins Kino locken würde. Nur sollten die Verantwortlichen dann Jim May im Schnitt etwas die Zügel anlegen, denn viele Szenenfolgen könnten noch einiges mehr an Potential aufweisen, hätte der frenetische Schnitt nicht viele dieser Sequenzen in eine schlecht nachvollziehbare Abfolge zerhackt. Wenigstens hat das Kostümdesign darauf geachtet, das Diesel ärmellose T-Shirts trägt, ausschließlich ärmellose T-Shirts, selbst als Versuchsratte auf dem Labortisch.
Bloodshot ist der bekannteste Superheld im Valiant Universum, allerdings ganz dicht gefolgt von den Harbingers. Für diese Anti-Helden hat sich jedoch Paramount die Rechte gesichert. Irgendjemand hat da wohl im Vorfeld geschlafen, und das ist sehr schade. Das hört sich wieder nach einer sehr zerfahrenen Situation an, die Sony schon mit SPIDER-MAN und Marvel hatte. Ob sich auch hier die betroffenen Gegenseiten auf so komplizierte Verhandlungen einlassen möchten, um ein eigenes Valiant-Universum erschaffen zu können, bleibt leider zu bezweifeln.
Darsteller: Vin Diesel, Eiza González, Sam Heughan, Toby Kebbell, Guy Pearce, Jóhannes Haukur Jóhannesson u.a.
Regie: David Wilson
Drehbuch: Jeff Wadlow, Eric Heisserer nach den Valiant Comics von Kevin VanHook, Don Perlin, Bob Layton
Kamera: Jacques Jouffret
Bildschnitt: Jim May
Musik: Steve Jablonsky
Produktionsdesign: Tom Brown
USA – China / 2020
109 Minuten